„Die wichtigste Farbe in einem Garten ist Grün“ war der Grundsatz von
Alice de Stuers, als sie sich rund um das Schlösschen „de Wiersse“ ihr
privates Gartenparadies schuf. Eintönig ist der Park dennoch nicht. Wie
dieses Kleinod warten viele niederländische Schlossgärten und
Privatgärten darauf, entdeckt zu werden.
„Wenn der Garten blüht, wollte ich hier sein“ erzählt Trudy. Die Mittfünfzigerin folgt mit vier Freundinnen der Führung von Lisette Wetzels durch die Gärten des Landsitzes „de Wiersse“. Ein 32 Hektar großer Park umgibt das Schlösschen aus dem späten 17. Jahrhundert. Im Schatten des „Wilden Gartens“ entdecken sie die Einbeere, selten und giftig, und den ebenso seltenen Hundszahn. Am verwunschen wirkenden Karpfenteich wächst der Königsfarn, der besonders saubere Luft und sauberes Wasser braucht, um zu gedeihen. Im „Senkgarten“ findet Trudy Gedenkemein (Omphaloides), die auf den ersten Blick wie zu groß geratene Vergissmeinnicht aussehen.
Immer wieder legt Lisette Wetzels Zwischenstopps ein, um auf die Blickachsen aufmerksam zu machen, die Alice de Stuers (1895-1988) und ihr Ehemann William Edward Gatacre anlegten. Schneisen oder Durchblicke lenken den Blick auf eine Statue, durch einen Buchenlaubgang oder in die bäuerliche Landschaft der Grenzregion Achterhoek. Alles wirkt natürlich gewachsen, wie es ein klassischer englischer Landschaftspark erfordert. Aber dahinter steckte ein durchdachtes Konzept. Statt endlos viele Pflanzensorten zu sammeln, wie es zu ihrer Zeit Mode war, setzte sie auf die Wirkung weniger markanter Farben und Arten in großer Zahl. Ihr Mann ließ die Rhododendren pflanzen, die Bach und Wiesen säumen und den Park im Frühling in ein Farbenfest verwandeln. Auch die Abfolge der Pflanzen sorgt dafür, dass der Garten sich fast wöchentlich verändert. An Stellen, an denen heute Farne sprießen, blühten vor wenigen Wochen noch Narzissen. Ein geometrischer Rosengarten, den Alice de Stuers als Siebzehnjährige entwarf, schließt hinter dem Gutshaus den Rundgang ab.
Ihr Vater Victor de Stuers (1843-1916), einer der Begründer der niederländischen Denkmalpflege, bezog mit seiner Frau Ende des 19. Jahrhunderts den Landsitz. De Stuers ließ das heruntergekommene Gebäude restaurieren, seine Tochter Alice gab dem Park seine heutige Gestalt. Noch heute wohnen ihre Nachkommen, die Familie Gatacre, in dem Landgut und pflegen den Garten mit Unterstützung einiger ehrenamtlicher Helfer und einer Stiftung zum Erhalt historischer Außenanlagen.
Achterhoek – hintere Ecke bedeutet der Name der ostniederländischen Region zwischen Arnheim, Winterswijk und Zutphen in der Provinz Gelderland, in der sich das Landgut „de Wiersse“ befindet. Lange wurde der wenig industrialisierte Landstrich mit einer bäuerlichen Bevölkerung, die sich Feudalherren beugen musste, seinem Namen gerecht. Was früher Armut und Rückständigkeit bedeutete, macht heute den Reiz der Gegend aus: Eine bäuerlich geprägte Landschaft mit viel Ruhe, Grün und kleinen Schlössern: Rund um das Kasteel und das Örtchen Vorden laden sieben weitere Kastelle und Herrenhäuser dazu ein, die Landschaft auf der „Acht-Schlösser-Route“ mit dem Auto oder dem Fahrrad zu erkunden.
Adelige Gartenkultur
Alicia de Stuers und ihre Nachkommen hinterließen in „de Wiersse“ ein Beispiel für ein romantisches Gartenprojekt, das der Natur viel Raum lässt und weder mit Platz noch mit Geld sparen muss. Nur wenige Kilometer weiter südlich, in Velp bei Arnheim, zeigt der Park von Kasteel „Rosendael“ die Gartenkultur der Privilegierten des 17. und 18. Jahrhunderts: Der Gartenarchitekt Daniel Marot huldigte dem nassen Element, indem er den Park mit einer Muschelgalerie, Fontänen und einem künstlichen Wasserfall verschönerte. Auch „Rosendael“ ist öffentlich zugänglich.
Um ein klassisches Beispiel eines französischen Gartens des 17. Jahrhunderts zu sehen, sollten Gartenfreunde einen Ausflug nach Apeldoorn unternehmen. Nachdem Willem III. das mittelalterliche Schloss „Palais het Loo“ zur standesgemäßen Residenz umgebaut hatte, durfte auch ein ansehnlicher Park nicht fehlen: Akkurat geschnittene Buxushecken säumen die Beete, die im Gartenverständnis des 17. Jahrhunderts eher als museale Pflanzen- und Blumenausstellungen dienten. Für das spielerische Element sorgen Fontänen, die zu den höchsten Europas gehörten.
Kein Museum, sondern seit 700 Jahren im Familienbesitz und noch bewohnt ist Kasteel Middachten, das Teil eines Landguts ist. Der Park ist in seinen Grundzügen als französischer Park erhalten, inspiriert durch das Vorbild Versailles, obwohl er in der Nachkriegszeit ein wenig „gerupft“ wurde.
„De Wiersse“, „Het Loo“ und „Rosendael“ sind Beispiele für die Vielfalt der Schlossparks, die in den Niederlanden zum Erkunden locken. Aber was tun, wenn der eigene Garten nur aus einigen Quadratmetern hinter dem Reihenhäuschen besteht? Will ich meinen Garten mit einem Zaun begrenzen, oder lieber mit einem Mäuerchen oder einer Hecke? Rasen oder lieber ein Teich? Antworten bieten die Mustergärten in Appeltern, wo Ben von Ooijen seinen Gartenbaubetrieb zu einem Schaugarten ausweitete. 190 Gestaltungsmöglichkeiten finden sich in diesem Dorf an der Maas. Vom soliden Familiengarten zum Spielen, Feiern und Entspannen über das Wohnzimmer unter freiem Himmel bis hin zum extravaganten Architektengarten.