Das Musterdorf Golęczewo wurde gemustert

Das Musterdorf Golęczewo wurde gemustert

 
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Mittlerweile ist mein „Poznan-und-Umgebung-Reiseführer“ im Nirwana verschwunden. Im Prinzip hatte ich eh schon alles nach japanischer Art abgehakt, nur eine Sache fehlte da noch. Dort wurde ein Dorf erwähnt, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Der Reiseführer versprach mir damals den Anblick preußischer Fachwerkkunst. Die wohl bekannteste Suchmaschine und meine Sprachkenntnisse brachten mich auch ziemlich schnell auf den Namen des Ortes. Golęczewo (einst „Golenhofen“) – die große Unbekannte! Ein Blick auf die Karte, ein Blick auf die Uhr. Heute eher nicht... 

Dann im Auto. Ok, machen wa! Der Herbst verkürzt ja mittlerweite den Tag ungemein, sodass Freizeitaktivitäten unter freiem Himmel eher auf das Wochenende verschoben werden müssen. Für das kleine Örtchen nördlich von Poznań sollte das Tageslicht noch so einigermaßen ausreichen, obwohl wir das über den ganzen Tag hinweg im Prinzip nie sahen. Dafür leuchtete das städtische Stadion umso mehr, erst recht am vergangenen Sonntag, als Lech eine große Choreo zeigte.

 

Golęczewo liegt dann linker Hand an der S11 nach Piła. Man verlässt die große Umgehungsstraße der Hauptstadt von Wielkopolskie und muss gut aufpassen, dass man die kleine Kreuzung nicht verpasst. Alsbald passieren historisch Interessierte den restaurierten Bahnhof. Da war ich gespannt, was da noch kommen sollte! Im Prinzip: Alles, was interessant ist, befindet sich im Zentrum des 1000-Seelen-Dorfes. Die Info-Quellen für Touristen sprachen von einen Musterdorf preußischer Zeit, veranlasst durch Wilhelm II., das man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn man hier ist! An Alt-Rehse als Musterdorf kommt das Dorf absolut nicht heran, obwohl einst jedes Haus einen Spruch trug wie z.B. „Eine Kuh, Gutes frisst/Gibt gute Milch und guten Mist.“. 

 

Es wirkt hier alles irgendwie etwas ungepflegt. Wahrscheinlich wird es früher mal prächtig ausgesehen haben. Die Uni Heidelberg bietet in ihrem Bestand ein nettes Werk über dieses Dörfchen an, sodass man sich sein eigenes Bild machen kann. 1901 wurde das Land einem Polen abgekauft und sogleich der Bauplan umgesetzt. Ca. 40 Siedler-Familien sollten hier angesiedelt werden – u.a. Badenser, Schlesier, Brandenburger. Deutsche, deren Vorfahren einst durch Alexander I. für die Besiedlung des Schwarzmeerraums angeworben wurden und nun aus Russland zurückkehrten, waren ebenso dabei. Sogar ein Ungar ließ sich hier nieder. 

Neben der Einheitsfärbung Schwarz-Weiß-Rot (rotes Dach, weiß-schwarze Wände) durfte jeder Siedler seinem Grundstück seinen persönlichen Touch geben. Viel Spanndes findet man auf den ersten Blick nicht mehr. Das Aussehen der Schule kann man nur noch erahnen. Der Ortsmittelpunkt, ein hübsch verzierter Brunnen, fehlt schon komplett. Die Atmosphäre ist allerdings dennoch ziemlich idyllisch. Auf dem Weg zum lokalen Sportplatz passierten wir das kleine lokale Badehaus, in dem ebenso gebacken und geräuchert wurde. Lange diente es auch der Feuerwehr. Der Sportplatz befindet sich übrigens durch ein Maisfeld und den alten evangelischen Friedhof eingekeilt. 

 

Das schönste Haus des Ortes bleibt die alte Kneipe bzw. Hotel (1902 errichtet und mit Blumenmuster verziert). Heute ist es ein Tante-Emma-Laden, der mir zwar eigentlich alles anbot, nur kein Brot. Immerhin ein kostenloses Regionalblatt nahm ich als Souvenier mit. Ein zweites Mal wird es mich wohl nicht mehr hierher verschlagen. Man muss halt wissen, was das hier mal war, um zu verstehen, warum das Dörflein noch in Reiseführern auftaucht, sonst kann man kaum etwas hiermit anfangen. Nett ist es dennoch hier.

Fotos: Michael

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