Rückschritt: Kirche und Bundesverfassungsgericht kippen Ladenöffnung

In Berlin dürfen ab kommendem Jahr an den vier Adventssonntagen die Geschäfte nicht mehr öffnen. Dies entschied heute das Bundesverfassungsgericht aufgrund einer Klage der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und dem Erzbistum Berlin. Diese beriefen sich auf den sogenannten Weimarer Kirchenartikel 139, der aus der Reichsverfassung von 1919 ins Grundgesetz übernommen worden war. Demnach sind Sonntage grundsätzlich Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung. Ob die Kirchen nun auch gegen die anderen Advent-Sonntagsarbeiter wie Rettungsdienste oder Fabrikarbeiter gesetzlich vorgehen, ist aber fraglich.

Ein letztes Mal und nur noch dreimal können sich die Kunden auf die Aktionstage und die beteiligten Unternehmen über die klingelnde Kasse freuen: Bislang konnten in Berlin an allen Adventssonntagen in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr die Geschäfte öffnen. Dazu an weiteren sechs Sonntag im Jahr. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wendeten sich die Kirchen gegen dieses Ladenöffnungs-Prinzip. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat nun entschieden, dass die Regelung zur Ladenöffnungsmöglichkeit an allen  vier Adventssonntagen (§ 3 Abs. 1 Alternative 2 BerlLadÖffG) mit Art. 4  Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 140 GG und Art. 139 der  Weimarer Reichsverfassung (WRV) unvereinbar ist.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die  Verfassungsbeschwerden für zulässig gehalten, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung in ihrem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1  und 2 GG jedenfalls in Verbindung mit der objektivrechtlichen Sonn- und  Feiertagsgarantie hinreichend dargetan hatten. So unterschreite die voraussetzungslose siebenstündige Öffnung an allen vier Adventssonntagen ohne hinreichend gewichtige Gründe das  verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß des Sonntagsschutzes.

Nach Angabe des Bundesverfassungsgerichts fördere und schütze die Sonn- und Feiertagsgarantie nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit. Die Gewährleistung der Arbeitsruhe sichere eine wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten des Menschen und  zugleich für ein soziales Zusammenleben und sei damit auch Garant für  die Wahrnehmung von anderen Grundrechten, die der Persönlichkeitsentfaltung diene. So komme die Sonn- und Feiertagsgarantie etwa dem Schutz von Ehe und Familie ebenso zugute wie  der Erholung und Erhaltung der Gesundheit. Dies sei ein verfassungsverankertes Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung.

Und so genüge ein wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar  verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer  Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen. Darüber hinaus müssten Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen  Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen.

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