Pristina, Gračanica und das geteilte Mitrovica: Eine Reise durch den Kosovo

P Updated 22 Dezember 2017
Pristina, Gračanica und das geteilte Mitrovica: Eine Reise durch den Kosovo

Mai/Juni 2017. Während ich beim Friseur sitze, ruft der Imam zum Gebet. In der wiedererrichteten Altstadt von Gjakova weht ein heißer Wind. Die Ladenbesitzer kühlen die Gassen mit Wasserschläuchen und das Wasser saust nur so hinab. In der west-kosovarischen Stadt lässt sich der alte osmanische Charme recht gut erfassen. Zwischen Kebab- und Kaffeeläden sitzen in dem neueren Teil der Stadt ältere Männer und spielen Schach. Recht entspannt und harmonisch wirkt diese kleine Industriestadt. Bei meiner Ankunft per Bus bekam ich kurzer Hand einen Kaffee in einem der Busstation nahe gelegenem Bistro ausgegeben. Gleichzeitig berichtete mir der Besitzer, dass man sich neben Gjakova auch unbedingt Prizren anschauen müsse. Dort sei zwar vieles türkisch, aber es gehe auch albanisch zu. 

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Kosovo

Mit dem Taxi ging es jedoch zunächst nach Velika Hoča, einem Dorf rund 40 Minuten zu Fuß von Rahovec entfernt. Hier leben noch etwa 500 Personen. Im Vergleich dazu hatte das Dorf vor dem Krieg – so wurde mir gesagt – rund 1.500 Einwohner. Die Ortschaft liegt recht verträumt in einer lieblichen Landschaft zwischen Weinbergen und Hügeln. Auch über die Grenzen des Kosovo hinaus wurde das Dorf durch das Buch „Die Kuckucke von Velika Hoca“ von Peter Handke bekannt. Das Besondere an diesem kleinen Dorf sind die 13 teilweise rund 800 Jahre alten Kirchen. Unübersehbar sind auch die Bekundungen für den Fußballverein FK Partizan Belgrad. Wie auch in den albanisch dominierten Ortschaften ist auch hier eine Stele, die den Toten des Kosovokriegs gedenkt. Darüber liegt wie thronend über dem Dorf - und gefühlt dem Kosovo - die Kirche des heiligen Nikolaus. 

Vino

In den zwei Dorfkneipen kann man sich genüsslich an einem Skopsko-Bier erfreuen. Nebenbei schallte lautstark Techno durchs Dorf. Zur Herstellung des bekannten Weins und andere stärkere Alkoholika nutzt das im Westkosovo gelegene Kloster Visoki Dečani die Trauben der dörflichen Weinplantagen. Dieses im 14. Jahrhundert errichtete reine Männerkloster erreicht man von der Stadt Deçan per Fuß in rund zwei Kilometern. Im selben Jahr der verheerenden Ausschreitungen im Kosovo - dem sogenannten März-Pogrom -, wurde das Kloster zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Rund 500 Meter vor dem Eintritt in die Klosteranlage begrüßen einen verschiedenste Straßensperren und ein Kontrollpunkt mit Aussichtsturm der K-FOR. Stationiert sind hier derzeit österreichische Kräfte, die das Kloster vor vermeintlichen Angriffen schützen sollen. Da der Zutritt zum Kloster leider erst ab 10:30 Uhr möglich war, kann man noch etwas weiter entlang des Flusses Lumbardh i Deçanit, der aus den Albanischen Alpen am Kloster vorbeifließt, entlang spazieren. 

