Alltag oder Abenteuer? Mit dem Rad durch Serbiens abgelegene Berge

 
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altBalkan. Serbien. Für die einen pures Abenteuer, für andere eine klare no-go-area, für wiederum andere eine völlig normale Region wie jede andere in Europa. Es lässt sich Nächte lang darüber streiten, in welche Kategorie sich nun Serbien einordnen lässt, zumal das Land extrem unterschiedliche Gesichter hat. Zum einen die nördlich gelegene Voivodina, zum anderen die südlichen Regionen in Richtung Mazedonien und Kosovo. Als Tourist auf eigene Faust Radfahren gehört in Serbien noch nicht zum Alltag, und somit wird jeder einzelne völlig unterschiedliche Erfahrungen sammeln dürfen.

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2006 und 2009 ging es mit dem Fahrrad mehrmals durch Serbien, immer entlang der Grenzregionen zu Ungarn, Rumänien, Bulgarien. Abstecher gab es zudem zu den Grenzgebieten zu den Nachbarländern Kroatien und Mazedonien. Zahlreiche Eindrücke, meist überaus freundliche und herzliche Menschen, phantastische Landschaften und eine überraschend gute Infrastruktur. Neben all den positiven Erlebnissen gab es jedoch auch wenig erfreuliche Ereignisse - so zum Beispiel im Südosten des Landes nahe der Grenze zu Bulgarien bei Pirot und Dimitrovgrad. Der Einsatz einer Schusswaffe...

altZwar ist es möglich von Pirot nach Dimitrovgrad auf der Schnellstraße E80 zu radeln, doch wegen der vielen LKW zogen wir die Passage über die Berge vor. Bis Veliko Selo und Krupac konnten wir auf glattem Asphalt fahren, und wir kamen zügig voran. Ab Krupac wurde der Weg jedoch mehr als mühselig. Im Ort fragte ich noch einmal nach, ob es diesen Weg nach Smilovci auch wirklich gibt, denn die Angaben in den Landkarten waren ein wenig widersprüchlich. Man versicherte uns, dass es zwar diesen Weg gebe, doch mit dem Rad sei dieser nicht zu bewältigen. Zu Fuß sei es möglich nach Smilovci zu kommen, doch mit dem Rad gestalte sich die Sache recht kompliziert. Ich erklärte den Anwohnern, dass wir es trotzdem probieren würde. Zur Not könnte man ja schließlich das Rad schieben.
Bereits nach wenigen Meter wurde der Asphalt durch Schotter und Sand abgelöst. Der Schotter war sehr grob, und die Steine lagen sehr lose auf dem Weg, so dass man beim Schieben nur schwer festen Halt fand. Meter für Meter mussten wir uns den Berg hocharbeiten, doch die phantastische Landschaft entschädigte für die körperlichen Strapazen. Auf der linken Seite zog sich die Bergkette Vidlic entlang. Der dortige höchste Berg erreicht 1413 Meter. Unser Weg nach Smilovci blieb glücklicherweise knapp unter der 1000-Meter-Höhenlinie.

