Die Suche nach dem slawischen Ringwall am düsteren Sumpf

Die Suche nach dem slawischen Ringwall am düsteren Sumpf

 
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Typisch Berliner. Ohne vorab die möglichen Busverbindungen nach Altlandsberg zu prüfen, ging es mit der U5 nach Hönow. Das Glück war mit jedoch hold. Der stündlich verkehrende Bus zum Marktplatz von Altlandsberg würde in 11 Minuten abfahren und in der verbleibenden Zeit wollte ich mir am U-Bahnhof Hönow noch einen Kaffee gönnen. Am asiatischen Imbiss erhielt ich schließlich einen Becher mit einem unglaublich heißen Getränk, das nur ganz entfernt nach gerösteter Kaffeebohne schmeckte und, weil es einfach nicht abkühlen wollte, am Ende in die Büsche gekippt werden musste.

Nicht meckern! Hinein in den spärlich besetzten Bus und ab ins kleine Städtchen Altlandsberg, das östlich von Berlin liegt und sich nach der Wende mächtig herausgeputzt hatte. Mit mir im Bus saßen zwei vor sich hin hustende Herrschaften und ein Mädchen. Ich stellte mir wieder die Frage, ob der Bus einfach so leer sei, weil niemand auf eine stündliche Verbindung setzen möchte oder weil schlichtweg in Brandenburg die Uhren anders ticken und der grundsätzliche Bedarf einfach nicht vorhanden ist. 

 

Die Sonne schien, der Goldene Oktober zeigte sich von seiner besten Seite, und ich freute mich auf mein Tagesziel. Endlich wollte ich meinen Plan in die Realität umsetzen und in einem Waldgebiet zwischen Altlandsberg und Bötzsee den einstigen slawischen Ringwall aufsuchen und dokumentieren. Bereits Anfang der 1980er Jahre fuhr ich als Kind dreimal in das ORWO-Betriebsferienlager „Helmut Just“ in Eggersdorf und spürte die ganze besondere Faszination, welche die dortige Umgebung ausstrahlt. Die täglichen Ausflüge zum nahen Bötzsee und die Nachtwanderungen durch die Wälder zogen mich in ihren Bann. Bis heute gehört die dortige Gegend neben der Märkischen Schweiz, dem Briesetal und dem Oderbruch zu meinen Lieblingsregionen in heimischen Gefilden.

 

Wohl denn, bei herrlichem Sonnenschein wanderte ich vom Schlossgut Altlandsberg aus in Richtung Osten und bog dann auf einen Feldweg in nordöstlicher Richtung ab. Vorbei am Reiterhof Waldkante ging es zum Waldgebiet, das sich bis zum Bötzsee erstreckt. Ich prüfte meine Position und befand mich schon bald südlich des Luchs / Sumpfgebietes, an dessen Rande sich der slawische Ringwall befinden soll.

 

Von südlicher Richtung aus war ein Herankommen jedoch aufgrund der landschaftlichen Beschaffenheit nicht machbar. Es musste ein Bogen geschlagen werden, und einem Stichweg folgend erreichte ich schon bald einen herrlich herbstlich gefärbten Buchenwald und das besuchte Luch / Sumpfgebiet. Welch eine Stille! Welch eine Einsamkeit. Ehrfurchtsvoll folgte ich einem schmalen Wild- / Trampelpfad, bis ich schließlich den gegenüberliegenden Laubwald erreichte. Voilà! Unverkennbar zog sich ein großer Erdring durch den herbstlichen Wald. Ich lief diesen ein paar Meter ab und hielt dann erst einmal inne. Die spürbare Energie war überwältigend.

 

Kamen anfangs noch ein wenig Furcht und Beklemmung auf, so wurde das Gefühl von Minute zu Minute angenehmer. Zwar würde ich dort im Dunkeln nicht unbedingt zelten wollen, doch fühlte sich das Ganze bei Sonnenschein durchaus positiv und wohlwollend an. Der Durchmesser dieses Rings beträgt rund 60 Meter, und der umlaufende Wall hat eine Höhe von zirka zwei Metern. Vermutet wird, dass es sich hierbei um eine slawische Ringburg aus dem 8. oder 9. Jahrhundert handelt, doch wurde das Areal noch nicht großartig erforscht. Gefunden wurden bis dato nur unverzierte Scherben, die an der Oberfläche zu finden waren. Grabungen fanden, soweit bekannt, noch nicht statt. 

 

Insgesamt sind aktuell in Europa rund 3.000 slawische Burg- / Ringwälle erfasst, davon befinden sich rund 2.000 in Polen und rund 700 in Deutschland. Meist sind diese östlich der Elbe-Saale-Linie (Germania Slavica) zu finden, 300 weitere liegen in Böhmen, Mähren und der Slowakei. Einer der bekanntesten slawischen Burgwälle war im heutigen Berlin Köpenick (Copnic) zu finden. Bekannt sind zudem in Brandenburg unter anderen der Burgwall Altfriesack, der Burgwall Riewind, die Slawenburg Tornow und die Slawenburg Raddusch. Der Burgwall in den düsteren Wäldern nahe Altlandsberg geriet indes weitgehend in Vergessenheit.

 

Umso beeindruckender war es, dort mutterseelenallein zu verharren, die Waldluft tief einzuatmen und den Gedanken freien Lauf zu lassen. Wie mag es hier vor 1.200 Jahren wohl ausgesehen haben? Wie haben die Menschen gelebt? Wurde die Anlage erobert oder freiwillig aufgegeben? Wieder einmal zeigte sich, wie tief verwurzelt ich mich in das östliche Brandenburg fühle. Neben der Ostseeküste (Region Rügen) und Niederschlesien (Region Jelenia Góra und Cieplice) gehört diese Gegend zu den Orten, die mich spirituell und mental am stärksten beeinflussen und mir einfach gut tun.

 

Es wird schon was dran sein, dass man - wenn man die Fühler sensibilisiert - spürt, wo die Vorfahren herkamen. Wie meinte einmal vor 15 Jahren eine Dame bei einem Casting für eine große Kinoproduktion zu mir? „Für Sie habe ich eine kleine Nebenrolle. Ihre slawischen Gesichtszüge passen perfekt und haben Wiedererkennungswert…“ Slawisch? Ich war überrascht und fragte die Frau beim Casting, woher sie das wissen wolle. „Ich habe Anthropologie studiert…“ Worte, die sich bei mir eingebrannt und ein neues Bewusstsein geöffnet haben.

Fotos: Marco Bertram

Eine kurze Doku von der Ringwall-Suche auf unserem YouTube-Kanal:

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  • Brandenburg

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