Etwa einen Kilometer hinter der Klosteranlage gibt es eine idyllisch gelegene Gaststätte, in der man sich am Rauschen des Flüsschens erfreuen und unter anderem ein Schnitzel genießen kann. Im Kloster selbst kann der Besucher die äußerst gepflegte Anlage und die Kirche Christi-Himmelfahrt bewundern. Die Fresken, Ikonen und sonstigen Ausstattungen der Kirche sind teilweise mehrere Jahrhunderte alt und beispielsweise in der Darstellung einzigartig. So zum Beispiel die Darstellung von Jesus mit einem Schwert. Leider sind auch hier Zerstörungen – jedoch noch aus osmanischer Zeit - an den Wandikonen nicht zu verheimlichen, sondern deutlich sichtbar. Lohnenswert zur Geschichte des Klosters ist das Informationsbuch, welches es für zehn Euro in verschiedenen Sprachen zu kaufen gibt. Sollte der Besucher zufällig auch der orthodoxen Religion angehören, so wird er gratis zum Kaffee, Raki oder anderen Getränken eingeladen. Im Kloster selbst leben rund zwanzig Mönche, die sich mit  verschiedensten Tätigkeiten, vom Obstanbau über Kunsthandwerk bis hin zur Ikonenmalerei beschäftigen. Handgeschriebene Ikonen kann man zwar im Klosterladen kaufen, jedoch fertigen die auf diesem Gebiet tätigen Mönche derzeit eher Auftragsarbeiten an. 

UCK

Die Stadt Deçan am Fuße des Prokletija-Gebirges ist mit vielen albanischen Flaggen und Denkmälern an die albanische paramilitärische Organisation UÇK geschmückt. Generell erscheint der Umgang mit dieser international nicht ganz unumstrittenen Organisation eher unkritisch und wohl eher verehrend. So sind in vielen Städten Straßennamen nach dieser oder im Zusammenhang mit dieser Organisation benannt. Der Konflikt zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit scheint mittlerweile eher entspannt, jedoch kommt bei näherer Betrachtung das Gefühl auf, dass ein friedliches Miteinander noch nicht vollends erreicht zu sein scheint. So sind – wie oftmals auf dem Balkan – die serbischen oder albanischen Straßenbezeichnungen übermalt. 

Mitrovica

Im Kosovo gilt zwar das Albanische als Amtssprache, jedoch ist das Serbische allgegenwärtig und als Zweitsprache anerkannt. Besonders in der geteilten Stadt Mitrovica sind die Trennung und das Nebeneinander spürbar. Trennlinie zwischen dem Nord- und dem Südteil ist der Fluss Ibar. Ein seltsames Gefühl ist der Spaziergang über die Ibar-Brücke, an der derzeit keine offensichtlichen Barrikaden vorhanden sind. 

Jedoch patrouilliert die Polizei, und die Überfahrt mit dem Auto ist auch weiterhin nicht über diese Brücke möglich. Es sieht aber danach aus, als wenn das fleißige Schrauben und Arbeiten an der Brücke die baldige Freigabe ermöglichen könnte. Auffällig ist zudem, dass häufig Autos ohne Kennzeichen auf einer der beiden Seiten stehen. Dies, so wurde mir mitgeteilt, diene dem Schutz vor etwaigen Übergriffen. Steht man auf der serbischen Seite und schaut die Kralja Petra I hoch, dann wehen die vielen Fahnen der serbischen Trikolore im Wind. Die Beschriftungen der verschiedenen Läden sind fast allesamt auf Kyrillisch und die albanische Sprache so gut wie nicht vorhanden. 

Mitrovica 

Während im albanisch dominierten Südteil eine der vielen im Kosovo neu errichteten Moscheen, die Bayram Paşa, steht, wurde im Nordteil in der jüngeren Vergangenheit die St. Demetrius Kirche errichtet. Sie thront nun über der Stadt, wie eine Demonstration des Überlebens der serbischen Bevölkerung in diesem kleinen Staat. Auch hier oben kann man wieder das Gefühl des völligen Friedens in diesem Land gewinnen. Während im Tal die Autos vorbei brummen, zwitschern hier die Vögel zwischen Tito-Kunst (Denkmal für albanische und serbische Partisanen) und sakraler Verehrung. Hier die albanischen Kriegs- und Volkshelden - dort serbischer Stolz.

