Hansa, was tust Du mir nur an? Ein Heimspiel aus Sicht einer Exil-Rostockerin

MB Updated

Hansa / EmporZugegeben, die berechtigtere Frage wäre „Was tue ich mir nur an, um Dich spielen zu sehen?“. Bekanntlich wohnt nicht jeder Hansa-Fans in Mecklenburg-Vorpommern und gar direkt in Rostock. Ein Teil der Anhängerschaft reist aus der gesamten Region Nordost und manchmal sogar von noch weiter an, um die Spiele des derzeitigen Drittligisten zu sehen. So wird auch ein Heimspiel ganz fix zu einem echten Auswärtsspiel. Zuletzt an der Tagesordnung: Die Begegnung gegen den VfB Stuttgart II. Klingt nicht prickelnd, trotzdem  wurde sich wieder auf dem Weg gemacht, in meinem Fall von Thüringen aus. Folgend ein paar persönliche Eindrücke von der Fahrt und natürlich auch vom Spiel.

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Hansa / EmporZugegeben, die berechtigtere Frage wäre „Was tue ich mir nur an, um Dich spielen zu sehen?“. Bekanntlich wohnt nicht jeder Hansa-Fans in Mecklenburg-Vorpommern und gar direkt in Rostock. Ein Teil der Anhängerschaft reist aus der gesamten Region Nordost und manchmal sogar von noch weiter an, um die Spiele des derzeitigen Drittligisten zu sehen. So wird auch ein Heimspiel ganz fix zu einem echten Auswärtsspiel. Zuletzt an der Tagesordnung: Die Begegnung gegen den VfB Stuttgart II. Klingt nicht prickelnd, trotzdem  wurde sich wieder auf dem Weg gemacht, in meinem Fall von Thüringen aus. Folgend ein paar persönliche Eindrücke von der Fahrt und natürlich auch vom Spiel.

Eine der Gruppen, die jedes Mal eine lange Strecke zum Heimspiel auf sich nimmt, kommt aus Ostthüringen bzw. Leipzig. Für die Ostthüringer Fraktion der Gruppe, die die längste Fahrtzeit haben, bedeuten Heimspiele einen ziemlichen Aufwand. Pünktlich 3:00 Uhr ist die Nacht vorbei, man fährt zirka 40 Minuten zum Bahnhof, da im eigenen Ort so früh noch keine Züge abfahren. Später geht es dann mit dem Zug weiter. So werden noch einmal acht bzw. sieben Stunden mit dem Zug gefahren, bevor man dann endlich kurz vor Anpfiff im heimischen Stadion steht. In der Gesamtbilanz bedeutet das: 18 Stunden unterwegs, 1.200 Kilometer zurückgelegt und – vorausgesetzt, dass man in der Nacht zuvor schlafen konnte, was eher selten der Fall ist – knapp 24 Stunden ohne Schlaf. 

Hansa Rostock in HalleIm Moment fragt man sich allerdings, wofür man das eigentlich alles macht. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich das alles nur auf mich nehme, um mir das Spiel meiner Mannschaft anzusehen. Die Gründe sind ganz einfach. Seit mehreren Wochen, wenn nicht sogar schon Monaten, spielen unsere Jungs eine ziemliche Grütze zusammen. Der erste Kommentar des Fanradios beim Spiel gegen Heidenheim war bezeichnend für das Gekicke. Dort hieß es nämlich direkt mit dem Anstoß: „Und Nico Zimmermann mit einem sehr hohen und sehr weiten Ball nach vorne“. Es war eines der wenigen Spiele, das ich in dieser Saison verpassen sollte und beim Hören dieses Kommentars war das Spiel für mich gegessen. Vor dem Spiel am Samstag wurden jedoch große Töne gespuckt. Die berühmte „Reset-Taste“ sollte gedrückt werden und damit die noch berühmtere „Stunde Null“ beginnen. Jeder Spieler sollte seine Chance erhalten und trotzdem standen, mit Ausnahme von Leo Haas, der seine Rot-Sperre vom Spiel gegen Halle absaß, wieder die alt bekannten auf dem Platz. Doch dazu später mehr.

Mittwoch ging der ganze „Spaß“ schon los. Rotznase und Husten waren die Gründe, dass Schlaf zum Luxus-Gut wurde. Ein Besuch beim Arzt kam nicht in Frage, denn das hätte bedeutet, dass das Spiel am Samstag für mich ausgefallen wäre. Aufgrund der ziemlich miesen Fahrzeiten der Züge aus unserer Region und den vorausgesagten Problemen auf der Strecke Wittenberge-Stendal, entschlossen wir uns, den ersten Zug ab Leipzig zu nehmen, was mit dem Durchmachen der vorherigen Nacht einherging. Aufgrund der Tatsache, dass es mir in diesem Moment recht gut ging und ich nur das Ziel „Heimspiel in Rostock“ im Kopf hatte, sollte es dann also Freitagabend um 21:30 Uhr los gehen. 

