Eskisehirspor vs. Orduspor: Geniales Fußballambiente im Atatürk Stadion

JP Updated

EdizNachdem meine neun bisher auf türkischem Boden gesehenen Fußballspiele allesamt in Istanbul stattgefunden hatten, war es an der Zeit, zum ersten Mal die Stadtgrenzen zu verlassen. Zugegeben, die Spielplaner meinten es am letzten Wochenende gut mit mir. Drei Süper Lig-Spiele waren als Programmpunkte fest vermerkt: Das Derby Galatasaray gegen Besiktas, das Heimspiel von Istanbul BB gegen Bursaspor und das Spiel außerhalb Istanbuls, das als einziges noch halbwegs in erreichbarer Nähe stattfinden würde: Das Erstligaduell Eskisehirspor gegen Orduspor.

EdizNachdem meine neun bisher auf türkischem Boden gesehenen Fußballspiele allesamt in Istanbul stattgefunden hatten, war es an der Zeit, zum ersten Mal die Stadtgrenzen zu verlassen. Zugegeben, die Spielplaner meinten es am letzten Wochenende gut mit mir. Drei Süper Lig-Spiele waren als Programmpunkte fest vermerkt: Das Derby Galatasaray gegen Besiktas, das Heimspiel von Istanbul BB gegen Bursaspor und das Spiel außerhalb Istanbuls, das als einziges noch halbwegs in erreichbarer Nähe stattfinden würde: Das Erstligaduell Eskisehirspor gegen Orduspor.

Dabei dürfte keines dieser Spiele bereits am Freitag stattfinden, denn die Flüge zum Teheraner Derby waren bereits fest gebucht. Nachdem IBB am Samstagnachmittag gespielt hatte und das Istanbuler Derby am Sonntagabend stattfand, was mir sogar noch den vorherigen Besuch der Zweitligapartie Kartalspor gegen Manisaspor ermöglichte, sollte es am Montag zum Abschluss meiner Tour ins mittelanatolische Eskisehir gehen.

Es EsEskisehirspor gegen Orduspor, das klingt nicht gerade nach großer Fußballwelt. Die Gäste konnten in ihrer Vereinsgeschichte bis auf eine einzige Europapokalteilnahme, als man 1979 gegen Banik Ostrava nach einem 2:0 und einem 0:6 gleich in der ersten Runde ausschied, noch für keine nennenswerten Schlagzeilen sorgen. Mit Héctor Cúper auf der Trainerbank - der Coach führte den FC Valencia zweimal ins Champions League-Finale und trainierte außerdem beispielsweise Inter Mailand, Betis Sevilla und Aris Saloniki – brachten die Lila-Weißen aber wenigstens den Hauch der großen Fußballbühne mit nach Eskisehir. Der Gastgeber wiederum wurde 1971 türkischer Pokalsieger und konnte sich in den 70ern immerhin sechsmal für internationale Wettbewerbe qualifizieren. Nach 37 Jahren gab man 2012 sein Comeback in der Europa League. Dass man hierbei davon profitierte, nur aufgrund des Ausschlusses von Besiktas Istanbul aufs internationale Parkett zurückzukehren, wird den Fans von „Es Es“ auf ziemlich schnurz gewesen sein. Zudem verfügen die „Roten Blitze“ mit dem 59-fachen Nationalspieler Servet Cetin, dem einstigen Premier League-Profi Diomansy Kamara sowie dem Ex-Dortmunder Dede auch über einige prominente Spieler in ihren Reihen. 

Es EsHauptsächlich bekannt ist Eskisehirspor aber für seine fanatischen Fans. Nicht wenige türkische Fußballfreunde räumen ein, dass die Anhänger im Atatürk-Stadion die zweitlautesten des Landes – hinter Besiktas, aber noch vor Fenerbahce und Galatasaray – seien. Zudem herrschen hier auch raue Sitten, denn Eskisehir ist eine der wenigen türkischen Städte, in denen es die Anhänger des einheimischen Clubs nicht dulden, wenn die überall im Land verstreuten Sympathisanten der Istanbuler Großclubs eine Meisterschaft feiern. Ebenso wenig werden Fanshops anderer Vereine in der Stadt geduldet, was die nach Protesten und Randalen 2005 geschlossene Fenerium-Filiale beweist. Und zudem gibt es hier die wohl einmalige Geschichte, dass ein Fanblock durch eine Blaskapelle unterstützt, ja sogar von ihr getragen wird. Also wahrlich genug Gründe, mich auf den Weg in die 630.000-Einwohner-City zu machen.

Wie jede andere nennenswerte türkische Stadt auch, erreicht man Eskisehir von Istanbul aus per Bus. Das Ticket für eine einfache Fahrt ist für 35 Lira (etwa 13 Euro) zu haben. Die Reise dauert fünfeinhalb Stunden, von denen die ersten anderthalb aber auf diversen Istanbuler Busbahnhöfen verbracht werden. Und obwohl es an Bord der topmodernen Reisebusse nicht nur Unterhaltung durch Musik und Filme gibt, sondern auch ein kleines Angebot an Imbiss und Getränken, werden dreißig weitere Minuten bei einer Pause an einem Rastplatz verschwendet. An gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Lenkdauer kann es nicht liegen, denn gleich drei Angestellte des Busunternehmens sind mit von der Partie. 

