Union Berlin vs. FC St. Pauli: Viele Tore und gute Stimmung vor Rekordkulisse

MB Updated

Union - PauliDas Pfefferspray war bereits gezückt. Gegen 17:30 Uhr drohte die Situation an der Tankstelle nahe des Stadions zu eskalieren. Dort kam es zu Handgreiflichkeiten mit der Polizei und zu vereinzelten Festnahmen, die aus Augen zahlreicher St-Pauli-Fans ziemlich resolut durchgeführt wurden. Inmitten des Getümmels waren einige Anhänger des weißrussischen Klubs Partizan Minsk, der die kommenden Tage auf eine kleine Tour durch Deutschland gehen wird. Dass es zwischen den Zapfsäulen nicht zu weiteren Auseinandersetzungen kam, lag zum einen daran, dass ein Großteil der aktiven Pauli-Szene bereits gen Einlass wanderte und zum anderen, dass die behelmten Beamten eine doppelte Polizeikette bildeten.

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PauliWer jedoch aufgrund der Ereignisse an der Tankstelle darauf schlussfolgern ließ, dass es im Gästebereich hitzig oder gar aggressiv werden könnte, sah sich komplett getäuscht. Entspannte Stimmung im ausverkauften Gästeblock und angenehm zurückhaltsame Ordner und Polizisten im Stadion. Einem stimmungsvollen Fußballerlebnis stand nichts mehr Wege, bis auf die Tatsache, dass etliche Gästefans erst nach Abpfiff die Ränge erreichten. Doch dies lag einfach an der für einen Wochentag recht frühen Anstoßzeit. Nicht wenige schafften es auf Grund der Arbeit oder Anreise erst auf dem letzten Drücker zum Spiel.

UnionIm Gästebereich prangte bereits vor Anpfiff ein Banner mit der Aufschrift „Köpenick... ist braunweiß!“ Unions Stadionsprecher Christian Arbeit hieß die Gästefans herzlich willkommen, machte jedoch darauf aufmerksam, dass sie in dieser Sache unrecht hätten, denn „Köpenick wird immer rot-weiß bleiben!“ 21.410 Zuschauer im ausverkauften Stadion An der Alten Försterei bedeuteten indes einen Zuschauerrekord für den 1. FC Union bei einem Heimspiel in Liga zwei. Im Gegensatz zum Heimspiel gegen Erzgebirge Aue war nun auch die große neue Haupttribüne komplett gefüllt. Für die große Kulisse trugen mehrere tausend reiselustige Hamburger bei, die auch auf eben jener neuen Haupttribüne sichtbar und hörbar waren, als sie zu Beginn des Spiels erste Wechselgesänge mit dem Gästeblock anstimmten.

PauliPunkt 18 Uhr wurde im Gästeblock eine Blockfahne hochgezogen, zudem hielten die Sankt-Paulianer braune Papierstreifen in die Höhe. Ein hübscher Anblick, der dem beim letzten Auftritt im Berlin-Köpenick ähnelte. Auf der Waldseite zeigten die Union-Fans ein Banner mit der Aufschrift „… keiner kriegt uns klein. Was zählt ist der Verein“, dahinter zwei Hände die sich an Gitterstäbe klammern – eine Anspielung auf die Ereignisse in Köln, bei denen zahlreiche Union-Fans vor dem Spiel nach Auseinandersetzungen mit Kölnern und Ordnern verhaftet wurden. Entsprechend wurden auch Gesänge gegen Stadionverbote angestimmt. Die Stimmung war gut, jedoch bei weitem noch nicht am Limit. Auf Union-Seite scheint die neue Tribüne die Atmosphäre (auf der alten kleinen Tribüne machte manch ein Zuschauer phasenweite aktiv mit) noch ein wenig zu drücken, auf Gäste-Seite war die Mitmachquote nicht hoch genug. Im Laufe des Spieles wussten beide Seiten jedoch zuzulegen.

