Notizen aus Rio: Teurer Fisch in Urca, Nachtfahrt in die Zona Norte

 
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altIch hätte bereits früher auf Kallemans Ratschläge hören und im Supermarkt Mundial einkaufen sollen. Für 20 Reais hatte ich dort im Gegensatz zum Laden Zona Sul einiges im Körbchen. Ich konnte Produkte ausfindig machen, die im Mundial nur ein Drittel oder gar ein Viertel kosteten. Beim Frühstück mit Cafezinho, Mamão und Cajú-Saft ließen wir im Wohnzimmer der WG wieder die Nachrichten auf TV Globo laufen. Wieder gab es heftige Ausschreitungen bei einer Demonstration in der Innenstadt von São Paulo. Barrikaden brannten und die Polizei stürmte die Menschenansammlung. Des Weiteren gab es in der Millionenmetropole eine schwere Explosion in einem Wohnhaus.


Heute stand eine Wanderung zum Morro da Urca und zur Bucht von Botafogo an. Von der Avenida Pasteur aus schlenderten Jens und ich die auf der Avenida Portugal am Ufer von Urca entlang. Nach einem kleinen Stück gelangten wir an eine kleine Bucht, an der ein sehr altes Casino-Gebäude stand. In der Gegenwart war dieses Casino nur noch eine Ruine, doch mit ein wenig Phantasie konnte man sich ausmalen, dass diese Ecke von Rio einmal sehr angesagt war. Auch heute noch war es in Urca äußerst angenehm. Die Häuser hatten meist kleine Gärten, und hinter den Grundstücken erhob sich der Berghang vom Morro da Urca und vom Morro do Pão de Açucar. Zum Wasser hin konnte man über die Bucht von Botafogo auf die Häuserfront von Flamengo schauen.

altWeiter ging es auf der Avenida João Luiz Alves bis zum Ausbildungsgelände des brasilianischen Militärs, das sich auf der Landzunge von Urca befand. Zwölf Jahre zuvor gingen Kathrin und ich dort im Schutz der Armee am Strand zu Fuße des Zuckerhutes baden. Heute sah der Eingang zum Gelände freundlicher aus, damals wirkte alles rustikaler. Einen wachhabenden Soldaten fragte ich auf portugiesisch, ob es möglich sei, auf dem Gelände einen kurzen Rundgang zu machen. Die Antwort fiel kurz und knapp aus. »Não.«
Somit musste ich mich mit einem melancholischen Blick von außen begnügen, bevor wir in einem Eckcafé einen Cafezinho zu uns nahmen. Da sich dort eine Busendhaltestelle befand, traf man dort zahlreiche Busfahrer an, die den Aufenthalt an diesem beschaulichen Örtchen genossen.
Erstaunlich hoch waren die Preise im Fischrestaurant »Garota da Urca«, das sich an der besagten kleinen Bucht befand. Bis zu 60 Reais pro Mittagsmenü hätte man berappen müssen, um dort mit Blick auf die Botafogobucht speisen zu können.

An der Kaimauer von Urca angelten wie damals im Sommer 96 einige Männer im Meer und an dem Strand der kleinen Bucht gingen Kinder baden und bauten Sandburgen.
Auf dem schmalen Pfad entlang des Zuckerhutes mussten später wir feststellen, dass festes Schuhwerk empfehlenswert war. Wir verschoben unsere Wanderung, kehrten nach Copacabana zurück und verschickten per E-Mail eine Videobotschaft in Richtung Heimat.

altSpäter am Abend gesellten sich auf dem Markt in São Christovão noch Jesus, seine Mutter und sein Freund dazu. Gegen Mitternacht wurde die Mutter mit dem Auto nach Hause gebracht. Jens und ich hatten die Wahl. Entweder mit Thommy und Jaciara mit dem Linienbus in Richtung Botafogo und Copacabana oder mit dem Auto zuerst zur Wohnung von Jesus´ Mutter und anschließend direkt zur WG in Copa. Wir wählten die Autovariante und kamen somit noch in den unerwarteten Genuss eines nächtlichen Abenteuers. Jens und ich hatte keine Ahnung, wo die Mutter wohnte. Wir hatten auch nicht gefragt. Wie sich herausstellte, wohnte die Frau in einer Siedlung weit im Norden von Rio de Janeiro, sprich mitten in der Zona Norte – in einer Wohnsiedlung umgeben von zahlreichen Favelas.
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Auf breiten Schnellstraßen ging es in Richtung Pavuna durch die Nacht. Mit Tempo hundert bretterten wir durch die Dunkelheit. Links und rechts der Straße Favelas mit den Namen wie Parque Açari, Vila Rica de Iraja, Vista Alegre und Miguel Dibo. Zeitweise fuhren wir an Gebiete vorbei, die auf Grund der offenen Abwasserkanäle bestialisch zum Himmel stanken. An den Kreuzungen wurde nur gehalten, wenn es wirklich sein musste. Wenn möglich ging es mit hohem Tempo über rote Ampeln und um die Kurven. Ein Halt an einer Kreuzung in der Zona Norte konnte jederzeit erhöhtes Risiko bedeuten. Gefahr eines Überfalls oder eines Hinterhalts bestand überall. An jeder Ecke. In jeder Nebenstraße ...

Der Text wurde aus dem Buch "Saudade do Brasil" entnommen, das 2011 auf den Markt kommt.

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Brasilien

> zur privaten Webseite des Autors

> Rio-Bilder bei der Bildagentur frontalvision.com

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