Berliner Roger Kluge & Theo Reinhardt sind Weltmeister im Madison!

BM Updated 06 März 2018
Berliner Roger Kluge & Theo Reinhardt sind Weltmeister im Madison!

Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) kann auf eine mehr als erfolgreiche Weltmeisterschaft auf der Bahn im niederländischen Apeldoorn zurückblicken. Im Gegensatz zum Vorjahr in Hongkong mit insgesamt fünf Medaillen war die Ausbeute in diesem Jahr mit sechs Medaillen nur unwesentlich größer, aber mit vier Titeln statt zwei im Vorjahr, zwei Bronzemedaillen und darüber hinaus diversen Spitzenplatzierungen, an denen auch der Ausdauerbereich großen Anteil hatte,  konnte man im deutschen Lager mehr als zufrieden sein. So hatten am Schlusstag die Berliner Roger Kluge und Theo Reinhardt gegen die Spanier Albert Torres/Sebastian Mora und die  Australier Cameron Meyer/Callum Scotson im Madison die Nase vorn, holten mit einer taktisch ganz hervorragenden Fahrweise den Titel und setzten damit einen bemerkenswerten Schlusspunkt  unter eine gelungene Weltmeisterschaft, die von den Niederlanden mit jeweils fünf Gold- und Silbermedaillen sowie zwei Bronzemedaillen dominiert wurden. Vor heimischer Kulisse unter stürmischer Anfeuerung ihrer Fans dominierten sie bei insgesamt 20 Entscheidungen mit nicht weniger als zwölf Podiumsplatzierungen und lagen im Medaillenspiegel souverän vor Deutschland, wobei die Medaillen unter 20 Nationen aufgeteilt wurden.

Roger Kluge und Theo Reinhardt

Überragende Athletin war die routinierte Niederländerin Kirsten Wild, auf der Straße mit dem Team Wiggle High5 unterwegs, die allein drei Goldmedaillen im Omnium, Punkte- und Scratchrennen errang und im Madison mit Amy Pieters noch Silber gewann. Aus deutscher Sicht dominierend war ein weiteres Mal Kristina Vogel, die mit Gold im Sprint, wo sie drei Läufe gegen die Australierin Stephanie Morton benötigte, und den Titel im Teamsprint vor den Niederlanden und Russland ihren nunmehr elften WM-Titel herausfuhr. „Ich bin voll zufrieden mit meinen Leistungen, die auch nicht durch den 6. Platz im Keirin geschmälert werden“, sagte die Thüringerin, die somit noch für die Zukunft mit einem 12. Titel ein weiteres, lohnendes Ziel vorAugen hat. Ihre kongeniale Partnerin im Teamsprint Miriam Welte errang ebenfalls zweimal Gold, als sie den zweiten Platz aus der Qualifikation des 500 m Zeitfahrens hinter der Russin Daria Shmeleva noch im Finale konterte und die Russin sowie die Niederländerin Elis Ligtlee auf die weiteren Podiumsplätze verwies. Die sympathische Miriam Welte war einfach nur happy aufgrund des in ihrer Spezialdisziplin erzielten Erfolges, der ihr mehr als zu gönnen war. Undankbar war hier der vierte Platz für Pauline Sophie Grabosch, die hauchdünn das Nachsehen hatte und sich mit Bronze im Sprint aber schadlos hielt, nachdem sie durch Bestzeit in der Qualifikation des Teamsprints an der Seite von Miriam Welte auch an der späteren Goldmedaille ihren Anteil hatte. Ihr gehört zweifellos die Zukunft und da kann der BDR hoffnungsvoll den kommenden Aufgaben entgegensehen.

WM

Zweimal Gold gab es auch für die junge US-Amerikanerin Chloe Dygert, die in der Einzel- und der Mannschaftsverfolgung nicht zu schlagen war. Dabei fuhr sie in der Qualifikation der Einzelverfolgung über 3000 m mit 3:20,072 Minuten einen neuen Weltrekord, den sie im Finale um Gold mit einem furiosen Start und dem Einholen ihrer Gegnerin Annemiek van Vleuten aus den Niederlanden noch einmal auf 3:20,060 Minuten verbesserte. Hervorragende Vierte in diesem Wettbewerb wurde Lisa Brennauer, die als Dritte der Qualifikation der US-Amerikanerin Kelly Catlin unterlag. Ihre Rückkehr auf die Bahn mit neuem deutschen Rekord in der Qualifikation der Einzelverfolgung in 3:32,485 Minuten hat sich absolut gelohnt und eindrucksvoll bewiesen, wie man die bei Straßenrennen gewonnene Rennhärte umsetzen kann. Davon profitierte letztlich auch die Mannschaftsverfolgung, wo Lisa Brennauer mit Charlotte Becker, Franziska Brauße und Gudrun Stock einen tollen fünften Platz belegte, der das schwache Vorjahresergebnis mit dem letzten Platz vergessen ließ. Mit ihrem Abschneiden auf der Bahn war Lisa Brennauer vollauf zufrieden und man kann nur hoffen, dass der BDR auch in Zukunft auf sie setzen kann. Die starke Chloe Dygert war dann auch im Finale der Mannschaftsverfolgung mit ihren Teamkameradinnen Jennifer Valente, Kelly Catlin und Kimberly Geist von Großbritannien nicht zu schlagen, während Bronze an Italien ging.