UnionZum Spiel: Union begann bestimmend und münzte seine Überlegenheit nach 20 Minuten auch um. Ein abgefangener Pass in die Spitze von Torsten Mattuschka landete sofort wieder vor seinen Füßen, der zweite Versuch kam zu Simon Terodde durch, der Philipp Tschauner im Tor der Hamburger gefühlvoll überlupfte. Der Rückstand war für St. Pauli ein Weckruf. Die Antwort hatten die Kiezkicker in der 37. Minute parat. Der früher bei Hertha BSC und Borussia Dortmund unter Vertrag stehende Florian Kringe konnte sich gleich gegen zwei Berliner durchsetzen und die verwaiste Tormitte passen, wo Marius Ebbers zum 1:1 vollstreckte. Es war übrigens sein 100. Treffer in der 2. Bundesliga! 

PauliBeste Stimmung nun im Gästeblock, die Mitmachquote stieg stetig. Wer im Vorfeld vermutet hatte, der Support würde – wie beim Gastspiel bei Hertha BSC – durch zahlreiche Exil-Sankt-Paulianer und „Mode-Fans“ mit Pauli-Schal verwässert werden, durfte aufatmen. Wenn gleich, wie ein älterer St. Paulianer am Bierstand erklärte, die Atmosphäre nicht vergleichbar mit der aus alten Tagen sei, so durfte durchaus von einem stimmungsvollen Block gesprochen werden, der sich grob in zwei Bereiche aufgeteilt hatte. Die eine Hälfte etwas jünger und ultrà-orientierter, die andere Hälfte eher mit typischem 90er-Jahre-Feeling. Aus genau jenem Bereich wurde immer wieder ein klassischer Schlachtruf angestimmt, während die jüngere Generation eher Wert auf Lieder legte.

PauliWährend sich die erste Halbzeit dem Ende zuneigte, dachte mancher Beobachter, beide Teams hätten sich mit dem Remis zur Pause abgefunden. Und er wurde überrascht! Dieses Mal setzte sich Union über die rechte Seite durch. Winter-Neuzugang Baris Özbek passte auf Torsten Mattuschka, der freistehend vor dem Tor nur ins Gehäuse traf – der Ball touchierte dabei noch die Unterkante der Latte. 2:1 für die Hausherren in der 42. Spielminute. Mit jenem Ergebnis ging es dann in die Kabinen zum Pausengespräch.

UnionIn Halbzeit zwei nagelten die Gäste die Berliner immer stärker in ihrer eigenen Hälfte fest, es gab kaum noch Entlastungsangriffe. Unions Trainer Uwe Neuhaus reagierte mit einem  Doppelwechsel pro Kondition (Zoundi für Özbek) und Lufthoheit (Stuff für Puncec), der St. Paulis verdienten Ausgleich per Weitschuss in der 76. Minute jedoch nicht verhindern konnte. Bereits zuvor hatten die Gäste das 2:2 mehrfach auf dem Fuß und ließen die braun-weißen Fans schier zur Verzweiflung bringen. Bierduschen und Jubelorgien dann, als Sebastian Schachten den Ball mit der Brust annahm und ins Tor hämmerte. Beste Stimmung jetzt unter den Pauli-Fans. Leidenschaft und Support, die an die „gute alte Zeit“ der 90er Jahre erinnern ließen. 

PauliDass nur wenig später Union Berlin mit einem Doppelschlag Adam Nemec (81. Minute) und Simon Terodde (83. Minute) für einen klaren 4:2-Heimsieg sorgten, nahmen die Gästefans nicht wirklich krumm. Mit einem kraftvollen und von einer Schalparade untermalten „You´ll never walk alone“ wurde der Fußballabend beendet. Der Einsatz ihrer Mannschaft hatte gestimmt, die Hausherren hatten einfach das Zeug dazu, eine starke Schlussviertelstunde zu starten. Kein Wunder, dass sich Union-Trainer Uwe Neuhaus auf der Pressekonferenz sehr zu frieden zeigte. Er habe ein gutes Heimspiel gesehen, und vor allem habe seine Mannschaft jetzt die Qualität, etwaige Rückschläge wegzustecken, nachzulegen und den Gegner zu Fehlern zu provozieren. Dank des Sieges kletterten die Eisernen in der Tabelle vorerst auf Rang fünf, der Abstand zum Relegationsplatz beträgt nur drei Punkte. Allerdings kann der 1. FC Kaiserslautern diesen mit einem Heimsieg gegen den FC Ingolstadt 04 auf sechs Punkte ausbauen. Der FC St. Pauli ist mit 32 Punkten weiterhin auf dem elften Platz zu finden.


