Sparta Oborniki vs. USAR Kwidzyn – Wo Zagłębie kassierte und es nur abseits des Platzes raucht und qualmt

Sparta Oborniki vs. USAR Kwidzyn – Wo Zagłębie kassierte und es nur abseits des Platzes raucht und qualmt

 
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Passend läuft gerade nebenbei das Finale der Handball-WM. Aufgrund eines zu häufigen Kontakts mit diesem Sport während meiner gesamten Schulzeit, habe ich bis heute im Prinzip ein geringes Bedürfnis, mir diese Sportart zu geben. Hier in Polen bin ich diesem Sport allerdings nicht ganz so abgeneigt, nur vergesse ich zu oft, in jenen Spielplänen zu wühlen. 

Im Frühjahr, Sommer und Herbst gibt es zudem viel zu viele andere Alternativen. Ebenso ist Wielkopolskie keine Handball-Hochburg. In den höheren Ligen ist Poznań gar nicht vertreten. Das kann an dieser Stelle unterstrichen werden. In der zweiten Liga, die wie so oft als erste Liga bezeichnet wird, spielt Sparta Oborniki mit. Das ist eine gar nicht so kleine Trabanten-Stadt nördlich von Poznań mit gut 18.000 Einwohnern. Ohne ein echtes Derby ziehen sie durch die Liga, die bis Olsztyn und Iława reicht. 

 

Gwardia Koszalin und Energetyk Gryfino mischen hier als etwas bekanntere Vertreter auch mit. Mal so nebenbei: In den Zeiten, als Gwardia noch einen starken Fanblock hatte, da gingen die auch zum Handball. 2008 erwischte ich dort mal ein Spiel. Die marode Halle blieb fast leer, nur der Fanblock war kompakt mit windschnittigen Frisuren tragenden Jugendlichen gefüllt. Jene verbreiteten dann auch eine echte Fußballstimmung. Für mich war das damals ein absolutes Novum, als dort nicht sinnlos „bum bum bum“ auf eine Reihe Trommeln gehauen wurde.

 

Als mir die Ansetzung von Sparta Oborniki unter die Augen kam, prüfte ich - was man vielleicht doch nicht machen sollte, um die Erwartungen nicht zu hoch anzusetzen - die Vereinsseite auf Fotos möglicher Fan-Aktivitäten. „Ultras Sparta“ und ein Totenkopf dazu ließen das Herz höher schlagen. Wenigstens die Zugzeiten notierte ich mir auf einem Zettel, um etwas zu den Wurzeln dieser Freizeitbeschäftigung (oder auch Lebens-Stil) zurück zu kommen, ohne große Recherche und ständiges Glotzen auf das Kommunikationsgerät. Das Handy blieb vor 15 Jahren eigentlich permanent in der Tasche, Ansetzungen und Zugzeiten standen auf einem Zettel und die Uhr am Arm verriet einem die Zeit. Damit reiste man glücklich durch den Ostblock.

 

Zwei Stunden vor Anwurf in der Stadt und nach dem Spiel mehr als genügend Puffer waren gute Rahmenbedingungen für einen kleinen Handball-Ausflug. Die paar Sehenswürdigkeiten lief ich ab und wunderte mich, warum man hier aus dem alten Flügel des Franziskaner-Klosters nichts macht. Das Bauwerk, obwohl es so alt ist, steht nicht mal auf der Liste der offiziellen Sehenswürdigkeiten. Sogar etwas Platz für Parkplätze gäbe es, sodass man hier locker eine Klosterschänke mit Blick auf die Warta einrichten könnte. So wirkt das Szenario mit der Ruine am Fluss ziemlich uneinladend und abstoßend. Ok, es ist nicht meine Stadt.

 

In kurzer Zeit trugen mich die Füße zur Halle. Es ist fast genau drei Jahre her, da wurde diese Sportanlage in ganz Polen bekannt. Unter Teilnahme von lokalen Lech-Fanclubs wurde ein Benefiz-Hallenfußballturnier veranstaltet. Plötzlich tauchte ein entschlossener Trupp von Zagłębie Sosnowiec (mit Verstärkung aus Warschau) auf, um die Fahne des Fanclubs Szamotuły zu erbeuten. Noch entschlossener setzte sich aber Lech zur Wehr und verteidigte nicht nur das Banner, sondern verpasste den Angreifern noch einige Hiebe und nahm ihnen noch Fanutensilien ab.

 

Der heutige Gegner kam aus Kwidzyn und heißt Usar, was Husar bedeutet. Die Geschichte mit den mit Federn ausgestatteten Kriegern sollte eigentlich bekannt sein. Die Spieler tragen selbstverständlich ein solches Motiv ebenso auf der Spielkleidung. Des Weiteren ziert die polnische Version von „„Geht nicht“ gibt’s nicht!“ das Hemd. Auch ohne vorherige Recherche hätte ich dafür unterschreiben können, dass kein stimmgewaltiger Gästeanhang anreisen würde. Dafür schallte beim Eintreffen in der schönen alten kommunistischen Halle moderner westlicher Hip-Hop. Sehr viele Pluspunkte sammelte Sparta mit dem Aufstellen eines Fan-Standes, an welchem auch Essen und Getränke angeboten wurden. 

 

Während ich mir noch so überlegte, ob ich das weiße oder das blaue Hemd nehmen werde, dudelte der Hip-Hop weiter und eine Sirene untermalte das Lied. „Gehört das dazu oder ist das wirklich ernst?“, dachte nicht nur ich. Der neumodische Kram ist ja für jede Abartigkeit offen. Doch dann rief irgendwer nach ca. zwei verstrichenen Minuten: „Das ist ein Alarm!“ Der Hallensprecher rief zur Evakuierung auf und die Dame vom Fanstand schnappte noch schnell die Kasse. Es dauerte keine zehn Minuten, bis zwei Feuerwehren eintrafen. Als dann festgestellt wurde, dass irgendwer auf den Alarmknopf drückte, durfte jeder wieder zurück und konnte dort weitermachen, wo er gestört wurde. Es geht hier völlig in Ordnung, dass zum Glück wirklich nichts passierte. Mit einer Verspätung von 25 Minuten konnte das sportliche Highlight dann beginnen. 

 

Kwidzyn war der klare Favorit und wurde dieser Rolle auch schnell gerecht. Mit acht Toren Vorsprung und einem Ergebnis von 25:33 jubelten die Spieler aus der Stadt mit der Ordens-Burg. Nie wurde es ernsthaft gefährlich und somit spannend. Leider. Das wirkte sich natürlich auch auf die Stimmung aus. Potenzial war vorhanden. Anstatt Gesängen tröteten nur drei Trompeten unentwegt. Genau das will ich ja nicht. Mit nur gut 100 Zuschauern lag die Kulisse auch etwas unter den Erwartungen. Die Ultras-Fahne hing natürlich auch nicht. Aber mir egal! Ich war mit meinen Mitbringseln zufrieden. 

Eine ordentliche Pyro-Show gab es noch nach dem Spiel. Aus einem Schornstein qualmte schmutzig-gelber Rauch. Wenn mich meine Nase nicht täuschte, dann war das mit Chemie bearbeitetes Holz. Nach etwas Gammelei und Lungern tauchte auch endlich meine aus Kołobrzeg kommende Bimmelbahn am Horizont auf, welche mich alsbald ohne irgendwelche besondere Vorkommnisse in Poznań absetzte.

Fotos: Michael

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