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Urlaub in Äthiopien: Überladene Flugzeuge, Handy-Diebstahl, viele positive Überraschungen

 
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Da sich der Fußballbericht aus Äthiopien regem Interesse erfreuen durfte und auch zum Thema Reisen und Urlauben in dem ostafrikanischen Land einige Nachfragen kamen, gibt es außer der Norm noch ein paar Zeilen dazu. Wie bereits in der Einleitung des Fußballberichts angedeutet, gibt es bezüglich Äthiopien viele Punkte, die zu Beginn kein wirkliches Urteil über das Land bilden lassen. Viele Fakten sind positiv, z.B. das Wirtschaftswachstum, der generelle Aufschwung, die Anzahl der Weltkulturerbe, aber genauso viele wirken doch recht negativ, z.B. Demokratieindex, extreme Armut außerhalb der Hauptstadt, Analphabetismus etc. 

Ich habe in meiner kurzen Zeit in Äthiopien sicherlich keinen Generaleindruck erhalten, aber was ich erlebt habe, möchte ich gern mit euch teilen. Vielleicht macht es den ein oder anderen ja neugierig auf dieses Land.

Ich hatte die Ehre sehr früh am Morgen in Addis Abeba zu landen, sodass ich mich zu ein paar romantischen Stunden am Flughafen entschied. Der Flughafen wirkte recht überschaubar, die Ankunftshalle wirkte einfach nur leer. Kaum Geschäfte, kaum Mobiliar, alles irgendwie verlassen. Was mir auffiel, waren Unmengen an Gepäck, aber keinerlei Menschenmassen. Die Auflösung erhielt ich einige Tage später, denn viele Airlines kommen bei den Reiseutensilien der Leute an ihre Kapazitätsgrenzen, sodass es z.B. bei Turkish Airlines zu einem Verzug der Gepäckanlieferungen kommt. Übersetzt heißt das soviel wie, es kann sein, man erhält sein Gepäck erst am Folgetag. Wer schon einmal Afrikaner hat reisen sehen, der weiß warum. Kistenweise Lebensmittel, Fernsehgeräte und sonstiges sperriges Gepäck wird als Gepäck aufgegeben. 

Dass es hierbei zu Überladungen kommt, wundert daher nicht. Ich hatte aber Glück, mein Gepäck wurde von der Egypt Air Maschine tatsächlich ausgespuckt. Ist für die Betroffenen natürlich nicht so optimal, da viele doch direkt die Weiterreise wählen und man erneut zum Flughafen fahren darf. Etwa 250 Birr kostet die einfache Fahrt zum Flughafen, je nach Verhandlungsgeschick. Dass der Flughafen etwas leer und armselig wirkte, wird allerdings an den Umbaumaßnahmen liegen. Aktuell dient der Flughafen jährlich für 9 Millionen Passagiere als End- oder Transitziel. Das Ziel Äthiopiens ist es, dieses Volumen auf 22 Millionen anzuheben. Man sieht also schon am Flughafen, dass sich im Land etwas tut.

Für mich ging es dann zu Fuß zu meiner nur 3,5km vom Flughafen gelegenen Erstunterkunft. Etwa einen Kilometer vom Flughafen entfernt, wandelte sich die asphaltierte Straße zu einer holperigen Staubpiste. Der morgendliche Spaziergang mit vollem Gepäck, sorgte bei einigen Einheimischen für erstaunte Blicke. In Äthiopien war an diesem Tag Weihnachten. Überall standen die Leute bereits früh an den Straßen und bereiteten ihr Weihnachtsessen vor. Insbesondere Ziegen standen auf dem Speiseplan, welche direkt am Straßenrand fachgerecht zerlegt wurden. Die netten Angebote über rohes Ziegen- und Rinderfleisch und Gin lehnte ich 8 Uhr morgens allerdings ab. 

Meine Unterkunft war recht schlicht und verkehrstechnisch eher ungünstig im Stadtteil Bole gelegen. Sicher habe ich mich in der völlig untouristischen Ecke der Stadt dennoch gefühlt. Dieses Gefühl sollte sich allerdings schnell ändern. Was mir in all den Jahren des Reisens nie widerfuhr, sollte nun also im Zentrum von Addis Abeba Realität werden. Ich wurde Opfer von Taschendieben. Und ich habe nichts gemerkt, bis ich mein Handy vergeblich in meinen Taschen suchte. Zwei Einheimische näherten sich mir recht freundlich, wie man es oft im Ausland erlebt. Ich witterte hier nicht gleich eine dreiste Masche zum Diebstahl. Wobei mir das über die Hand gelegte Kleidungsstück schon etwas komisch vorkam. 

