Zeitreise: Benfica gegen Bayer 04 vor 80.000 Zuschauern

MB Updated

Als frisch gebackener DFB-Pokalsieger (1:0 gegen Hertha BSC Amateure) trat Bayer 04 Leverkusen in der Saison 1993/94 im Europapokal der Pokalsieger an. Gegner der ersten Runde war der tschechische Vertreter FC Boby Brno. 6.100 Zuschauer sahen im Hinspiel ein 2:0 im Ulrich-Haberland-Stadion, im Rückspiel ließ die Werkself ein 3:0 im Stadion na Srbské folgen. Auf dem Papier schwerer sah da schon die Aufgabe in der zweiten Runde aus: Panathinaikos Athen. 60.000 Zuschauer sorgten im Hinspiel im Spiros Louis für eine grandiose Stimmung, doch Bayer 04 bewahrte einen kühlen Kopf.

Eintrittskarte Benfica Lissabon - Bayer 04 LeverkusenAls frisch gebackener DFB-Pokalsieger (1:0 gegen Hertha BSC Amateure) trat Bayer 04 Leverkusen in der Saison 1993/94 im Europapokal der Pokalsieger an. Gegner der ersten Runde war der tschechische Vertreter FC Boby Brno. 6.100 Zuschauer sahen im Hinspiel ein 2:0 im Ulrich-Haberland-Stadion, im Rückspiel ließ die Werkself ein 3:0 im Stadion na Srbské folgen. Auf dem Papier schwerer sah da schon die Aufgabe in der zweiten Runde aus: Panathinaikos Athen. 60.000 Zuschauer sorgten im Hinspiel im Spiros Louis für eine grandiose Stimmung, doch Bayer 04 bewahrte einen kühlen Kopf.


Graffiti in Athen / Gate 13 der PAO-FansPaulo Sergio erzielte in der 42. Spielminute den 1:0-Führungstreffer für die Gäste aus dem Rheinland. Als nur zwei Minuten darauf Panathinaikos der Ausgleich gelang, versagte die Tontechnik der TV-Übertragung. Krzysztof Ireneusz Warzycha knallte den Ball in die Maschen und die PAO-Fans standen Kopf. Welch ein Aufschrei, welch ein Jubel! Die Fernsehlautsprecher gaben fast ihren Dienst auf, nur mit Mühe konnten die Techniker vor Ort die Sache herunter pegeln. Man hätte meinen können, die Griechen würden nun in der Hölle von Athen Nägel mit Köpfen machen, doch weitere Tore erzielten die Leverkusener. Andreas Thom, Ulf Kirsten und Pavel Hapal sorgten für ein sicheres 4:1-Polster für das Rückspiel.

Mit halber Kraft ging die Werkself am 02. November 1993 ins Rückspiel. Dimitris Saravakos traf bereits in der sechsten Minute per Elfmeter. Die mitgereisten PAO-Fans zündelten mächtig auf den Sitzplatztribünen und witterten Morgenluft. Als Yorgos Haralambous Yoryadis in der 66. Minute noch ein Tor nachlegte, drohte die Sache zu kippen. Sieben Minute vor Schluss war jedoch Ulf Kirsten zur Stelle und brachte mit seinem Anschlusstreffer wieder Ruhe ins Spiel.

Nach der Winterpause wurde im März 1994 das Viertelfinale ausgetragen. Als Gegner wurde der Werkself der portugiesische Traditionsverein Benfica Lissabon zugelost. Am 1. März stand zuerst das Auswärtsspiel auf dem Programm. Ein Blick auf den Urlaubsplan, ein Blick in die Geldbörse - die Fahrt nach Portugal war gebongt. Zu zweit machten wir uns mit dem Interrail-Ticket auf den Weg gen Süden. Von Köln aus über Paris und Bordeaux hinunter in die portugiesische Hauptstadt. Ein mächtiger Ritt, allerdings die Sache wert. Im Morgengrauen begrüßte uns Lissabon mit mildem Frühlingswetter.

Tickets wurden bereits im Vorfeld organisiert. Stolze 5.000 Escudos mussten für ein Gästeticket im Sector 36 berappt werden. Das waren umgerechnet 50 Deutsche Mark, für damalige Verhältnisse ein unglaublich hoher Preis! Es wurden gemunkelt, dass das Estádio do Sport Lisboa e Benfica mächtig voll werden würde. Man mochte es nicht recht glauben, war die große Betonschüssel bei Europapokal-Begegnungen eher dürftig gefüllt. Als am späten Nachmittag immer mehr rot-weiß gekleidete Fans in Richtung Stadion strömten, spürte man: Es lag in der Tat etwas in der Luft!

