Grenzabenteuer: Mit dem Auto von Griechenland in die Türkei

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tuerk greekAuf vier Rädern von Berlin bis ins türkische Edirne. Mit dem eigenen Fahrzeug, genauer gesagt mit einem Smart. Das machte die Angelegenheit noch spannender, da es bei den Grenzkontrollen stets unglaubwürdige Blicke gab. Grenzen gab es reichlich zu passieren. Je südöstlicher der Grenzübergang, desto größer die Augen der Beamten. Über 2.000 Kilometer lang ist die direkte Verbindung nach Edirne. Da wir auch noch das südliche Serbien und Mazedonien mitnahmen, kamen wir locker auf 2.500 Kilometer, bis das Ziel erreicht wurde.

Mal durchgezählt: Deutsch-tschechische Grenze, tschechisch-slowakische Grenze, slowakisch-ungarische Grenze, ungarisch-serbische Grenze, serbisch-bulgarische Grenze, bulgarisch-mazedonische Grenze, mazedonisch-bulgarische Grenze, bulgarisch-griechische Grenze und zum Abschluss die griechisch-türkische Grenze. Neunmal mussten die Reisepässe und Fahrzeugpapiere gezückt werden. Vignetten sammelten sich an der unteren Ecke der Frontscheibe wie Fußballerportraits in einem Sammelalbum.

autobahn

Ein Highlight war bereits der winzige, in den Bergen gelegene Grenzübergang an der serbisch-bulgarischen Grenze bei Ribarci. Überraschender Wintereinbruch und vor uns ein paar türkische LKW, die sich mühsam auf der verschneiten Serpentine hocharbeiteten. Um Geld zu sparen, nutzten sie diese Schleichroute. Nach etlichen Anläufen gelang es uns die schlingernden Brummis zu überholen. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde die Grenzkontrolle erreicht. Erstaunte Blicke. Solch ein kleines Auto? Nur zwei Türen? Wo ist der Motorraum? Mal ein Blick in den Kofferraum, wenn man jenen überhaupt als solchen bezeichnen darf. Alles wurde inspiziert und auf einem Formular abgehakt. Neugierig waren eigentlich nur die bulgarischen Beamten, ihre serbischen Kollegen hatten uns nach rascher Kontrolle der Papiere nur durchgewinkt.

Kastanies

Der kurioseste Grenzübertritt war allerdings der von Griechenland in die Türkei bei Kastanies. Im Vorfeld bereitete uns dieser Grenzübergang reichlich Sorgen. Wie lange würde man dort warten müssen? Sind Schikanen zu erwarten? Unfreundliche Zollbeamte? Endlose Fahrzeugschlangen? Stundenlanges Warten? Gar über Nacht? Mit mulmigem Gefühl in der Magengegend näherten wir uns Meter für Meter der griechisch-türkischen Grenze, die einem Eisernen Vorhang gleichkommt. Blau-weiß angemalte Bordsteinkanten, gehisste Flaggen und schwer bewaffnete Soldaten auf griechischer Seite.

Die Überraschung schlechthin: Wir waren die einzigen, die zu jenem Zeitpunkt abgefertigt wurden. Kein PKW, kein LKW – niemand überquerte die Grenze. Nur wir mit dem dunklen Smart. Die griechischen Beamten beließen es bei einem raschen Blick in Papiere und ins Fahrzeuginnere. Auf türkischer Seite wurde die Angelegenheit erwartungsgemäß anders gehandhabt.

Hellas

Willkommen in der Türkei. Rot-weiß angestrichene Bordsteinkanten, auch hier gehisste Flaggen und Soldaten in strammer Haltung am Straßenrand. Was für eine Grenze! Nordirland oder die indisch-pakistanische Grenze lassen grüßen!
Der Smart wurde vor einem alten Gebäude abgestellt. In Seelenruhe schlenderte ein erster Grenzbeamter herbei und begutachtete das Fahrzeug von allen Seiten. In einem Formular musste er den Fahrzeugtyp ankreuzen. Hunderte Fahrzeugtypen aus aller Welt hatten ihr Ankreuzfeldchen. Ein Smart war jedoch nicht vorgesehen. Ohne Kreuzchen konnte allerdings die Grenze nicht passiert werden. Was ist das? Lada? Audi? Peugeot? Oder gar ein Zastava Yugo? Die sind doch auch so klein. Vielleicht sogar eine neue Bauform des Renault4? Die Konversation verlief auf Türkisch, mit Händen und Füßen sowie mit Kopfnicken und Kopfschütteln. Letztendlich wurde ein Häkchen bei irgendeiner Mercedes-Marke getätigt. Was blieb auch anderes übrig?

Türkei

Nun hinein in die gute Stube. Von einem Flur aus waren vier Räume durchnummeriert. In sämtlichen Räumen hatte man einen Besuch abzustatten. Der Reihenfolge nach, versteht sich. Allerdings mussten manche Räume auch zweimal aufgesucht werden, nachdem in einem anderen Zimmer ein Papier abgeholt wurde. Im Chefzimmer des Grenzübergangs durften wir Platz nehmen. Dicke, richtig dicke Bücher wurden gewälzt. Staub, Muff und der Hauch von Jahrzehnten lag in der Luft. Die Zeit schien stehengeblieben zu sein. Hinter dem uralten Schreibtisch hing ein ebenso uraltes Portrait von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk. Eines jener nachcolorierten Fotos, auf denen Atatürk streng und extrem eindringlich leicht von unten schaut.
Die Lehne des Stuhles unter dem Portrait hatte in der verputzten Wand über Jahrzehnte eine sehr tiefe Furche hineingeschabt. Immer wieder die gleiche Bewegung. In 90 Grad. Vom Schreibtisch zum Aktenschrank. Vergilbtes Papier quoll aus den Ordnern und Mappen. Welch ein Anblick! Furchterregend, angsteinflößend, kurios und faszinierend zugleich.

Edirne

Meine Blicken schweiften durch den Raum, während der ältere Herr in den Akten und Papieren stöberte. Fast huschte mir ein breites Grinsen über die Lippen. Ich starrte kurz auf den Fußboden und versuchte ernst zu bleiben. Nur keinen Ärger! Nur keine Überheblichkeit! Nachdem eine gefühlte Stunde später alle Papiere erledigt waren, durften wir unsere Fahrt nach Edirne fortsetzen. Obwohl Edirne im europäischen Teil der Türkei liegt, hatten wir eindeutig das Gefühl, Europa hinter uns zu lassen. Baustil und Landschaft unterschied sich komplett von jenen in Griechenland. Uns erwartete eine völlig andere Welt. Nach wenigen Kilometern überquerten wir den Fluss Meric und erreichten die Straßen und Gassen von Edirne, welche die westlichste Großstadt der Türkei ist und einst sogar die Hauptstadt des Osmanischen Reichs war...

Edirne

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus der Türkei

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