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Eisvögel und stumme Zeugen - Wandern durch Polen an Allerheiligen

 
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Die letzten Oktobertage meinten es noch einmal wetterlich gut. Es war zwar schon ziemlich frostig, was die Sonne allerdings nicht davon abhielt, kräftig sonnenblumengelb zu scheinen. Alles schien für einen kleinen Wanderausflug angerichtet zu sein. Als Ziel hatte ich mir für den letzten Tag des Monats das Gebiet um ślesin ausgewählt, das mit einem Kanalsystem, einer hügeligen Landschaft und viel Wald geradezu zu einem Streifzug einlädt. Nebenbei kann man noch ein paar historische Relikte finden.

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Meine Kamera war eingepackt, das GPS-Gerät mit frischen Batterien ausgestattet und die Armeestiefel geschnürt. Zur selben Zeit werden wohl in Berlin schon die Halloween-Randalierer ihre abendlichen Schandtaten vorbereitet haben. Das eigentliche Anliegen des Feiertags ist schon an vielen Orten fast vergessen. Mit Luther kann man hier in Polen allerdings auch wenig anfangen. Viel wichtiger ist hier der 1. November, Allerheiligen. Bereits beim Durchqueren des Ortes ślesin (nördlich von Konin) wurde das mehr als deutlich, denn es gab eine Umleitung um den Friedhof herum. 

Das war aber nichts im Vergleich zu dem, was mich am Folgetag erwarten sollte. Bis zum 1. November werden die Gräber geputzt und eben an diesem Tag wird dann kräftig gebetet und den Seelen per Lichtermeer das ewige Licht geleuchtet. Alles ist auf den Beinen, es fahren Sonderbusse und in Städten muss die Polizei den Verkehr wie nach einem Bundesligaspiel regeln. Vor dem Trubel flüchtete ich mich dann doch lieber in den Wald. Das Auto blieb auf dem letzten öffentlichen Parkplatz stehen und dann konnte es endlich losgehen. Die Sonnenstrahlen gaben den mittlerweile tristen Herbstblättern wieder etwas mehr Wonne. 

Alsbald erreichte ich eine der Überquerungen über einen der Seen oder Kanäle des Gewässersystems zwischen dem sagenumwobenen Kruszwica und der Kreisstadt Konin. Diesen Wasserweg schützten sieben Bunker, die im September 1939 noch schnell errichtet wurden, bevor das Reich die Gegend okkupierte. Alle befinden sich nördlich von ślesin. Sechs von sieben sind baugleich und boten Platz für drei Soldaten. Man kann nicht sagen, dass ihr Lokalisieren eine unüberwindbare Hürde darstellt. Durch die Abgeschiedenheit blieben sie allerdings bisher vom Vandalismus verschont. Der Anblick des ersten war noch spannend, dann wurde einer nach dem anderen wie die zahlreichen Berliner unausgebauten Kunstrasenplätze abgehakt. 

Wesentlich interessanter war das Beobachten der gefiederten Freunde. Kormorane, Möwen und Eichelhäher fingen Fische oder beobachteten einfach nur die Umgebung. Und plötzlich war er da. Ein blauer Blitz schnellte über das Wasser. Die Kamera konnte bei dem Wettlauf wahrlich nicht mithalten. Das strahlend blaue Funkeln auf dem Wasser hatte ein Eisvogel zu verantworten. Wie oft kam schon Weihnachten, um es einfach regungslos hinzunehmen? Hier war es die erste Sichtung des schönen Vogels. Ziemlich aufgeregt wurde nun in die Tasten des Handys gehauen, das an dieser Stelle mal geradeso wieder Signal hatte. Ähnliche Freudensprünge löste neulich eine sich über den Weg schlängelnde Kreuzotter aus. Die hätte zu Halloween besser gepasst als der Vogel.

Die Landschaft ging nun langsam in eine Heidelandschaft über zwischen den Hügeln und Bäumchen zeigte sich dann auch der letzte Bunker des Tages. Der Sonne entgegen ging es nun zurück zum Auto. Hier und mal da wurden noch ein paar Herbstimpressionen eingefangen, ehe sich auf den nächsten Tag vorbereitet wurde.

An diesem stand dann wirklich der Feiertag im Vordergrund. Noch nie kam ich bisher in den Kontakt mit dem Totenfest. Ganz Polen soll im Ausnahmezustand sein, wurde mir mal berichtet. Und wirklich die Schnellstraße die am Friedhof vorbeiführt war nahezu zugeparkt, sodass man nur im Schritttempo vorankam. Wesentlich ruhiger war es auf dem Friedhof für die deutschen Gefallenen des Ersten Weltkriegs und für die Toten der Cholera-Epidemie von ca. 1850. Ein paar Kerzen flackerten ungestört vor sich hin. Die Polizei koordinierte derweil fleißig das Gebiet um die „aktiven“ Friedhöfe und sperrte ganze Straßen. Der Trubel zog sich bis in die späten Abendstunden und ebbte dann im Laufe des Sonntags erst so langsam ab. Somit hätten wir diese Bildungslücke auch geschlossen.  

Fotos: Michael

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Polen

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