FC Bayern vs. Frankfurt: Der Preis der Freiheit, Gedanken zur Gastfreundschaft

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Als ich 2004/05 einige Monate in den USA gearbeitet habe, bin ich mehrfach innerhalb der Staaten geflogen. Nach misstrauischem Blick in meinen deutschen Pass, auf meine (damals noch) langen Haare und meinen langen schwarzen Mantel, malte die erste Kontrolleurin noch vor der Sicherheitskontrolle ein großes rotes Kreuz auf mein Ticket. Mit dieser Kennzeichnung wurde ich in einen kleinen Nebenbereich gebeten. Dort tastete mich ein Bediensteter der Transportation Security Administration (TSA) ausführlich ab, nahm Proben von meinen Fingerkuppen, um diese auf Sprengstoff und Chemikalien zu testen, und schaute sich jedes Einzelteil meines Handgepäcks an.

Als ich 2004/05 einige Monate in den USA gearbeitet habe, bin ich mehrfach innerhalb der Staaten geflogen. Nach misstrauischem Blick in meinen deutschen Pass, auf meine (damals noch) langen Haare und meinen langen schwarzen Mantel, malte die erste Kontrolleurin noch vor der Sicherheitskontrolle ein großes rotes Kreuz auf mein Ticket. Mit dieser Kennzeichnung wurde ich in einen kleinen Nebenbereich gebeten. Dort tastete mich ein Bediensteter der Transportation Security Administration (TSA) ausführlich ab, nahm Proben von meinen Fingerkuppen, um diese auf Sprengstoff und Chemikalien zu testen, und schaute sich jedes Einzelteil meines Handgepäcks an.

Als ich gleich beim nächsten Flug erneut aussortiert wurde, fragte ich zart nach: Nein, das habe nichts mit meinem Pass oder Aussehen zu tun, sondern wäre eine rein zufällige statistische Auswahl. Und auch wenn ich nichts zu verbergen hatte, war mir mulmig, ich fühlte mich grundlos unter Generalverdacht gestellt.

München EinlassÄhnlich ging es vermutlich den Frankfurter Fans am letzten Samstag: Mehrere Gästefans wurden anscheinend in speziellen Zelten besonders gründlich durchsucht. Die Aussagen darüber, wie vieler Kleidungsstücke sie sich entledigen mussten, variieren je nach dem welche Seite man befragt. Fan- und Sicherheitsbeauftragte der Eintracht sowie „szenekundige Beamte“ aus Frankfurt lehnten die Aktion bereits im Vorfeld vehement als unnötige Provokation ab, Fananwälte kritisierten später einen starken Eingriff in die Grundrechte. Wie bei jeder dramatischen Berichterstattung (egal von welcher Seite), wunderte ich mich, was sich denn nun genau vor Ort abgespielt hat, und ob ein Besuch beim FC Bayern das denn überhaupt wert sein kann. Mitten in diese Überlegungen kam Ma Rius aus Berlin, der ausnahmsweise mal in der Allianz Arena war und das Geschehen beobachtet hat:

Erlebnis- und Spielbericht von Ma Rius aus Berlin

„Das riesige Luftkissen war schon von der Autobahn aus zu sehen und wirkte in der trostlosen Umgebung wie ein gestrandetes UFO. Ein Stadion im Nirdgendwo, ohne Kneipen oder Supermärkte in der Umgebung. Im Stadion selbst gab es nur Light-Bier, zu bezahlen mit der stadioneigenen Zahlkarte. Während am Catering-Stand noch Union Berlin gegen den VfR Aalen torlos vor sich hinflimmerte, lockten uns plötzlich ‚Fußballfans sind keine Verbrecher’ Rufe zum Gästeeingang.

Dort standen sie also wirklich, die zwei Zelte, in denen man sich ausziehen sollte – den gut 300 Frankfurter Ultras wurde diese Prozedur wohl angedroht. Am Ende mussten dann doch weniger Personen ins Zelt, aber der massive Eingriff in die Privatsphäre kann rechstaatlich gar nicht zulässig sein. Und es ergab im Gesamtkonzept überhaupt keinen Sinn: Ich bin zum Beispiel problemlos trotz Gästekarte durch den Eingang Südkurve gekommen, und am Gästeeingang selbst wurden die meisten ‚Kutten’ auch einfach durchgewunken. Gleich daneben strömten zudem die Bayernfans ins Stadion, zum Teil standen beide Fangruppen dicht an dicht.

Allianz Arena MünchenPassiert ist nichts. Nicht im Stadion, wo die bereits eingelassenen SGE-Fans zwar meckerten, jedoch auf das ‚Kommt alle raus’ von draußen nicht reagierten – die wenigen Versuche wurden von der Polizei sofort unterbunden. Und auch die Frankfurter, die das Spiel aus Protest vor dem Stadion verbrachten, blieben angesichts der immer stärker werdenden Polizeipräsenz (Pferde, Unterstützungskommando – das ganze Programm) gelassen. Diskussionen gab es nur, als einige ihre Notdurft mangels Toilettencontainern im Freien verrichteten, die Ordnungsmacht sah aber letztendlich ein, dass es keine Alternative gab.

