Die Direktvermarkter rieben sich schon die Hände: Dank grandioser Fehleinschätzungen von Politikern aus den Regierungsparteien (CDU, CSU und FDP) wurde das so genannte und neu formierte „Meldegesetz“ binnen weniger Sekunden durch den Bundestag gewunken. Angeblich wollte man den Bürgerämtern einen Gefallen tun, in dem man den Widerrufs-Passus strich, mit dem Bürger einer Weitergabe ihrer Daten hätten zustimmen müssen. Begründet wurde der Schritt mit dem Aufwand für die Behörden, aber eigentlich ist die Streichung des Passus ein Geschenk an alle Adresshändler.
Da wehren sich die Bürger über Jahre über nicht gewollte Zusendung von Werbepost aus zwielichtigen Ecken und dann ermöglichen gerade die Behörden sozusagen mit offiziellem Stempel die ungehinderte Datenfreigabe und vor allem deren Nutzung. Jeder Datensatz hat seinen Preis. Je qualitativer, desto höher ist dieser. Bei den Meldeämtern gibt es diesen pauschal für zehn Euro. Nach Meinung des Meldegesetz-Befürworter CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl würde kein Adresshändler diesen Preis pro Datensatz bezahlen aus Angst vor der Pleite.
Wenn sich da Herr Uhl mal nicht täuscht, denn die an den Datensätzen interessierten Unternehmen sind fast unzählbar und schnell haben sich Kooperationen gebildet, die die Datensätze anfordern, gewinnbringend vermarkten und wieder verkaufen. Ein Beispiel: Rund 660.000 Geburten gab es in Deutschland im Jahr 2011. Laut Gesetz müssen Eltern ihr Neugeborenes innerhalb weniger Tage beim Einwohnermeldeamt registrieren. Resultat: 660.000 Datensätze von einer sehr kaufkräftigen Zielgruppe. Diese Daten könnten nun umgehend in die Hände pfiffiger Vermarkter gelangen, die sich vorher noch die Filetstücke (Wohnort, Wohnlage) aussuchen können. Der Preis von zehn Euro pro Datensatz ist da fast geschenkt, kann der Adresshändler und Vermarkter doch diesen (mit ein paar Aktualisierungen zwischendurch) doch fast 80 Jahre (durchschnittliche Lebenserwartung) schröpfen.
Es ist eine Farce: Auf der einen Seite kämpfen die Datenschützer und Politiker gegen Eingriffe in die Privatsphäre von Google, Facebook und Co, auf der anderen Seite wollen sie selber qualifizierte Daten verkaufen. Wollen ist zum Glück nicht können, denn noch liegt die Entscheidung beim Bundesrat am 22. September und auch die EU-Kommission sowie zahlreiche Initiativen wie Campact machen Druck.