Augen auf! Der Zauberstein von Wrząca bei Turek

Augen auf! Der Zauberstein von Wrząca bei Turek

 
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Von der Stadt Turek – irgendwo zwischen Konin und Kalisz - dürften eigentlich doch recht wenige gehört haben. Wer sich schon etwas länger für den Fußball in Polen interessiert, dem mag vielleicht MKS Tur Turek ein Begriff sein. Aber ich muss schon sagen, dass die waldreiche Gegend einige nette Ecken bieten kann. Das i-Tüpfelchen bildet ja dann meistens auch noch das Wetter. Ein schönes Wetterchen hatte ich mir da an dem Tag ausgesucht! Ziel der Übung war es, im dichten Nebel einen wundersamen Stein zu finden. So unbekannt ist der eigentlich nicht, und die genaue Beschreibung seiner Lage machte mir ein Identifizieren des Standortes gar nicht so schwer. Wesentlich ungünstiger waren die Temperaturen, die miserable Sicht und eventuelle glatte Straßenabschnitte. 

Klar, mag ich es, wenn ich erst etwas suchen und wandern muss, aber hier ging das so gut wie gar nicht. An einem Wochenende fährt hier nichts, ich müsste mich schon irgendwie bis Turek durchkämpfen und dann über die Landstraße spazieren. Bei dem Wetter ist es noch gefährlicher als es ohnehin schon ist. Also wurde das Auto dort, wo es möglich war, im Dorf abgestellt. So groß ist die Auswahl da nicht in Wrząca. Ohne GPS-Gerät wäre ich eventuell etwas aufgeschmissen gewesen, wenn ich mich nur schlampig vorbereitet hätte, da die Nebelsuppe schon recht ordentlich war. Eine gigantische weiße Bank, wohin die Augen blicken konnten. Die ganze Atmosphäre hielt übrigens drei Tage an. Innerhalb von 40 Minuten war über das Wochenende alles unter einem Schleier. Das Interesse an diesem Stein liegt in seiner Form bedingt. Man nennt diese Gebilde Näpchensteine oder Schalensteine. Erst später hatte ich gelesen, dass der nächstgelegene Stein bei Frankfurt/O. liegt. 

Ich hatte nie zuvor davon gehört. Solche spannenden Sachen der Regionalgeschichte hat man uns im Studium vorenthalten, obwohl es doch eigentlich wahnsinnig interessant ist zu wissen, woher man kommt. Oder anders ausgedrückt: Ein wenig über die Geschichte der Heimat zu erfahren, wäre nicht so schlecht gewesen. Die Ur- und Frühgeschichte finde ich persönlich spannender als so manch anderes Thema. Jedenfalls ranken sich um diesen Stein nette Erzählungen. Ich beginne mal bei den Abmaßen des Kolosses aus Quarz. Das Teil hat einen Umfang von ganzen 8 m, ist 3 m lang und 2 m breit. Er schaut einen guten Meter aus der Erde, ein halber Meter steckt noch in der Erde. Das markante an ihm sind die „Wanne“ und ein „Kesselchen“. Die längliche Vertiefung ist einen knappen Meter lang, an der breitesten Stelle 40 cm breit (zum Ende hin spitzer zulaufend), nach unten hin sind es 18 cm. Da muss einer mal vor vielen tausend Jahren ordentlich gemeißelt haben. Weil er scheinbar nicht genug hatte, zauberte der Künstler noch ein kleines Loch daneben, dass Kesselchen oder Kochtopf genannt wird.

Viele Jahre hat dieser Stein so dahergelebt, wurde Zeuge von Kriegen, Naturkatastrophen und wüsste bestimmt noch manch andere coole Insider-Geschichten. Ebenso hat er die Christianisierung überstanden und die Zeit der Steineklopfer. Da sich in der unmittelbaren Umgebung ein frühgeschichtlicher Friedhof befindet, ist anzunehmen, dass dieser Stein ein Opferstein war. Was hier an wen geopfert wurde, weiß der Kerl leider nur selbst. Auch żber die Ląnge des Bartes seines Druiden wissen wir nichts. Da er sehr schweigsam ist, wird er uns nichts weiter erzählen. Ebenso fand man in der Umgebung zwei kleinere Steine, die auch behauen waren – zwei Steine mit menschlichen Konturen. Solche natürlichen Gebilde und andere Götzen-Darstellungen hatten es natürlich mit der Christianisierung nicht leicht. Auf Arkona wurde die Swantewit-Statue zerlegt, und hier war glücklicherweise der Schutzpatron eine Geschichte von der Mutter Maria, die in dieser Wanne auf der Flucht aus Ägypten das Jesuskind darin gebadet hat. Jährlich findet an diesem Stein daher auch eine Messe statt (8. September). Häufig sind kultische Nachnutzungen ehemaliger heiliger heidnischer Stätten bekannt. 

Dennoch ist die Geschichte mit der Wanne interessant. Es wird erzählt, dass ein Waschen der Augen mit dem Wasser Blinden das Augenlicht wiedergibt. Der Stein verlor dabei nie sein Wasser. Doch an einem Tag wusch ein Hirte seinem Hund die Augen mit dem Wasser. Er wollte natürlich dann die Wanne wieder putzen. Die Zauberkraft soll mit diesem Tag erloschen sein. Ich konnte es leider nicht testen, da das Wasser in der Wanne gefroren war. Dennoch hat der Stein für die Region eine immense Bedeutung ein großes Ansehen. Ein Steineklopfer wurde im 19. Jahrhundert beauftragt, den Brocken klein zu machen. Er weigerte sich, da er meinte, es würde ein Unheil über das Land hereinbrechen. So liegt er bis heute in dieser Form da.        

Fotos: Michael

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