Auf dem Rückweg ließen einige Fans noch Silvesterraketen im Forst steigen. Als der erste Schub Fans gemeinsam mit der S-Bahn gen Ostkreuz fuhr kam es in den vollbesetzten Waggons zu echten Lieder-Duellen zwischen St. Pauli- und Unionfans. Zum Teil gleichzeitig mit unterschiedlichem Text zur selben Melodie. Beim Aussteigen waren sich diese einig, das sei ja besser als im Stadion. Während diese besagten Fußballfreunde am Ostkreuz längst die Bahnen gewechselt hatten, sammelten sich an der eingangs erwähnten Tankstelle noch einige Anhänger des FC St. Pauli und von Partizan Minsk. Ein paar Bier zwischen den Zapfsäulen und auf der Wuhlebrücke. Später zog ein vornehmlich schwarz gekleideter Tross in Richtung S-Bahnhof Köpenick. Vereinzelte entgegenkommende Union-Fans staunten nicht schlecht, was für ein Trüppchen von der Polizei begleitet den Bürgersteig entlangmarschierte. 

KöpenickAuf dem Weg zum Bahnhof Köpenick blieb es komplett friedlich, erst in der dortigen Bahnhofshalle stieg der Adrenalinpegel rapide an. Wortgefechte mit Unionern, die in der dortigen Imbiss-Kneipe saßen. Fix kam es zu ersten Rangeleien, genauso fix war die behelmte Polizei massiv zur Stelle. Schiebereien und böse Blicke. In erster Reihe wieder junge Anhänger, die aus Weißrussland und teilweise auch aus Moskau angereist waren. Bei manch einem von denen huschte ein Lächeln über die Lippen. „Your german police is so funny!“, erklärte einer von ihnen. In Minsk wären sofort die Knüppel auf massive Art und Weise gesaust. 

PauliDass jedoch auch die deutsche Polizei Taten auf Worte folgen lassen kann, bewies sie später am Bahnhof Ostkreuz, wo die schwarz gekleidete Reisegruppe den Bahnsteig wechseln musste. Während es auf der S-Bahnfahrt ruhig blieb, kam es am hinteren Ende des Bahnsteiges zu einzelnen Festnahmen und Rangeleien. Auslöser waren wohl in der S-Bahn angebrachte Aufkleber, die teilweise auch an den Uniformen der Bundespolizei landeten. Nachdem sich am Ostkreuz wieder alles beruhigt hatte, reisten die Paulianer und Partizanen weiter gen Warschauer Straße, wo sich ein Großteil der Gruppe im dortigen Kiez verstreute. 

Die Mannschaft von Partizan Minsk (einst ein weißrussischer Erstligist, nun von den eigenen Fans in den Niederungen des Fußballs geführt) tritt an den folgenden Tagen zu Freundschafts- bzw. Soli-Spielen bei Tennis Borussia Berlin II, beim SV Babelsberg 03 II, bei Victoria Hamburg und beim FC St. Pauli IV an. Das Highlight soll indes das Dreier-Turnier in Leipzig werden, bei dem Partizan Minsk auf die BSG Chemie Leipzig II und auf Roter Stern Leipzig treffen wird.

Bericht in Zusammenarbeit mit Felix Natschinski

Fotos: Felix Natschinski, Marco Bertram

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