Geschleiftes Dorf Billmuthausen

Von der Ortschaft Billmuthausen, die erstmals im Jahre 1340 als »Billmuthehusen« urkundlich erwähnt wurde, blieben nach dem kompletten Abriss im Jahre 1978 nur die Reste des Friedhofs und der Trafoturm bestehen. Letzterer fand bei den DDR-Grenztruppen Verwendung.

Billmuthausen wurde zu einem Synonym für über 30 geschleifte Dörfer entlang der deutsch-deutschen Grenze. Nach der Veröffentlichung des Buches »Billmuthausen. Das verurteilte Dorf« von Norbert Fuchs im Jahr 1991 wurde die Ortschaft und ihr Schicksal landesweit bekannt.

Die sowjetische Besatzung

Der Anfang vom Ende Billmuthausens lag im Sommer 1945. Billmuthausen, das seit 1920 zum Land Thüringen gehörte, wurde am 7. April 1945 von den US-amerikanischen Truppen besetzt. Am 1. Juli 1945 zogen sich jedoch die Amerikaner hinter die bayerische Grenze zurück, und die Rote Armee rückte ein.
Die gesetzte Demarkationslinie trennte Billmuthausen von den fränkischen Nachbardörfern. Im Spätsommer des gleichen Jahres wurde der ansässige Gutsbesitzer Hermann Ludloff von deutschen Hilfspolizisten im Dienst der sowjetischen Besatzer nach Buchenwald gebracht und dort vom NKWD, der Geheimen Staatspolizei der UdSSR, erschossen. Das Gutshaus der Familie Ludloff wurde kurz darauf abgerissen und eingeebnet.

Die neue Grenzverordnung und ihre Folgen

Am 26. Mai 1952 trat die Verordnung über die 5-Kilometer-Sperrzone in Kraft. Das Dorf Billmuthausen befand sich ab sofort im 500-Meter-Schutzstreifen. Das Betreten der Sperrzone und des Schutzstreifens war ab sofort nur mit einem Passierschein möglich.
Am 27. Mai ab 01:00 Uhr in der Nacht startete die »Aktion Ungeziefer«. Die zweite Welle der »Aktion Ungeziefer« traf die betroffenen Ortschaften am 4. Juni ab 00:45 Uhr. Etliche Familien mussten umgehend unter polizeilicher Aufsicht ihre Häuser verlassen. Sie wurden unter Zwang ins Hinterland umgesiedelt. Im Land Thüringen betraf dies 3.423 Personen, so auch etliche Einwohner aus Billmuthausen.
Am 20. Juni verließen sieben Familien mit 34 Personen und aller beweglicher Habe Billmuthausen und überschritten die Demarkationslinie nach Bayern. Das Dorf war ab jenem Zeitpunkt zur Hälfte verödet.

Der Abriss des Dorfes

Ab September 1961 erfolgte mit der »Aktion Festigung« – auch als »Aktion Kornblume« bekannt – die nächste Aussiedlungswelle. Im Januar 1965 wurde mit dem Abriss der Dorfkirche die endgültige Zerstörung von Billmuthausen eingeleitet.
Im Jahre 1973 wurde die letzte Person auf dem Friedhof von Billmuthausen beerdigt. Die Räumung des Dorfes wurde von offizieller Stelle angekündigt. 1976 gaben die ersten Familien auf und kehrten Billmuthausen den Rücken. Am 1. September 1978 verließ die letzte Familie den Ort. Der Rat des Kreises meldete am 4. Dezember 1978 den Vollzug der »Grenzmaßnahme Billmuthausen«.

Die Errichtung einer Gedenkstätte

Erst nach der Grenzöffnung am 9. November 1989 konnten die ehemaligen Bewohner des Dorfes an den Platz ihrer Heimat zurückkehren. Nicht einmal die Fundamente ihrer Häuser waren mehr zu sehen.
Der gegründete Förderverein »Gedenkstätte Billmuthausen e.V.«, unter der Führung von Dr. Elmar Weidenhaun und Dieter Ludloff, trieb die Errichtung eines Ortes des Gedenkens und der Erinnerung voran.
Am 22. Januar 1992 wurde ein Gedenkstein mit einer Bronzeplatte feierlich enthüllt. Die Inschrift lautete: »Hier stand von 1340 bis 1978 das Dorf Billmuthausen. 1978 zerstört, die Einwohner vertrieben«.
Groß war der Schock im Umfeld, als in der Nacht vom 22. zum 23. März 1992 die Bronzeplatte von Unbekannten entwendet wurde. Am 4. November 1995 wurde eine neue steinerne Gedenkplatte auf dem Friedhof eingeweiht.
Im Jahr 1996 wurde die Friedhofsmauer rekonstruiert, im Sommer 1999 folgte der Bau der Gedächtniskapelle und anschließend wurde der Trafoturm instand gesetzt.
Am Eingang der Gedächtniskapelle wurde ein Ausspruch von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker angebracht: »Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart«.

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