Plötzlich griff mich einer der beiden am Arm und rief „I am hungry, give me some money“. Reflexartig will man sich aus diesem Griff natürlich befreien und schon war die Aufmerksamkeit nur bei ihm. Das nutze der zweite im Bunde um meine Tasche zu öffnen und mein Handy herauszuziehen. Ich dachte mir noch, auf welchen Drogen die beiden wohl waren, aber letztlich war es nur ein sehr überraschender Trick. Nun war mein Vertrauen in das äthiopische Volk leider sehr angekratzt. Auch wenn man es nicht will, aber mein Vertrauen war nun vorerst hinüber und ich witterte in jedem einen Dieb. Wie sich herausstellen sollte, auch nicht ganz zu Unrecht. Denn exakt der gleiche Trick wurde zwei weitere Male versucht, allerdings war ich natürlich vorgewarnt und erkannte die Absicht nun schon von weitem. Ein Gegenstand über die Hand gelegt, mindestens 2 Personen und schon schrillten die Alarmglocken. Im Zentrum muss man wirklich sehr auf seine Sachen aufpassen. Andere Reisende, die ich in den Tagen traf, hatten oft ähnliche Erfahrungen gemacht. Außerhalb des Zentrums war es hingegen recht entspannt, aber man sollte dennoch vorsichtig sein. 

Addis Abeba war für mich ansonsten eine echte Überraschung. Anders als in Ägypten herrschte hier ein regelrecht harmonischer und geordneter Straßenverkehr. Gehupt wird so gut wie gar nicht und auch das Überqueren einer Straße ist kein unkalkulierbarer Sprint ums Überleben. Die vor drei Jahren in Betrieb genommene Metro, ist eine absolute Bereicherung für den Öffentlichen Verkehr. 2-4 Birr (32 Birr = 1€) kostet eine Fahrt und ist damit unschlagbar günstig. Allerdings sollte man von diesem Fortbewegungsmittel Abstand nehmen, wenn man klaustrophobisch veranlagt ist. Insbesondere zu den Stoßzeiten kann man von einer entspannten Fahrt nur träumen. Sobald sich Türen öffnen, rennen die Menschen einfach in die Bahn. Da spielt es keine Rolle ob jemand hinaus will. Ein Ankämpfen gegen die Masse an Menschen ist fast aussichtslos. 

Letztlich klemmt man einfach in der Bahn. Bewegungen sind kaum möglich und an jeder weiteren Station versuchen weitere Menschen den Weg hinein zu finden. Es ist ein wahres Chaos und ein Wohlgefühl kommt in den Momenten sicherlich nicht auf. Aber es ist eben preiswert. Addis Abeba kann man sich schon einige Tage gönnen, ohne dass man sich langweilt, aber die ganz großen Highlights bietet es sicherlich nicht. Der Stadtberg ist einen Ausflug wert, vor allem unter Nutzung der öffentlichen Minibusse. Es gibt einige Museen, welche teilweise spartanisch wirken. Etwas aufregender ist der Besuch des großen Freiluftmarktes, der als größter Freiluftmarkt Afrikas gilt. Dort sieht echt verrückte Sachen und wird auch von den Locals interessiert beobachtet. Auf jeden Fall sollte man sich nicht zu schade sein mit den Einheimischen zu verhandeln, denn wie in vielen Gegenden, wird auch hier in Europäern der wandelnde Wohlstand vermutet, sodass man oft deutlich höhere Preise zu hören bekommt. 