 Mitrovica

Sieht man auf albanischer Seite Pro-EULEX-Graffitis, so wird auf serbischer Seite das X in abwertender Weise durch ein Hakenkreuz ersetzt. Ebenfalls fallen die vielen Graffiti in meist kyrillischer Sprache auf, die Kosovo und Metochien – kurz Kosmet - zu Serbien zählen. Alltägliche, oder wohl eher touristische, Schwierigkeiten bereitet mitunter ebenfalls die Zahlungsart. Während in den albanisch dominierten Gebieten mit dem Euro bezahlt wird, so wird in den serbischen Teilen vornehmlich der Dinar genutzt. Mir persönlich blieben dadurch ein paar Ćevapi verwehrt, da ich nicht im Besitz von ebendieser Währung war. Von Vorteil kann dem Besucher auch das Beherrschen der serbischen (oder auch russischen) Sprache sein, da Englisch im Nordteil so gut wie nicht gesprochen oder verstanden wird.

 Mitrovica

Mit albanischer Musik im Bus, der im viertelstündlichen Takt in Richtung der Hauptstadt des Kosovo rollt, ging es zurück nach Pristina, die derzeit einen regelrechten Bauboom erlebt. Neuer Plattenbau trifft hier Jugoslawischen Schick und osmanischen Charme. Die Schönheit der Stadt wird einem wohl eher bei einer Tasse Čaj oder türkischem Kaffee und den Gesprächen mit der jungen und dynamischen Bevölkerung bewusst. Fußläufig, vorbei an US-amerikanischen Statuen und Denkmälern albanischer Kriegshelden, kann man hier bereits an einem Tag einen guten Eindruck von der Stadt gewinnen. Als Ausflug von Pristina eignet sich eine Busfahrt für 50 Cent in die kleine Stadt Gračanica mit ihrem bedeutenden Kloster. Auch hier – wie in den meisten anderen kosovarischen Klöstern – kann das serbische Herrschergeschlecht der Nemanjiden in Form einer bildlichen Darstellung bewundert werden. Ebenfalls in Gračanica ist auf dem Gelände des örtlichen Kulturhauses ein dem Newborn-Monument in Pristina nachempfundenes Denkmal aufgestellt. Allerdings steht hier das Wort „Missing“, welches als Mahnmal für die nicht wieder aufgetauchten serbischen Einwohner steht. 

 Missing

Bei Reisen durch den Kosovo wird man als Urlauber wohl am ehesten den etwas abseits gelegenen Busbahnhof frequentieren, von dem man in nahezu alle Ecken dieses jungen Staates gelangen kann. Nichts desto trotz hat die Stadt auch einen Bahnhof für den Zugverkehr zu bieten, der fußläufig etwa 20 Minuten vom Stadtzentrum entfernt liegt. Mit einer der beiden kosovarischen Zugverbindungen kann man in die altehrwürdige Stadt Peja gelangen. Peja hat mit der einzigartigen Rugova-Schlucht und der dort lebenden albanischen Einwohnerschaft, dem Patriarchenkloster sowie der renovierten Altstadt und dem idyllischen Treiben einiges zu bieten. Zudem ist sie Start- oder Endpunkt für den Fernwanderweg „Peaks of the Balkans“, der durch Montenegro, Albanien und den Kosovo verläuft. Aktuell ist der Grenzstreit zwischen Montenegro und dem Kosovo ein Thema, das die Rugova-Schlucht ins internationale Gespräch bringt. 

