Der Blick schweifte immer wieder über die Wanderkarte und blieb an Stobber und Rotes Luch hängen. Ich mag vielleicht zehn gewesen sein, als ich immer wieder die Karte von der Märkischen Schweiz studiert hatte. Wolfsschlucht, Dachsberg, Teufelsstein, Stobber und Rotes Luch - geheimnisvoller mochten Namen wohl kaum klingen. Im Geiste sah ich Germanen und Slawen durch die hügelige Landschaft streifen, auf der Suche nach Beute. Es war noch in den 70ern, als meine Eltern das erste Mal mit mir nach Buckow fuhren. Ich muss zirka fünf gewesen sein. Mit der S-Bahn ging es bis Strausberg, und von dort aus ging es mit einem dunkelgrünen Bummelzug der Deutschen Reichsbahn weiter. Die Sitzbänke und Gepäckablagen hatten sich eingeprägt. Genauso wie die Kleinbahn, die uns dann von Müncheberg nach Buckow brachte. Ähnlich wie bei der Woltersdorfer Straßenbahn beeindruckten mich als Kind die geschwungenen Bügel der Oberspannungsmasten, die mich an Peitschen erinnerten.
Märkischer Gebirgsnebel und geheimnisvolles Stobbertal
40 Jahre später ging es am vergangenen Wochenende wieder einmal von Berlin aus in die Märkische Schweiz. Eigentlich war ein Ausflug mit den beiden Söhnen (vier und zehn) geplant, doch nach einer spontanen Planänderung wurde es nun eine allein geführte Wanderung. Ich staunte nicht schlecht, als ich kurz vor Müncheberg aus dem Fenster schaute und feststellen durfte, dass mit einem Mal dichter Nebel über den hügeligen Wiesen lag. Während in Berlin die Sonne schien, war es beim Aussteigen in Müncheberg gefühlt zehn Grad kälter, was auch an der hohen Luftfeuchtigkeit lag.
Ich zog den Reißverschluss der Jacke hoch und war heilfroh, eine warme Mütze dabei gehabt zu haben. Ein Blick auf die Uhr: Mir blieben rund fünf Stunden, bis es dämmerig werden würde. Ich ging keine Experimente ein, sondern wählte eine einfache Route. Rund 30 Kilometer sollten es werden. Von Müncheberg nach Dahmsdorf, dann weiter an Münchehofe vorbei zur Eichendorfer Mühle, und von dort aus weiter nach Buckow und abschließend über Waldsieversdorf zurück nach Müncheberg.
Herrlich! Beim Blick auf die nebelige Landschaft kam ich mir vor wie im Mittelgebirge. Ich fühlte mich wie in den schottischen Highlands oder im Riesengebirge. Bis zur Eichendorfer Mühle war ich völlig allein unterwegs und begegnete quasi niemanden. Erst an der Eichendorfer Mühle, deren Wurzeln zurück gehen bis ins 13. Jahrhundert, traf ich andere Wanderer und Radfahrer. Von nun an ging es weiter durch das Stobbertal.
Erstmals erwähnt wurde der Fluss im Jahre 1245 als fluuium qui Stoborov nuncupatur, der Name stammt vermutlich aus der Polabischen Sprache (westslawische Sprachen im heutigen Nordostdeutschland und Nordwestpolen). Da der Stobber (Stöbber) ein starkes Gefälle (43 Meter Höhenunterschied) hat, wurden einst im Mittelalter zahlreiche Wassermühlen errichtet. Einzig erhalten ist jedoch nur noch die Eichendorfer Mühle, deren jetzige Gebäude teils Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet wurden.
Vorbei an einer Weide, auf der schottische Rinder grasten, und prachtvollen Herbstwäldern ging es flotten Schrittes nach Buckow, wo im Stadtkern die eine oder andere Versorgungsmöglichkeit auf den hungrigen Wandersmann wartete. Üppig war die Auswahl aufgrund der massiven Corona-Einschränkungen zwar nicht, doch am Ende begnügte ich mich so oder so mit einem Becher Glühwein und einem Stück Mohnkuchen. Eine ganze Pizza auf die Hand oder gar ein ganzes Menü in einer Styroporschale waren mir dann doch nix. Viel Zeit blieb eh nicht.
Vorbei am Bahnhof der Buckower Kleinbahn, die gerade den Winterschlaf hält, ging es den schmalen Asphaltweg zurück nach Müncheberg, wo sich auf dem dortigen Bahnhof überraschend viele Leute eingefunden hatten. Mit Fahrrad, Kind und Kegel wollten nun alle in der Dämmerung zurück nach Berlin. Demzufolge war auch das Gedränge im Zug der NEB recht grenzwertig. Aber wat willste machen. Berlin rief, und niemand wollte noch ein Stündchen auf dem nasskalten Müncheberger Bahnhof ausharren…
Fotos: Marco Bertram
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