Gedächtnislücken und verkehrte Welt in Gnizno – MKK Gniezno gegen Boruta Zgierz

Gedächtnislücken und verkehrte Welt in Gniezno – MKK Gniezno gegen Boruta Zgierz

 
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Viele, viele Jahre ist es her, da versuchte uns der Professor im Seminar für die Entstehungsgeschichte Polens zu begeistern, was allerdings nur mäßig gelang. Der beste Beweis dafür ist mein alleiniges Konzentrieren auf ein Spiel von Mieszko Gniezno vor gut 10 Jahren gewesen, obwohl die Kathedrale von Gniezno nur wenige Gehminuten vom Stadion entfernt liegt. 

Nun, wo Gniezno noch viel dichter vor meiner Haustür liegt und der Winter eh schon traditionell als Grund genommen wird, im Dezember keine Rasenspiele mehr auszutragen, da rückte die erste Hauptstadt Polens mal wieder in mein Interessengebiet. Noch mehr Begeisterung galt dem rollenden Ball sowie die Tatsache, dass es in Gniezno mindestens drei aktive Fanszenen gibt. Da wird mir mit Sicherheit auch die ein oder andere Wandmalerei über den Weg laufen. Da die Zwei-Mann-Reisegruppe eine deutsch-belgische Allianz war, drängte sich auch die Frage auf, ob die belgische Sauce des Orlen-Hotdogs bei meinem belgischen Gefährten heimatliche Erinnerungen weckt. Dazu musste aber erstmal eine Orlen-Tanke gefunden werden. Volles Programm also für ca. 12 Stunden.

Die Anreise per PKP verging wie im Fluge. Gniezno empfang mich, wie ich es mich vor vielen Jahren verabschiedete – Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal auf die Info-Tafeln mit den schwarzen Klappblättchen treffen würde. Da hatte die erste Hauptstadt Polens schon Pluspunkte gesammelt. Markante Gebäude gibt es auf dem Weg zum Fußball-Stadion eigentlich nicht, aber ich war schon ziemlich geschockt, dass hinsichtlich des Wegs zum Stadion bei mir rein gar nichts im Gedächtnis hängen geblieben war. Der Gästekäfig in Mieszkos Stadion wechselte jedenfalls die Seite, das sah ich am Stadion angekommen anschließend sogleich.

Tagesordnungspunkt II sollte nun auch bei mir Erinnerungen an die Heimat wecken. Vor einer externen Fakultät der Uni Poznań steht doch wirklich ein Segment der Berliner Mauer! Wer Lust auf ein Philologie-Studium an einem historisch sehr bedeutenden Ort hat, kann sich hier einschreiben. Durch den Studenten-Status kann man dann im Imbiss um die Ecke bzw. an der Kathedrale für unschlagbare 11 zl Kebab zum Rabatt-Preis ordern. Auch 17 zl (Vollzahler) waren für den Apparat noch ein äußerst fairer Preis. 

Wenn wir dann schon bei den Preisen sind: Die Dame an der Kasse will für den Zutritt zum Museum zur Entstehungsgeschichte Polens 15 zl. Die Frage nach der Studentenermäßigung fasse ich mal als Kompliment auf. Über zwei Stunden Besichtigung vermeldete die Uhr am Ende. Nicht nur Mittelalter-Fans kommen hier auf ihre Kosten. Sehr lohnenswert! Also ganz anders als damals. Mal eine kleine Geschichte am Rande mit den Hashtags #Uni, #Exkursion und #Wikinger-Museum. 

Selbst ich war damals in sehr kurzer Zeit mit der Ausstellung durch, während mein Mitstudent, der mit mir das Gebäude betrat, schon vor dem Museum mit einem Eis in der Hand wartete. „Woher hastn dit Eis?“ Der Laden war sogar noch gute 200 m entfernt und der Student übergewichtig. Es bleibt bis jetzt für mich ein Phänomen, wie man so schnell durch ein Museum gehen kann. Also mindestens zwei Stunden sollte man hier in Gniezno einplanen, wenn man wirklich an der Materie Interesse hat.

Der nächste Tagesordnungspunkt war jedenfalls abgehakt. Entlang des Sees und rauf zum Hügel, auf welchem die Kathedrale steht. Die Geschichte kann sich jeder selbst mühelos abrufen. Ich bin hier nur für das Ergänzen der Fakten zuständig, die Wikipedia nicht weiß. Wenn man den Sarkophag mit den letzten Überresten des heiligen Adalbert (die Knochen wurden nicht nur gestohlen, sondern auch überallhin verteilt), der auf Polnisch Wojciech heißt, sehen möchte, der wirft 2 zl in den Automaten und schon wird der silberne Kasten angestrahlt. 

Die Kathedrale ist übrigens augenscheinlich nicht ganz so prunkvoll gestaltet worden, wie man es von anderen religiösen Stätten in Polen kennt. Die Polen mögen mich jetzt steinigen, aber die Atmosphäre ist irgendwie etwas gespenstisch. Ohne Licht ist es logischerweise dunkel, an den Seiten gibt es überall interessante alte Grabplatten. Und dazu der zentral aufgebaute Sarkophag, der dann angeleuchtet wird, lässt die Stimmung in diese Richtung tendieren. Ein Besuch dort bekommt eine absolute Empfehlung meinerseits.