 

PecDas Patriarchenkloster liegt nahe der Rugova-Schlucht und kann gut zu Fuß erreicht werden und als Startpunkt für eine Wanderung durch die benannte Schlucht dienen. Das Kloster selbst wird von Nonnen bewohnt. Um die bedeutende Geschichte dieser serbisch sakralen Anlage kennen zu lernen, kann sich für zwei Euro ein Audioguide ausgeliehen werden, der auch in deutscher Sprache erhältlich ist. Beschützt wird das Gelände aktuell nur noch von einigen einheimischen Polizisten. Abseits vom Kloster in der Rugova-Schlucht zeigte sich dann auch wieder die Herzlichkeit der Bewohner dieses Landes. Bei heftigstem Wolkenbruch konnte ich in einer kleinen Hütte landen. Dort boten mir die beiden albanischen Männer Bier und Obdach. Bei serbischer, bosnischer und albanischer Musik wurde ausgiebig über die Stärke der ehemaligen jugoslawischen Fußball-Liga debattiert. Zum Abschied und aufgrund der weiterhin miserablen Wetterlage wurde mir dann ein Langnese-Eisschirm als Regenschutz mitgegeben. So ging es dann auf dem gut ausgebauten Radweg bei schummrigen Licht, vorbei an umher trollenden Hunden, zurück nach Peja. 

Kosovo

Etwas verschlafen, aber von Peja mit dem Taxi in zwanzig Minuten erreichbar, ist das kleine Dorf Goraždevac. Während auf dem Marktplatz die Musik über Liebe, Leidenschaft und andere Sorgen läuft, kann im nahen Shop entweder ein Peja oder Jelen Bier gekauft werden. Bei etwas Glück weckt man in dem mehrheitlich von Serben bewohnten Dorf das Interesse der Bewohner. Dann kann es passieren, dass man sich unter Rebstöcken zwischen Hühnern, einem Plumpsklo und urtypischer Dorfidylle wieder findet und selbstgebrannten Raki genießen darf. Traurig Berühmtheit erlangte das Dorf im Jahr 2003, als auf Kinder und Jugendliche des Dorfes willkürlich geschossen wurde. Dabei starben zwei Menschen, die nun neben den Toten des Krieges verewigt sind. 

 Pristina

Sie mahnen - neben all den anderen Toten auf sämtlichen Seiten und dem Leid, der über dieses wunderschöne Land kam - für ein Ende der ethnischen und religiösen Spannungen. Nahezu alle Menschen, denen ich während dieser kurzen Reise begegnen durfte - ganz gleich, ob beim Kaffee in einer serbischen oder in einer albanischen Gemeinde - verbanden die Gastfreundschaft und Herzlichkeit. Und eins steht fest: Der dauerhafte Frieden im Kosovo ist sicherlich abhängig davon, inwiefern sich das Land und die jeweiligen Ethnien von der Türkei und auch Serbien, aber auch radikalen Predigern beeinflussen lassen.

Fotos: P. Schoedler

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus dem Kosovo

 

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Wenn doch Serben wie Albaner ihre Flaggen zwar mit Stolz tragen würden, aber über allem die Kosovofahne als gemeinschaftliches Symbol gelten würde!
B
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Gut gemacht!
G
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Pro Christlich? Was sonst sind denn der Kosovo und Metochien in Ihren Wurzeln!? Und außerdem ist das albanische Volk auch alles andere als freiwillig muslimisch geworden - oder wie ist das mit Skanderberg? Sagt Dir Mutter Teresa etwas? Eure einzigen namhaften Personen allesamt christlich!
Den Text so lassen und nicht auf den Schwätzer hören!
P
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4.0
Pro Christen. Was auch sonst?
G
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Schlechter und eindeutig pro christlicher Artikel. Das brauchen wir nicht. Wir brauchen in Kosovo zu erst mal eine Währung, damit wir auch Papiere zu Geld drucken können wie die EZB
G
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5.0
ZI
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G
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4.0
Was passiert in Zukunft mit der serbischen Minderheit im Norden? Kann nicht dieses Gebiet an die Republik Serbien abgetreten werden? Vielleicht kann man sich dann in der "Mitte" treffen und im Kosovo herrscht endlich Ruhe.

MfG Maraike
M
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