altNachdem auf der schotterigen Serpentine der höchste Punkt erreicht war, zog sich der Weg über diverse Senken auf hoch gelegenen Wiesen. Links und rechts säumten dornige Büsche den Wegesrand. Ab und an mussten wir auf eine Wiese ausweichen, da der Weg teilweise schlammig und lehmig wurde.
Bereits aus der Ferne war das Blöken der Schafe und Ziegen und das Bellen der Hirtenhunde zu vernehmen. Hunde waren wir auf dieser Tour bereits gewöhnt, doch dieses Bellen klang noch eindringlicher und gefährlicher. Und schon bald tauchten rechts vom Wege zwischen dem Dornengestrüpp zwei Hirtenhunde auf, die grimmig drein schauten und bösartig knurrten. Die Hunde sahen ganz anders aus als die Dorfhunde unten in den Dörfern, diese beiden Hirtenhunde schienen aus einer vergessenen Zeit zu kommen. Grau, struppig und vor Kraft strotzend standen sie mit gespitzten Ohren da und ließen uns nicht mehr aus den Augen.
Es half nichts, langsam mussten wir an den beiden Hunden vorbeifahren. Zaghaft, die beiden Hunde nicht aus den Augen lassend rollten wir Meter für Meter an den grimmigen Wächtern der Ziegenherde vorbei. Hinter uns gesellte sich nun noch ein dritter Hund kläffend zu uns. Dieser war braun und hatte glattes Fell. Sein Gebell erinnerte eher an das freche Auftreten der Hunde auf den Dorfstraßen. Lautes Gekläffe, aber kaum Gefahr in Verzug ...
Der dritte Hund brachte die beiden grauen Hirtenhunde jedoch noch mehr in Rage. Aus der Ferne ertönte nun das erboste Rufen eines serbischen Berghirtens. Das Szenario spitzte sich zu. Doch ehe wir die gesamte Situation erfassen konnten, hörten wir einen dumpf hallenden Schuss und das Aufjaulen des braunen Hundes.

Man muss dazu sagen, dass sich der Hund in jenem Augenblick unmittelbar hinter Karstens Fahrrad befand. Glücklicherweise hatte der serbische Hirte gut gezielt, und glücklicherweise hatte er nicht mit Schrot sondern mit einer Kugel geschossen, ansonsten wären wohl unsere Räder und Beine von den Schrotkörnern lädiert worden.
Viel Zeit zum Nachdenken blieb nicht. Ich hörte nur das serbische Gebrüll aus der Ferne, das Winseln des getroffenen Hundes, das wütende Gebell der anderen beiden Hunde und einen weiteren dumpfen Schuss. Das genügte. Ich trat in die Pedalen, was Material und Körper hergaben und hoffte, dass Karsten ebenso schnell folgen würde.
Ich fühlte mich gefangen in dieser scheinbar gottverlassenen Region. Links und rechts dieses Gestrüpp, der Weg kaum befahrbar, und zudem die Frage, ob man irgendwo nicht falsch abgebogen war und der Weg irgendwann auf einer Wiese enden würde. Eines stand fest: Zurück wollten wir unter keinen Umständen mehr. Auf keinen Fall mehr vorbei an diesen beiden grauen Viechern und dem schießwütigen Serben.

altFluchend fuhr ich durch den lehmigen Matsch und bereute es, diesen Weg gewählt zu haben. Wie leichtsinnig kann man sein, fragte ich mich. Wie bescheuert muss man sein, in Südserbien die festen Straßen zu verlassen und sich durch die Berge zu treiben. Mir fielen die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes ein. Zitat: In Serbien sowie im Kosovo befinden sich mehrere hunderttausend illegale Schusswaffen in Privatbesitz; die Hemmschwelle zu deren Einsatz ist vergleichsweise niedrig.
Das mit der niedrigen Hemmschwelle konnten wir nun bestätigen. Glücklicherweise befanden wir uns auf dem richtigen Pfad, und nach einer Weile ließen wir das Gestrüpp hinter uns und erreichten eine weit gestreckte Hochebene, die sich bis zum Horizont zog und auf der linken Seite von den hohen Berge der Vidlic-Kette und auf der rechten Seite von sanften Hügeln eingerahmt wurde. Geradezu stieße man nach ein paar Kilometern auf die bulgarische Grenze.

Schnurgerade verlief der Weg über die weite Wiese, und an zwei Stellen mussten Wasserstellen passiert werden. Nach längeren Regenfällen wäre es kaum möglich diese Stellen zu überqueren, doch bei diesem momentan trockenen Wetter stellten die Wassergräben keine größeren Schwierigkeiten dar. Ganz im Gegenteil, wir nutzten diese Möglichkeiten und reinigten unsere Räder, die vom lehmigen Schlamm komplett besudelt waren.

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Serbien

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