Auf dem Weg zur ersten Sportstätte des heutigen Tages nahmen wir hier noch weitere Attraktionen mit, deren Beschreibungen jetzt aber den Rahmen sprengen würden. Gniezno ist nicht nur historisch von besonderer Bedeutung, sondern ist in vielen Sportarten präsent. Wo Sport angeboten wird, gibt es in der Regel Zuschauer und unter den Zuschauern auch oftmals Leute, die Feuer und Flamme für ihren jeweiligen Verein sind. Über allen steht aber dennoch Lech Poznań. In der Gegend, in der sich der Sportkomplex befindet, wurden einige Graffiti gesichtet. 

Die Nummer 2 der Stadt ist die Anhängerschaft des Speedway-Vereins Start Gniezno, welche sich aber im nördlichen Teil der Stadt scheinbar nirgends verewigt hat – an keiner Wand, an keinem Laternenmast. Eine kleine Szene hat noch Mieszko Gniezno. Zum Damen-Handball zieht es auch einige Leute, aber wahrscheinlich nur so lange, wie dort der Rubel bzw. Złoty rollt. Ziemlich überrascht war ich von einer blau-grünen Verewigung an einer Laterne. Diese galt Stella Gniezno. Stella spielte vor dem Krieg auch Fußball. Aktuell stellen sie in der ersten Tischtennis-Damen-Liga sowie der höchsten Liga im Hockey eine Mannschaft. Die Sache behalte ich mal im Auge. Ich vermute, hier geht es um Hockey, denn die Damen spielen, für Außenstehende nicht zu begreifen, in einem Ort südöstlich von Gniezno. Die Anreise mit dem ÖPNV ist relativ schwer zu bewerkstelligen.

Mal sehen, was uns Gniezno Basketball bietet! 10 zl mussten zunächst für eine schmucke Eintrittskarte abgedrückt werden. „Ohhh! Ein Stand ist aufgebaut! Was gibt es? Vielleicht Wurst oder Fanartikel, ein schönes Shirt für die Sammlung?“ Obwohl Gniezno ein höchstreligiöser Ort ist, konnte man hier vom Glauben abfallen. Man hat ja schon viel gesehen und erlebt, aber es bleibt für Außenstehende mal wieder völlig unklar, warum bei einer Sportveranstaltung Weihnachtsdekoration angeboten wird. Ziemlich häufig gibt es wenigstens Automaten. 

Auch Rote-Rüben-Suppe wie bei meinem letzten Basketballspiel in Polen hätte ich mir geholt. Aber es gab rein gar nichts hier außer Kerzenhalter, Gesteck und ähnliche Sachen. Ähnlich mau sah es auf der Tribüne aus. So wollten sich kaum mehr als ungefähr 50 Zuschauer sich in Liga II das Spiel gegen Boruta Zgierz ansehen. Kenner der polnischen Fanwelt schnalzen beim Hören des Namens mit der Zunge. Boruta ist im Fußball eng mit Widzew Łódź verbunden. Im Basketball herrschen aber andere Regeln. Hier zog der Name nicht. Da kann nur das Spiel selbst noch helfen, um der Veranstaltung keine Note 6 verpassen zu müssen. 

Bis zum 4. Viertel blieb es ohne Ausnahme komplett ruhig, obwohl das Spiel ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen war. Gegen Ende wurde es dann ruppiger und schon trauten sich die Ersten, laut zu werden. „Defence, Defence!“ Ein kleiner Schlachtruf dazu, das Spiel auf Messers Schneide – So war es schon wesentlich unterhaltsamer. MKK Gniezno unterlag nur knapp 71:74, der Schuldige war mit dem Schiedsrichterteam schnell gefunden. Die vier Ordner bildeten ein Spalier und so konnte das Duo sicher zu den Kabinen geleitet werden, während ein Rentner voll abdrehte und wüste Beleidigungen absonderte.

 

Weniger als 15 Minuten blieben noch, um zur nächsten Halle zu gelangen. Am 3. Spieltag  der Winterliga empfing Start Gniezno den 26-maligen Meister auf dem Grün und 19-maligen Meister auf dem Parkett WKS Grunwald Poznań. Das Spiel wurde mit schnellen drei Toren für WKS eingeleitet, weshalb schnell die Luft aus der Veranstaltung war. Leider. Am Ende stand es 3 – 14. Stimmung somit leider auch Fehlanzeige. 

Der Knaller war die Halle. Es bleibt mal wieder völlig unklar, wie ein Architekt auf solche Ideen kommt und noch unklarer ist dann noch die Sache, wie eine solche Tribünenkonstruktion überhaupt genehmigt werden konnte. Man hat hier drei Reihen Klappsitze. Wenig, aber für die meisten Veranstaltungen ausreichend. Klappt man aber in der untersten Reihe den Sitz auf, dann ist der nächste Zuschauer gezwungen, ein Schritt in das Spielfeld zu machen! So verteilten sich die 150 Zuschauer auf den oberen zwei Reihen. Mehr gibt es über diese Veranstaltung leider nicht zu berichten. Durch die Kälte ging es zurück zum Bahnhof und nach einer Stunde Warterei dann auch zurück Richtung Poznań.

Fotos: Michael

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