Die Dreharbeiten für das Filmprojekt „Operation Milk“ gehen langsam dem Ende zu. Acht Drehtage liegen bereits hinter dem Team, etwa vier Drehtage werden in diesem Herbst noch kommen, bevor es endgültig in den Schnittraum und ins Tonstudio geht. Die Dreharbeiten am 7. Oktober erforderten von allen Beteiligten besonders viel Energie und Ausdauer. Marco Bertram, der das Drehbuch schrieb und Regie führt, erklärt warum. Das turus-Magazin führte mit ihm ein ausführliches Gespräch.
turus:
Wie ist der Stand der Dinge? Seid ihr im Zeitplan?
Marco Bertram:
Ja, das sind wir. Zwar kam einiges anders, als zuvor gedacht, doch insgesamt betrachtet muss ich sagen: Ja, wir sind alle voll zufrieden mit dem Stand der Dinge!
turus:
Wie viele Bilder müssen denn noch gedreht werden?
M. Bertram:
Etwa drei Viertel der Bilder wurden erfolgreich abgedreht. Nun kommen noch ein paar Zwischenszenen, die in einer abendlichen Gasse gedreht werden. Das aufwändigste Bild wird noch auf einer Rinderfarm gedreht…
turus:
Rinderfarm? Hier in Deutschland oder im Ausland?
M. Bertram:
In Brandenburg. Wo genau, steht noch nicht fest. Da muss ich noch Kontakte zu landwirtschaftlichen Betrieben knüpfen. Mal sehen, was sich machen lässt. Wir benötigen ein paar Innenaufnahmen einer Rinderzuchtanlage. Ich kann auch Kuhstall sagen, doch das klingt zu sehr nach Bauernhof. Die Anlage sollte richtig groß und sehr modern sein. Ein bisschen klinisch…
turus:
Und dann sind die Bilder abgedreht?
M. Bertram:
Abschließend kommt noch eine Szene in einer Wohnung. Da wird es sehr gemütlich zugehen. Dieses Bild wird ganz im Gegensatz zu den skurrilen Szenen in den Ruinen stehen. Der Film lebt von den Kontrasten. Richtig skurril ging es am vergangenen Mittwoch zu. Da wurden wir alle gefordert. Körperlich und psychisch. In dieser Szene mussten alle Beteiligten bis an die Grenzen gehen.
turus:
Was genau ist passiert?
M. Bertram:
In den abgedrehten Bildern ging es um Verrohung, geistigen Verfall und Verrat. Von morgens bis abends arbeiteten wir in einer Ruine im Berliner Umland. Nicht eine einzige Minute hatten wir das Gebäude verlassen können. Es war einfach zu viel tun. Zudem mussten wir uns voll in die Szenen hineindenken. Das war nicht einfach…
turus:
Das klingt spannend! Dürfen Details verraten werden?
M. Bertram:
Ich sage nur so viel: Wir mussten Wut, Depression und Aggression an einem einzigen Tag spielen. Das war ein Auf und Ab. Und das inmitten von Staub und Schmutz. Wir alle waren am nächsten Tag völlig platt. Wir sind ein kleines Team, da muss jeder mehrere Aufgaben übernehmen. Ich stehe vor und hinter der Kamera und führe Regie. Ralf Tempel ist Darsteller und kümmert sich mit um den Ton. Darsteller Marcel Brix musste am vergangenen Drehtag auch mal zwischendurch für den Ton angeln. Großes Lob an alle. Jeder denkt für den anderen mit, jeder gibt alles.
turus:
Fällt man nicht nach so einem heftigen Drehtag am Morgen danach in ein tiefes Loch?
M. Bertram:
Wie gesagt, am Donnerstag fühlten wir uns echt gerädert. Man fühlt sich dann total ausgelaugt, aber auch richtig glücklich. Gegen Mittag traf ich mich gleich mit Christian Linge auf einen richtig starken Kaffee. Wir werteten alles aus. Mit ihm musste ich in der Ruine recht heftige Szenen spielen. Gespräche sind extrem wichtig. Man darf nichts zerreden, doch zu wenig mit einander sprechen kann solch ein Projekt zum Fiasko werden lassen! Spüre ich kleine Unstimmigkeiten, wird sofort ein Treffen vereinbart.
turus:
Gab es denn bereits Streit?