EskisehirIn Eskisehir angekommen, nutze ich die bewusst reichlich eingeplante Zeit für eine ausgiebige Erkundung der Stadt. Nachdem ich mich vom Busbahnhof aus von der Tram etwa fünf Stationen bis ins Zentrum habe chauffieren lassen, bin ich für den Rest des Tages per pedes unterwegs. Sofort fällt auf, dass die Menschen hier deutlich traditioneller eingestellt sind als im anno 2013 sehr westlich orientierten Istanbul. Die Mehrheit der Frauen trägt Kopftuch, Englisch spricht fast niemand und als offensichtlicher Tourist wurde ich mehr als einmal verwundert angeschaut. Aber die Leute hier sind sehr herzlich. Und ihre Stadt ist wirklich schön.

LehmhausDas Zentrum wird geprägt vom sich durch den Ort windenden Fluss Porsuk sowie von zahlreichen Statuen, oftmals sogar aus Gold oder zumindest golden angestrichen. Definitiv sehenswert sind auch die Kursunlu-Moschee und ihr anliegender Park, mir am besten gefallen haben aber die Lehmhäuser im Stadtteil Odunpazari. Hunderte dieser Häuser bilden ein komplett eigenes Viertel, und fast alle sind in einem anderen Ton sehr farbenfroh angestrichen. Nachdem ich hier mehr als eine Stunde verweilte, ging es nach einem Zwischenstopp in einem Kebabhaus schließlich zum Spiel.

Atatürk StadionDas Stadion füllte sich zusehends, zum Spielbeginn um 19:00 Uhr sind es etwa 10.000 Zuschauer. Ganze 30 von ihnen kommen aus Ordu. Selbst angesichts des ungünstigen Montagstermins eine indiskutable Zahl, zumal die Entfernung von 800 Kilometern für türkische Verhältnisse noch human ist und Eskisehirspor von den Lila-Weißen als einer der Hauptrivalen angesehen wird. Ganze zwei Mal konnten sich die Gästefans akustisch bemerkbar machen, ansonsten dominierte die hohe Gegentribüne von „Es Es“, gefüllt mit etwa 6.000 fanatischen Fans, das Geschehen auf den Rängen. Nachdem die ersten Minuten wirklich ein Freudenfest waren, setzte sturzbachartiger Regen ein. Bei Außentemperaturen von null Grad drückte dies selbstverständlich kurzzeitig auf die Stimmung, aber wirklich kein Fan, und war er noch so durchnässt, verließ das Stadion. Im Gegenteil: Etwa zehn Minuten nach dem Beginn des Regengusses besann sich der Mob wieder auf die Unterstützung der Mannschaft und avancierte zur Hauptattraktion des Abends. Jene war nämlich nicht das Spiel, welches auf insgesamt schwachem Niveau stand. 

Es EsWährend die schnellen Männer aus Ordu in den ersten zehn Minuten drei gute Möglichkeiten hatten, bestimmte Eskisehirspor zwar anschließend die Begegnung, stellte sich aber beim Verwerten der herausgespielten Chancen wahrhaft dämlich an und verschoss sogar einen Elfmeter, so dass es mit 0:0 in die Pause ging. Nach einem wärmenden Tee wurde auch schon weiter gespielt, aber es änderte sich nichts. „Es Es“ war einfach zu unfähig, das Spiel zu entscheiden. Ein Dutzend Großchancen wurden in der zweiten Halbzeit vergeben. Die Zuschauer auf der Gegengerade aber peitschten ihr Team weiter unentwegt nach vorn. Und nicht nur das: Endlich trat auch die Blaskapelle „Bando Es Es“ in Erscheinung, die ich in der ersten Halbzeit nur am Rande dezent vernommen hatte. Zugegeben, als ich vorher hörte, dass ein kleines Orchester im Fanblock steht, war ich absolut skeptisch. Aber was hier abging, war einfach nur genial. Das hatte nichts mit den üblichen Spaßmusikern von der Freiwilligen Feuerwehr zu tun, die irgendwo zur Volksbelustigung in der Halbzeitpause spielen, weil als Gage nur ein Kasten Bier fällig ist. 

Es EsDas hier war echter Support. Die Kapelle steht mitten im Fanblock in einer strategisch günstigen Position und stimmt Lieder an, welche dann von der kompletten Gegengerade getragen werden. Ebenso steigt sie bei bereits gestarteten Songs unterstützend mit ein, und wenn die Stimmung mal etwas leiser wird, geben die Bläser erst recht Gas und animieren den Rest des Blockes, wieder voll in die Gesänge einzustimmen. Durch den mit Blechblasinstrumenten unterlegten Support empfand ich persönlich irgendwie orientalisches Flair, auf jeden Fall war das etwas Einmaliges. Allein schon deshalb hatte sich der Besuch hier gelohnt. Und auf dem Spielfeld? War Ordu weiter unterlegen, stand aber in der Abwehr nach wie vor sehr gut, während Eskisehir wirklich zu blöd war, das Tor zu treffen. Bis zur 87. Minute. Dann gab es den zweiten Elfmeter des Spiels, und dieser saß dann auch. Unter großem, vor allem aber erleichterten, Jubel, brachte der Gastgeber die Führung über die Zeit und sich selbst in der Tabelle auf Platz 6.

Und für mich? Ging es mit dem Bus um Mitternacht wieder nach Istanbul, wo ich gegen 06:00 Uhr im Hotel aufschlug, noch einige Stunden Schlaf fand und mich in den späten Vormittagsstunden von der netten Belegschaft und meiner Lieblingsstadt neben der Heimat verabschiedete. Keine 24 Stunden nach dem Abpfiff in Eskisehir fand eine der besten Groundhopping-Touren meines Lebens in Berlin-Lichtenberg schließlich ihr viel zu frühes Ende. Süper Lig, wir sehen uns bald wieder!

Titelbild: Ediz Bahtiyaroglu, türkischer Fußballspieler bosnischer Abstammung, der am 5. September 2012 in Eskişehir verstarb

Fotos: Jörg Pochert

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