Der Tod als ständiger Begleiter beim Waldspaziergang – die Gräber von Zakrzewo

Der Tod als ständiger Begleiter beim Waldspaziergang – die Gräber von Zakrzewo

 
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Der heutige Feiertag (3. Heilige Könige) hatte so ziemlich nichts am Veranstaltungen im Angebot. Ein Orszak-Umzug hätte noch in Luboń stattgefunden, doch wäre das nichts Neues für mich gewesen. Orszak nennt sich hier das religiöse Schauspiel, bei welchem die drei Könige begleitet von allerhand Spektakel durch die Stadt ziehen. 2020 machte ich die Veranstaltung mal in Poznań mit und war ziemlich überrascht, da diese eine immens große Masse an Zuschauern anzog und die Innenstadt um den Marktplatz herum komplett lahmlegte. Eine absolute Empfehlung, wenn man mal die Gelegenheit hat. Aber einmal reicht.

Also, was nun mit dem freien Tag machen? Die sportliche Neujahrsbetätigung musste ich dieses Jahr aus organisatorischen Gründen streichen, was nun endlich nachgeholt werden sollte. Eine kleine Wanderung durch den Wald von Zakrzewo mit ein paar Stationen legte ich dann für mich fest. Ich nenne den Wald jetzt der Einfachheit halber so, eigentlich kommen in der Bezeichnung mit Dąbrówka und Palędzie noch zwei weitere Orte dazu. Doch noch bekannter ist die Bezeichnung „Gräber von Zakrzewo“, welche heute mit auf der Liste standen sowie die Hauländerwiese.

Durch den Wald führen irre viele Wege, die ziemlich gut frequentiert sind. Es gab wärend der ganzen fünf Stunden, die ich hier verbrachte, nicht mal fünf zusammenhängende Minuten, in denen ich nicht auf Spaziergänger mit und ohne Hunden, Nordic-Walking-Freunden und Läufern traf. Den Vogel schoss ein Typ ab, der einen Backpacker-Rucksack mit Schlafsack trug. Hier übernachten? Die um das Waldgebiet herum parkenden Autos trugen eigentlich alle Kennzeichen aus Poznań. Es ist somit ein eher regionaler Hotspot.

Nach den ersten zwei Kilometern in diesem nicht so dicht bewachsenen Mischwald stieß ich auf den ersten Gedenkstein. Zwischen 1939 und 1943 wurden im Zusammenhang mit dem Einfall von Hitlers Truppen in Polen viele Einheimische hier exekutiert bzw. nach den Exekutionen, die u.a. in den alten preußischen Festungen durchgeführt wurden, hierher gebracht und in mindestens drei Massengräbern verscharrt. In den letzten Kriegstagen wurden sie laut eines Interviews mit einem Zeitzeugen, welches in einer regionalen Zeitung publiziert wurde, wieder geöffnet. Die Leichen wurden mit einer Flüssigkeit übergossen und angezündet. Die Stämme der umliegenden Bäume färbten sich dadurch dunkel. Die Reste gingen in die Gruben zurück und man setzte junge Bäume darauf. Durch das Absacken dieser Stellen und durch Hinweise aus der Bevölkerung wurden drei Stellen identifiziert und etwas näher untersucht. Ob es noch weitere Gräberfelder gibt, weiß niemand mehr. Man kann aber wohl davon ausgehen, weshalb ich – umschrieben ausgedrückt - hier absolut keine Lust hätte, Pilze zu suchen.

Das erste Massengrab lag dann vor mir. Eine Schule in der Umgebung (Lindgren-Schule) kümmert sich um die Grabstelle von den hier verscharrten Überresten von Priestern. Ca. 15 Minuten später treffe ich auf das größte der Felder. Hier liegen u.a. auch Aufständische aus dem Großpolenaufstand, deren Namen extra zuvor ermittelt wurden, unschuldige Pfadfinder und auch viele Zivilisten aus der Umgebung. Dieses und das vorherige Grab wurden relativ schlicht gehalten. Man sieht Einfassungen und Kreuze. Eine Wand dient als Symbol.

Über einige der kleinen Wege bin ich nun kurz vor der Hauländer-Wiese angelangt. Auf den alten preußischen Landesaufnahmen ist dieser Flurname eingetragen, der sich auf die deutschen Siedler bezieht. Bismarck hat wohl den Umzug hierher etwas vorangetrieben. Relativ wenig ist über das Leben dieser Leute bekannt. Das Relief weist Merkmale von ausgetrockneten Sümpfen auf. Ich vermute, dass die Siedler damit beschäftigt waren, die Gegend urbar zu machen. Also mehr als eine kleine nette Wiese war da jedenfalls nicht mehr zu sehen. Das GPS-Gerät führte mich zu einem der beiden Forthäuser. 

Bei meinem gab es einen Rastplatz. Die Mittagszeit rief. Im Gepäck hatte ich 500 ml Wasser und zwei Tüten Kürbiskerne, aber mehr als eine schaffte ich nicht. Schon davon hatte ich nach den ersten drei Händen genug. Am Vorabend kaufte ich meine Sachen in einem kleinen familiären Supermarkt. Die Kassiererin war amüsiert über das Essverhalten des Helmuts. Vor und hinter mir Chips, Alkohol und Süßkram. Dazwischen der Deutsche mit zwei Karotten und den bereits genannten Artikeln.

Die Koordinaten der letzten Grabstätte hatte ich nicht, weshalb ich nach Gefühl und den spärlichen Markierungen lief. Mit Wanderwegmarkierungen geizen die Polen ziemlich stark. Das ist nicht das erste Mal, dass mir das auffällt. Das letzte bekannte Grab ist das Massengrab der Medizinstudenten der Uni in Poznań. Zur Anlage gehört ein Denkmal, das schon aus weiter Entfernung zwischen den Bäumen sichtbar wird. Bei diesem Hintergrund und dann in dieser weißen Gestaltung dürfte es in der Dämmerung ziemlich gespenstisch erscheinen. Unterschiedliche Motive und Worte von Władysław Bronewski zieren es. Bronewski war u.a. Autor patriotischer lyrischer Werke. Ein Satz bezieht sich dort direkt auf die Exekutionen. Man soll den Mördern mit erhobenem Haupt und kühnem Blick noch in den letzten Sekunden des Lebens Furcht einflößen. Schätzungsweise insgesamt 6000 Menschen fanden so ein äußerst abscheulichen Tod.

Über Zakrzewo ging es dann zurück. Hier gibt es eine ehemals evangelische deutsche Kirche im neugotischen Stil. Der Pastor präsentierte mir mal stolz einen signierten Mauerstein in einer Wand, der das Jahr der Errichtung trug. Als ich dann meinen Ausgangspunkt wieder erreichte zeigte das GPS-Gerät knapp 22 km an. Passt schon für den Jahresauftakt. 

Fotos: Michael

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