Eine weitere Sache die sich in Äthiopien in den letzten Jahren gut entwickelt hat, ist der Tourismus an sich. Es gibt neben den wohl recht unbequemen Überlandbussen, sehr viele moderne Busse, welche nahezu alle größeren Städte mit touristischem Background ansteuern. Billig sind sie nicht, aber eben das bequemste Fortbewegungsmittel. Es werden auch nur so viele Plätze verkauft, wie es Sitzplätze gibt. Trotz des höheren Preises, nutzen auch viele Einheimische diesem Luxus, was dazu führt, dass man Tickets recht zeitig kaufen sollte. Insbesondere die Busse in den Norden können einige Tage komplett ausgebucht sein. In den Süden gestaltet es sich etwas einfacher. Am einfachsten kauft man die Tickets im City Center Gebäude unweit des Addis Abeba Stadiums. Dort tummeln sich nahezu alle Anbieter, sodass man gemütlich jedes Büro ansteuern kann. Die Preise unterscheiden sich allerdings nicht. 

Ein weiteres Highlight Äthiopiens ist definitiv das Essen. Das wohl berühmteste Essen ist das sogenannte Injera. Man kann es als saures Fladenbrot bezeichnen, welches fast zu allen Hauptgängen gegessen wird. Sehr gewöhnungsbedürftig, aber auch irgendwie lecker. Dazu isst man in der Regel „Wot“, was fleischhaltige oder auch vegetarische Saucen sind aus Linsen-, Bohnen, Erbsenbasis sind. Firfir ist ebenfalls ein spezieller Gang. Zerkleinertes, saures Fladenbrot mit recht würzigen Saucen in verschiedenen Varianten. Ich hatte Thunfisch und fand es ziemlich gut, wobei man den sauren Geschmack des Fladenbrotes vielleicht etwas satt bekommt.

Es gibt noch unzählige, weitere Gerichte, die ich als wirklich gut empfand, allerdings die Namen nicht mehr kenne. Die äthiopische Küche ist auf jeden Fall eine sehr vielseitige und interessante Küche, voller neuer Geschmackserlebnisse. Darüber hinaus gibt es unzählige westliche Gerichte wie Pizza, Sandwichs und Burger. Auch das Bierangebot kann sich sehen und schmecken lassen. Im Supermarkt etwa 10 Birr, Im Restaurant 15-20 Birr und in den Tanzlokalen der Jugend sogar nur 5 Birr für ein 0,33er Bier aus der Flasche oder vom Hahn. Auswahl hat man hier reichlich. Auch für Weinliebhaber, bietet Äthiopien einiges an Auswahl. Für Kaffeeliebhaber wird das Land ebenfalls ein Erlebnis. Der äthiopische Hochlandkaffee hat seine ganz spezielle Note und kann an jeder Ecke für günstige 5 – 8 Birr pro kleiner Tasse gekauft werden. 

Das wahre Äthiopien wird man allerdings nicht in Addis Abeba erleben. Da ich nicht so viel Zeit für Äthiopien eingeplant hatte, ging es für mich nur einige Tage nach Hawassa, 280km südlich der Hauptstadt. Gelegen am Hawassa Lake, mit einem kleinen Stadtberg, kann die wachsende Stadt mit einem herrlich entspannten Flair bestechen. Im Hawassa Lake soll es auch Nilpferde geben, welche ich allerdings nicht zu Gesicht bekam. Aber auch ein Spaziergang am See ist durchaus nett. Die gesamte Stadt kam mir vor wie eine große Bar. Überall hat man schicke, kleine Bars, die zum Bier oder Kaffee trinken einladen. Am Abend kann man auch den ein oder anderen Club ansteuern und wird auch diese Erfahrung nicht bereuen, was auch an den lustig anzuschauenden Tanzdarbietungen der Einheimischen liegt. Die Tage in Hawassa haben mir wirklich sehr gefallen.

Wer allein reist und Gesellschaft anderer Reisender nicht abgeneigt ist, dem empfehle ich das COT Addis Hostel. Sehr bequeme Betten, ein super Restaurant direkt eine Etage tiefer, in der Nähe einer Metrostation und sehr gut um mit anderen Reisenden ins Gespräch zu kommen. 

Letztlich bleibt nur zu sagen, dass Äthiopien nach dem recht schlechten Einstand mit dem Handydiebstahl, einiges wieder gut gemacht hat und ich mir durchaus einen weiteren Besuch vorstellen könnte. Aber dann mit Anti-Diebstahl-Ausrüstung! ;)

Fotos: Marcel Hartmann

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Äthiopien

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Klasse Artikel. Ein guter erster Eindruck vom Land
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zu flach
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Soll erst mal einer besser machen.
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