Ach ja: Fußball wurde auch noch gespielt, es ging sogar flott hin und her, ein Unentschieden wäre am Ende nicht unverdient gewesen. Respekt für die Frankfurter Mannschaft: mit der guten, kämpferischen Leistung ist dieses Jahr bestimmt ein internationaler Platz drin. Die wenigen Frankfurter Stimmungsantreiber die es ins Stadion geschafft hatten, vermochten es sogar ein paar Mal, bekannte Frankfurt-Lieder massentauglich zu machen, was selbst ohne Ultras eine gute Lautstärke erzeugte. Ansonsten saß in der Arena zum Großteil ‚Eventpublikum’, abgesehen von den bayerischen ‚Schickeria’ Ultras, die genau das Gegenteil ihres Namens darstellen (nämlich nicht den ‚schicken’ 90-Minuten-Sitzfan) und sich bei mir durch konstanten Fahneneinsatz und ständige Bewegung ein wenig Respekt verschafften. Sie waren auch gut zu hören, konnten aber über ihren einsamen Stehplatzblock hinaus nur selten andere Fans zum Mitmachen animieren.

An der rot strahlenden Arena vorbei ging es danach zurück in die Heimat. Noch einmal muss ich dieses Schlauchboot nicht sehen. Da sind mir kleine, bescheidene Stadien lieber: mit Charakter, mit vielen Stehplätzen und ohne diskriminierende Einlasskontrollen.“

Quo vadis, DFB/DFL?

Gewalt im Fußball ist ein Zug auf den viele Medien, Liga und Verband aufgesprungen sind. Es wird eine Kultur der Angst geschürt, obwohl statistisch betrachtet deutlich mehr auf anderen Großveranstaltungen (z.B. Münchener Oktoberfest) passiert als in deutschen Stadien. Der FC Bayern sprach von einer erfolgreichen Aktion, die man wiederholen würde. Laut Pressemeldung wurden 20 Messer und weiteres Kriegsgerät sichergestellt. Auf kritische Nachfragen wurde die Aussage relativiert – dies sei die Ausbeute des gesamten Tages, und um das gesamte Stadion herum gewesen. Wie viel davon in den Zelten zum Vorschein kam, konnten weder Verein noch Polizei sagen.

Air ForceEine Kultur der Angst wird seit 2001 auch im internationalen Flugverkehr geschürt, mit bekannten Nebenwirkungen: Schuhe ausziehen, Körperscanner erdulden, Shampoo säuberlich eintüten und teures Flughafenwasser kaufen. In diesem Klima entwickelte sich die TSA zur am meisten gehassten Behörde in den USA und fiel immer wieder durch mangelndes Fingerspitzengefühl auf. Der traurige Höhepunkt ereignete sich im Destin-Fort Walton Beach Airport in Florida, als Beamte eine 95-jährige Frau mit Leukämie im Endstadium einer Leibesvisitation unterzogen und sie dabei zwangen, ihre Windel abzunehmen.

Möchten DFB, DFL und einzelne Vereine hier wirklich gleichziehen? Weit davon sind sie nicht entfernt: auch in anderen Stadien müssen selbst Auswärtsfans im Rentenalter schon mal ihre Schuhe ausziehen und ein paar Schritte auf leisen Socken durch Schnee und Regen waten. Und wenn es nach dem DFL-Papier geht, sollen solch verschärfte Kontrollen sowie drakonische Strafen bald Standard werden.

Eintracht bei UnionFür Fußballfans, die jedes Wochenende ihre Mannschaft unterstützen, lange Wege und arbeitsunfreundliche Anstoßzeiten auf sich nehmen, die sich aktiv für ihren Verein und sein Umfeld engagieren und kürzlich auch über einen durch den 1. FC Union Berlin initiierten Fankongress konstruktive Dialogangebote unterbreitet haben, ja für diese Fußballfans ist München ein Schlag ins Gesicht. Der Kongress, dem Fan-Vertreter von fast 50 Vereinen beiwohnten, forderte Liga und Verband auf, die Gewaltdebatte zu versachlichen, der DFB begrüßte hingegen die Aktion des FC Bayern.

In den letzten Jahren wurden mehrere Flugzeugattentate von aufmerksamen Mitreisenden verhindert – der weihnachtliche Unterhosenbomber von 2009 wurde einfach niedergerungen, als es plötzlich aus seinen Lenden qualmte. Fans und Vereinen kann man eine vergleichbare Selbstkontrolle zutrauen und sollte ihnen sowohl die Chance als auch die Unterstützung dafür geben, statt unnötig zu provozieren.

(Foto unten: Eintracht-Fans trotz Verbot bei Union Berlin)

Fotos: Ma Rius und Felix 

Erneuter Dank an Ma Rius für den Erlebnisbericht aus München

Auf www.GroundhoppingEtc.com und www.facebook.com/GroundhoppingEtc berichtet Felix über seine Stadionerlebnisse, u.a. in Berlin, London oder Prag.

 

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