M. Bertram:
Alle Beteiligten sind echte Typen, jeder auf seine Art. Wäre dem nicht so, würden wir nicht gemeinsam an diesem Projekt arbeiten. Alle haben einen eigenen Kopf und sind sehr charismatisch. Ich sage nicht, dass alles einfach war, doch wir alle sind erwachsen. Nein, richtigen Streit gab es noch nicht! Bei früheren Projekten – zum Beispiel beim Segelprojekt Berlin-Sydney 2000 und beim Grenze-Ausstellungsprojekt – hatte ich eine Menge gelernt. Aus Fehlern lernt man und ich denke, ich leite das Projekt „Operation Milk“ zur Zufriedenheit aller.
turus:
Über Geld spricht man bekanntlich nicht. Doch in Sachen Finanzen steht oder fällt ein Projekt. Wie ist es bei Euch?
M. Bertram:
Das Budget ist wirklich klein. Niemand von uns bekommt ein Honorar. Alle beteiligen sich aus tiefster Überzeugung am Projekt. Die Kameratechnik brachte ich ein, die anderen investierten mit in Tontechnik und in die Requisite. Nach den Dreharbeiten werden wir einen Topf aufstellen. Hinein kommt das Geld für die Musik. Es werden ein paar GEMA-Gebühren auf uns zu kommen. Das eine Lied von Sepultura ist einfach Pflicht. Da greife ich gern privat in die Geldbörse. Und auch der Eingangssong steht fest. Der passt wie die Faust aufs Auge. Wir sind natürlich auch auf der Suche nach Künstlern, die gern Musik mit einbringen – und zwar aus Überzeugung.
turus:
30 Minuten waren geplant. Bleibt es dabei oder wird doch gekürzt?
M. Bertram: (schmunzelt)
Gekürzt? Wir haben sogar das „Problem“, dass der Film länger wird. Manche Bilder wurden so genial, dass man an diesen Stellen mehr Material lässt als geplant. 40 bis 45 Minuten werden es werden. Das einzige kleine Problem: Je länger der Film, desto mehr Musik. Sprich: Höhere Kosten.
turus:
Du stehst vor und hinter der Kamera. Was macht mehr Spaß, was erfüllt dich mehr?
M. Bertram:
Ich weiß, es klingt verrückt. Ich richte die Kamera ein, richte die Szene ein und stelle mich auch noch vor die Kamera. Das machen nicht viele. Doch bei vielen Einstellungen stehe ich ja nur hinter der Kamera. Das passt schon. Die Tätigkeit als Darsteller in der Ruine am 8. Drehtag war ein echtes Erlebnis. Insgesamt betrachtet, erfüllen mich Regie und Kamera am meisten. Wenn man die Idee aufs Papier kritzelt und später das Ergebnis auf dem Bildschirm sieht – das macht mich zutiefst glücklich. Ich hatte einen Rohschnitt auf eine DVD gebrannt. Gestern hatte ich mir mit Ralf und Christian diese Fassung angeschaut. Wir haben Tränen gelacht und drauf angestoßen. Das ist für mich der Lohn für all die Arbeit. Erfüllung ist mehr wert als Geld!
turus:
Wie geht es jetzt konkret weiter?
M. Bertram:
Jetzt müssen organisatorische Aufgaben erledigt werden. Kommende Woche treffen wir uns mit einer Darstellerin, die im vorletzten Bild zum Einsatz kommen wird. Wir kümmern uns um die Musik und ich recherchiere nach einem Drehort für die Bilder in der Rinderzuchtanlage. Ich hoffe, ein Brandenburger Unternehmen wird sich kooperativ zeigen und uns kostenfrei drehen lassen. Im Spätherbst werden in einem Studio noch ein paar Dialoge nachgesprochen und dann kommt der endgültige Schnitt.
Und dann…
Der Film hier an Ort und Stelle!
turus:
Vielen Dank für das Interview und viel Glück bei den weiteren Dreharbeiten!
In Kürze folgen Interviews mit den Darstellern Christian Linge und Ralf Tempel.