Zunächst wurde kurz vor Ladenschluss noch das Nötigste eingekauft und dann begann die Reise auch schon. Nicht, ohne vorher festzustellen, dass meine Mutter froh sein sollte, dass ich in meiner Freizeit zum Fußball fahre und nicht, wie diese 12-Jährigen aus unserer Stadt, mit Bier in der einen und Kippe in der anderen Hand, vor dem örtlichen Supermarkt stehe und irgendwelche Leute anpöble. Nachdem die obligatorischen 40 Minuten zum Bahnhof auch ohne Probleme überstanden waren, wurde der letzte Zug in Richtung Leipzig geentert, wo dann exakt 0:00 Uhr das Treffen mit zwei weiteren „bekloppten“ Hansa-Fans anstand, um die drei Stunden bis zur Abfahrt des Zuges gemeinsam zu verbringen. 

Leipzig HbfNachdem dann die Beschreibung „Gleich in der Nähe vom Bahnhof“ völlig neu definiert wurde, war der Ort, an dem wir die Nacht rumbringen sollten, dann auch schnell gefunden. Irgendwann war dann auch die Zeit gekommen und nachdem wir ordnungsgemäß bezahlt hatten („Das macht dann 10,80“ – „Hier, machen Sie 9“), hieß das Ziel erneut „Bahnhof“. Auf dem Weg dorthin kam dann die Frage auf, ob wir eigentlich die einzigen Idioten sind, die von Leipzig aus für andere Vereine, als die der Stadt, auf Reisen gehen, da wir bei all den Fahrten, die in der sächsischen Metropole starteten, nie auf andere Fan-Gruppierungen gestoßen waren. Als wäre derjenige, der diese Frage gestellt hatte, ein Prophet gewesen, standen ausgerechnet an unserem Gleis fünf junge Leute, davon drei mit blauen Schals. Nachdem der kurze Verdacht auf Hansafans verflogen war, musste die Gruppe natürlich angesprochen werden, was nicht nur an der Kiste Bier lag, die diese bei sich hatte. 

Es stellte sich dann schnell heraus, dass diese drei Jungs auf dem Weg nach Bochum waren, doch bei der Frage, ob sie Ultras wären, zögerten sie kurz, um dann mit „Nicht direkt“ zu antworten. Irgendwann meinten sie, dass sie „Ultras Bochum – Sektion Leipzig“ sind und sogar eine eigene Fahne haben, die aber „Natürlich“ in Bochum ist. Hiermit der Aufruf an alle Leser: Wer auf Bilden vom Bochumer Block bei irgendwelchen Spielen eine Fahne mit der Aufschrift „1848“ und den Wappen von Leipzig bzw. vom Vfl Bochum erblickt, der möchte mir dieses Bild doch bitte einmal zukommen lassen!

Auf der Fahrt wurde sich dann noch locker unterhalten und wenn wir nicht dank mir körperlich unterlegen gewesen wären, hätte wohl aufgrund einer schon fast dummen Gutgläubigkeit ein Seidenschal den Besitzer gewechselt. Stattdessen bedankten wir uns artig für die fanfreundlichen Bier-Preise (drei Flaschen für 50 Cent) und ließen es uns nicht nehmen, die Bochumer auf zwei Dortmund-Fans im Zug aufmerksam zu machen. Als dieses Kapitel dann auch endlich beendet war, ging die Reise weiter und nach ausführlichen erhaltenen Informationen über die Stadt Würzburg („Ich glaube, Würzburg hat die größte Polizeidichte in Deutschland“) wurde dann auch der erste Versuch gestartet, ein bisschen Schlaf zu bekommen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits 26 Stunden wach und mein Husten begann langsam wirklich übel zu werden. Am nächsten Zwischenziel angekommen, an dem gefühlte 100-mal festgestellt wurde, wie bitterkalt es doch ist, ging es auch endlich weiter, dem Heimathafen entgegen. Hierbei sollte es zum ersten Mal überhaupt gelingen, Mitfahrer auf unserem WET zu gewinnen. Hierbei hatten wir sogar die Wahl. Entweder Daniel und seine Freundin Lulu, die zehn Euro boten, oder die zwei anderen Wesen, welche deutlich erkennbar Klamotten von St. Pauli trugen und 16 Euro zahlen wollten. Auf wen die Wahl fiel, kann man sich sicher denken. 