Estádio do Sport Lisboa e BenficaDer Grund: Am 28. Februar 1904 wurde Sport Lisboa e Benfica ins Leben gerufen. Ein Tag nach dem 90. Geburtstag des nach Mitgliederzahlen (rund 200.000) größten Sportvereins der Welt fand das Viertelfinale gegen Bayer 04 statt. Apropos: Der Turn- und Spielverein 1904 der Farbenfabrik vormals Friedrich Bayer & Co. Leverkusen wurde am 1. Juli des besagten Jahres gegründet.
Das Duell der 90-jährigen. Rund 80.000 Zuschauer strömten am Abend in das weite Rund und füllten die Ränge des unüberdachten Stadions. Wir waren bereits rund zwei Stunden vor Anpfiff vor Ort und inspizierten den Gästekäfig, der mit kleinen Steinen, scharfkantigen Betonbrocken und Nägeln übersät war. Im Ligaalltag schien es dort gut zur Sache zu gehen. Ein paar Fotos bevor es dunkel wurde - und dann eintauchen in einen Abend voller Pathos. Vor Anpfiff wurde ein Adler auf das Spielfeld getragen. Unter tosendem Jubel drehte der Greifvogel weite Runden über die Köpfe der Fans und kehrt schließlich zu seinem Herren zurück.

Das Geschehen auf dem Spielfeld ließ dagegen einiges vermissen. Erst in der 66. Minute fiel der erste Treffer des Abends. Markus Happe brachte Bayer 04 in Führung. Lupescu, Wörns, Thom, Sergio & Co spielten geschickt und ließen wenig anbrennen. Ich wünschte mir noch ein Tor - und zwar eines der Portugiesen. Einmal, ja einmal wollte ich 80.000 Menschen jubeln sehen. Und siehe da: Sekunden bevor der italienische Referee Pierluigi Pairetto die Partie abpfiff, gelang Benfica noch der Ausgleich zum 1:1. Isaias Soares brachte die Massen zum Jubeln. Andächtig, gerührt und mit glasigen Augen schaute ich ins weite Rund. Das roch nach Fußballgeschichte. Phantastisch.

Ulrich-Habereland-StadionFußballgeschichte wurde im Rückspiel auch auf dem Rasen geschrieben. 21.000 Zuschauer wurden am Abend des 15. März Zeuge von einem Spiel, dass in die Annalen einging. Nach 58 Minuten führte die Werkself Dank der Tore von Ulf Kirsten und Bernd Schuster bereits mit 2:0. Nur eine Minute nach Schusters Treffer gelang Luis da Costa Silva Xavier der Anschlusstreffer. Wiederum nur eine Minute darauf legte Pinto nach. 2:2. Benfica spielte sich warm. In der 78. Minute sorgte Vasily Kulkov gar für den Führungstreffer zum 3:2 aus Sicht der Portugiesen. Fassungslosigkeit bei den Bayer-Fans. Zwei Minuten später brachte Ulf Kirsten mit seinem Tor zum 3:3 die Leverkusener wieder zurück ins Spiel. Als Pavel Hapal in der 82. Minute das 4:3 schoss, stand das Haberland-Stadion Kopf.

Ein irres Wechselbad der Gefühle. Und noch war nicht Schluss. Das glückliche Ende hatten die Gäste, denn in der 85. Minute erzielte Vasily Kulkov das 4:4. Noch einmal warf Bayer alles nach vorne, doch dieses Mal brachte Benfica den Spielstand über die Zeit. Aus und vorbei. Benfica zog Dank der Auswärtstorregel in das Pokalhalbfinale ein. Dort wurde den Portugiesen die Auswärtstorregel zum Verhängnis. Nach 2:1 und 0:1 gegen den AC Parma war auch für die stolzen Portugiesen Schluss...
Fotos:
Graffiti der PAO-Ultras in Athen
Estádio do Sport Lisboa e Benfica vor der Partie gegen Bayer 04
Ulrich-Haberland-Stadion (Archivfotos Anfang der 90er)

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