Hansa Simmerath olé! Als beim Eifel-OL 1992 die Orientierung behalten wurde

Hansa Simmerath olé! Als beim Eifel-OL 1992 die Orientierung behalten wurde

 
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7. Juni 1992. Hansa rief! Auf nach Venwegen! Auf mich wartete ein internationaler Wettkampf - und ich durfte als Nachrücker antreten. In das Vereinsfeld der Teilnehmerkarte wurde stolz das „LG Bayer 04 Leverkusen“ eingetragen. Keine Frage, ich war stolz wie Bolle. Ich wollte damals als 18-/19-Jähriger nix unversucht lassen. Überholen ohne einzuholen. So oder so ähnlich lautete mein damaliges Motto. „Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien!“, gab einst Lothar Matthäus zum Besten. Fußball, Basketball, Leichtathletik oder Orientierungslauf - Hauptsache schnellstmöglich international dabei sein. So sah ich das Ganze, als ich als gebürtiger Ost-Berliner Anfang der 1990er Jahre in Leverkusen meine Ausbildung als Energieelektroniker fortsetzte.

Gehärtet durch zahlreiche Cross- und BZA-Läufe in der DDR wollte ich nun im Herbst 1991 im Rheinland in die Vollen gehen. Meine Waden waren extrem drahtig (sind sie immer noch *Zwinkersmilie*) - mein Wille war grenzenlos. Wenn man schon mal in der berühmten Sportmetropole Leverkusen ist, kann man doch mal gleich versuchen einen Quereinstieg zu wagen. Quer rein beim Basketball als 18-Jähriger? Warum denn nicht? Also hin zu den „Riesen vom Rhein“. Dort lächelte man nur müde und schickte mich gleich mal weiter zu Fast-Break Leverkusen, wo ich bei der B-Jugend beim Training meine Leistung präsentieren durfte. In den fix für 100 Deutsche Mark bei Kaufhof erworbenen Basketball-Tretern mit den drei Streifen war ich auf dem Parkett beim Warmmachen glatt der Schnellste. Danach mündete alles in einem reinsten Desaster. Ich verstand nicht mal die Laufwege bei den Übungen und in den Korb traf ich eh meist nie. Versuch es mal mit Leichtathletik, war der auf den Weg gegebene Ratschlag.

Nachdem es bei einem teilgenommenen Fußballturnier der IG Chemie irgendwo in Marl auf Asche auch nicht gerade so Bombe lief, erkannte ich, dass ich zurück zu meinen Wurzeln müsste. Laufen, laufen, laufen. Also nichts wie hin zur Sportanlage der LG Bayer 04 Leverkusen, wo auch Heike Henkel, Dieter Baumann und Paul Meier (Zehnkampf) trainierten. Letztgenannter war zu jener Zeit mein großes Idol, und es kam sogar der Tag, an dem wir kurz, ganz kurz miteinander sprechen konnten. Beim Probetraining bei der LG Bayer 04 bekam ich zwar in der zweiten Runde des 800-Meter-Testlaufs einen (halb gespielten) Wadenkrampf, doch war meine 400-Meter-Durchgangszeit dermaßen gut, dass ich prompt in die Leistungsgruppe gesteckt wurde.

Fortan hieß es mehrmals in der Woche: Als Warm-up eine 5-Kilometer-Runde durch Leverkusen-Schlebusch und im Anschluss eine Menge „Boxerrunden“ auf der vereinseigenen Sportanlage. Wer immer mit dabei war, dürfte mit im Team zu den Deutschen Meisterschaften nach München fahren. Gemeinschaft war alles. Das kannte ich ja recht gut aus den 80ern in Ost-Berlin, als es immer wieder zu den Läufen zum Rosenhag und in den Schloßpark Biesdorf ging. 

Genau in jener Zeit wurde mir von einem Kumpel aus der Ausbildungsklasse ein Vorschlag gemacht. Ich sei gut zu Fuß? Ich liebe die freie Natur? Ich könne gut Karten lesen? Ich könnte es doch mal mit einem Orientierungslauf probieren! Nach einem Probelauf irgendwo bei Odenthal war die Sache gebongt. Der Verein Hansa-Gemeinschaft 1921 Simmerath veranstaltete im Juni 1992 in den Bergen bei Venwegen den Internationalen Eifel-Orientierungslauf 1992. Am zweiten Tag durfte ich als Nachrücker starten. Sport frei! Startgeld gezahlt, Teilnahmekarte ausgefüllt und die längliche Landkarte im Maßstab 1:15000 entgegengenommen. Es handelte sich um eine Computerzeichnung, die mit OCAD angefertigt wurde. Und schau mal an, auch in der Gegenwart bietet OCAD noch leistungsstarke Software für Kartographie und Orientierungsläufe an. Nee, das soll hier keine Schleichwerbung werden. Ich war jetzt einfach mal nur neugierig.

Starten durfte ich am 7. Juni 1992 um exakt 09:07 am Sammelpunkt bei der Ortschaft Venwegen. In nördlicher Richtung ging es quer durch die Wildbahn. Schnellstmöglich mussten sämtliche Kontrollpunkte mit Hilfe von Karte und Kompass aufgesucht werden. Die Wahl der Route war einem völlig selbst überlassen. Erfahrung und Taktikgefühl kamen einem selbstverständlich zu Gute. 15 Kontrollpunkte mussten gefunden werden. Entweder wurde mit einer Zange auf der Pappkarte das entsprechende Feld abgeknipst oder es wurde eine dort angebrachte zweistellige Zahl notiert. Logisch, dass jeder Teilnehmer zeitversetzt startete, somit eilte man allein durch Wald und Flur. Welchen Platz ich belegte? Ich weiß es wirklich nicht mehr. Für eine Medaille hatte es definitiv nicht gereicht. Dafür waren einfach zu viele OL-Füchse auf Achse. 

Spaß gemacht hatte es in jedem Fall, und beim nächsten Lauftraining bei Bayer 04 wurde ich gefragt, weshalb meine Beine so zerkratzt waren. Hansa war schuld. Hansa Simmerath. Kiek mal einer an, wie sich die Kreise schließen. Hansa! Und wie meine Läufer-Karriere weiterging? Das Training wurde aufgestockt, plötzlich sollte ich vier bis fünf Tage in der Woche bei der LG antanzen. Ich begann zu Grübeln. Kumpels, Bier und Fußball! Ich kam gerade auf den Geschmack. Als ich im Sommer 1992 mit der Jungen Gemeinde nach Irland reiste und dort statt ein paar Runden zu laufen lieber ein paar Runden Guinness die Kehle runterlaufen ließ, traute ich mich nach den Ferien nicht mehr zur Leistungsgruppe. Ich ließ das Training platzen - und verschenkte die Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften 1993 im Duisburger Wedaustadion. Nicht, dass ich in der ersten Garde mitgelaufen wäre, aber ich hätte im Team dabei sein können.

Eeeegal. Der Fußball bestimmte fortan meine Wochenenden. Mit der Büchse in der Hand ging es quer durch NRW und ganz Deutschland und ganz Europa. Sportlich aktiv blieb ich trotzdem. 2003 wurde gemeinsam mit Karsten die ehemalige deutsch-deutsche Grenze (über 1.000 Kilometer) abgewandert, in jüngerer Vergangenheit bildete der Halbmarathon auf der Insel Hiddensee das Highlight. Aber wenn ich so überlege, müsste ich mal wieder an einem Orientierungslauf teilnehmen. Bei Hansa! Für Hansa! 

Fotos: Marco Bertram

 

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