Stadion RostockIrgendwann kamen wir dann auch in der wunderschönen Landeshauptstadt Schwerin an, wo ungewohnt viele bekannte Gesichter zum Vorschein kamen. Um das Kapitel Hinfahrt jetzt endlich mal abzuschließen, machen wir einen kleinen Sprung. Es geht nun in Rostock selbst weiter. Im Stadion selbst wurde diesmal ein eher ungewohnter Ort gewählt. Aufgrund der Tatsache, dass meine Stimme zu dem Zeitpunkt schon richtig im Eimer war und ich auch so langsam spürte, dass es nicht die beste Idee war, in diesem Zustand zum Spiel zu fahren, sollte Block 27a mal ein ganz neuer Standort werden. Ist schon seltsam, wenn man zum Spiel fährt, um sich ins Stadion zu stellen und „nur“ das Spiel zu schauen. In meinem Zustand hätte der Supporterbereich jedoch einfach keinen Sinn gemacht. Davon ganz abgesehen war die Südtribüne eh so leer wie lange nicht mehr (Die Zeit, in der sie geschlossen war, mal ausgenommen).

Das Spiel war wieder einmal nicht das Gelbe vom Ei. Zugegeben, man hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass wir ein Tor kassieren würden, was aber weniger an unserer souveränen Abwehrarbeit lag, als an der Tatsache, dass sich die VfB-Bubis teilweise in der Offensive genauso schlecht anstellten wie unsere eigenen Spieler. Pässe, die über zwei Meter gespielt werden sollten, aber auf diesem kurzen Weg im Aus landeten, waren wieder einmal bezeichnend für die momentane spielerische Leistung. Bezeichnend auch, dass eine eigentlich hundertprozentige Chance darin endete, dass unser Spieler von drei Gegnern umzingelt war, weil er sich den Ball noch dreimal zurechtlegen musste, anstatt einfach mal draufzuhalten.

Positiv zu erwähnen von der Hansa-Truppe ist wohl mal wieder Sebastian Pelzer, dessen spielerische Defizite aufgrund der Anpassung der Mannschaft an dieses Niveau nicht mehr sonderlich auffällt, aber der als gefühlt einziger mal richtig kämpft. Nicht nur seine zahlreichen Grätschen, sondern auch der Versuch, einen Ball, der deutlich ins Aus gehen sollte, noch zu erreichen, unterstreichen diese Tatsache. Spielerisch war wohl Mendy, der irgendwie überall war, aber weder in der Abwehr, noch im Mittelfeld oder gar ganz vorne, Abnehmer für seine teilweise guten Ideen bekam. Als sportliches Fazit bleibt nur, dass wir im zweiten Spiel hintereinander Zuhause ungeschlagen sind und das zweite Mal zuhause zu Null gespielt haben. Man soll ja schließlich auch das Positive sehen. 

Stadion RostockAuch im Support schlägt sich die sportliche Situation nieder. Nicht nur die Tatsache, dass „Niemals aufgeben, Kämpfen und Siegen, Vorwärts FCH, Wir sind für Dich da“ zum Dauergesang wurde, sondern auch ein weiteres Detail fiel einigen aufmerksamen Beobachtern wohl auf. In Rostock gibt es Support nicht nur auf der Süd-Tribüne, sondern auch im Block 8/9 auf der Nord. Oder besser gesagt: Es gab ihn. Beim Betreten der Südtribüne fiel deutlich auf, dass der Eckblock auf der Nord ziemlich leer war. Nicht nur was die Fans, sondern auch Fahnen anging. Dafür konnte man die eine oder andere bekannte Fahne aus diesem Block plötzlich auf der Südtribüne entdecken und auch einige bekannte Gesichter, die sonst auf der anderen Seite des Stadions weilten, konnte man erblicken. In meinen Augen ein guter Schritt, wenn es wirklich so sein sollte, dass man nun die Kräfte bündelt. Gerade in dieser schweren Zeit.

Wie oben schon beschrieben, fährt man im Moment nicht nur wegen Fußball zu Hansa. Es sind die Freunde und diese gewissen Erlebnisse, die man nur im Zusammenhang mit Fußball macht. Für uns Fans aus Sachsen und Thüringen fiel die Bilanz dieses sogenannten Heimspiels eher ernüchternd aus. Fast 48 Stunden ohne Schlaf, 18 Stunden in Bus, Bahn und Auto, 1.200 gefahrene Kilometer, sowie ein mageres Pünktchen standen letztendlich zu Buche. Doch trotz allem werden wir uns auch nächstes Wochenende wieder auf den Weg machen. Dann nämlich steht das wichtige Heimspiel gegen den SV Darmstadt 98 an der Tagesordnung.

Fotos: Ricardo Lichtenfeld, Marco Bertram, Mia B.

> zur turus-Fotostrecke: FC Hansa Rostock

 

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