Während Charlotte Becker aus Berlin im Punkterennen einen Rundengewinn herausfahren konnte und mit einem fünften Platz ein gutes Ergebnis erzielte, waren die deutschen Damen im Madison chancenlos. Mit zwei Verlustrunden landeten Romy Kasper und Lisa Küllmer nur auf dem 10. Platz und hier sollte man sich durchaus nach einer Alternative für die nächsten Olympischen Spiele umsehen, die zum Beispiel Anna Knauer/Lea Lin Teutenberg heißen könnte. Gegen die neuen Weltmeisterinnen Katie Archibald/Emily Nelson aus Großbritannien und die auf den Plätzen folgenden Teams aus den Niederlanden und Italien hatten aber bis auf Dänemark und Russland auch andere Mannschaften kaum eine reelle Gewinnchance.

Während der 11. Platz von Gudrun Stock im Omnium im Bereich ihrer Möglichkeiten lag, war der 17. Platz von Tatjana Paller im Scratchrennen eigentlich die einzige Enttäuschung im Ausdauerbereich, der in Apeldoorn aber insgesamt einen gewaltigen Sprung nach vorn machte. Das gilt insbesondere für die Männer, die mit ausgezeichneten Ergebnissen aufwarten konnten und in der Einzel- und Mannschaftsverfolgung sich stark verbessert zeigten. Die Berliner Maximilian Beyer und Theo Reinhardt, dazu das Riesentalent Felix Groß und Kersten Thiele fuhren auch ohne dem fehlenden Domenic Weinstein mit 3:57,447 Minuten die viertbeste Zeit in der Qualifikation und auch die 1. Runde überstanden sie sogar als Unterlegene gegen die späteren, im Finale gegen Dänemark siegenden, neuen Weltmeister aus Großbritannien, da ihre Zeit von 3:58,047 Minuten für das kleine Finale um Bronze ausreichte. Dort fuhren sie mit Nils Schomber an Stelle von Maximilian Beyer mit 3:56,594 Minuten erneut eine tolle Zeit, die aber von den starken Italienern mit 3:54,606 Minuten noch unterboten wurde. Der vierte Platz war dennoch aller Ehren wert und wird noch durch die Ergebnisse in der Einzelverfolgung von Felix Groß und Kersten Thiele unterstrichen, die in der Qualifikation über 4000 m mit hervorragenden Zeiten die Plätze fünf und sechs belegten. Der erst 19-jährige Felix Groß erzielte mit 4:15,303 Minuten ebenso eine persönliche Bestzeit wie Kersten Thiele, dessen 4:17,281 Minuten genauso überzeugten. Den Weltmeistertitel holte sich der Italiener Filippo Ganna in einem spannenden Finale gegen den Portugiesen Ivo Oliveira, während der Russe Alexander Evtushenko im Kampf um Bronze den Briten Charlie Tanfield niederrang.

Aufgrund der zusätzlichen Belastung in der Mannschaftsverfolgung verzichtete Maximilian Beyer auf einen Start im Punkterennen, das ohne deutsche Beteiligung vom überragenden Cameron Meyer aus Australien vor Jan-Willem van Schip aus den Niederlanden und dem Briten Mark Stewart gewonnen wurde. Bereits im Scratchrennen reichte es für Maximilian Beyer hinter dem Überraschungsweltmeister Yauheni Karaliok aus Weißrussland, dem Italiener Michele Scartezzini und dem Australier Callum Scotson nur zum 10. Platz und auch im Omnium hingen die Trauben für den Berliner zu hoch, dessen 15. Platz unter den 24 Teilnehmern nicht seinem Leistungsvermögen entsprach. Hier ein Roger Kluge im Einsatz, der lediglich das Madison bestritt und dort auch von internationalen Journalisten ob seiner genialen Vorstellung gelobt wurde, wäre eine Alternative gewesen, wobei wir die Leistung des vielleicht zu viel beschäftigten Maximilian Beyer nicht schmälern wollen. Ihm gehört im Omnium, wo sich der Pole Szymon Sajnok in einem packenden Finale gegen Jan-Willem van Schip und Simone Consonni aus Italien durchsetzte, zweifellos die Zukunft, die ihn vielleicht zum WM-Titel 2020 in seiner Heimatstadt Berlin führt.

Levy

Im männlichen Kurzzeitbereich galt es aus deutscher Sicht die starke Leistung des zuletzt immer wieder durch Verletzungspech zurückgeworfenen Maximilian Levy zu bewundern. In der 200 m Sprint-Qualifikation nur auf Platz 17 gelandet, ließ er im Sechzehntelfinale zunächst den Russen Pavel Yakushevskiy hinter sich, um dann auch im Achtelfinale etwas überraschend den starken Jeffrey Hoogland aus den Niederlanden auszuschalten. Im Viertelfinale als zweifacher Sprintsieger gegen den Briten Ryan Owens, traf er im Halbfinale auf dessen Landsmann Jack Carlin, gegen den er aber den Kürzeren zog. Schließlich gingen dem Routinier im Lauf um Bronze gegen den Franzosen Sebastien Vigier dann die Kräfte aus, aber der vierte Platz war dennoch aller Ehren wert. Die Goldmedaille ging schließlich an den starken Australier Matthew Glaetzer, der Jack Carlin in zwei Läufen relativ klar distanzierte. Die Bronzemedaille im Keirin für Maximilian Levy war mehr als ein Trostpflaster, wo er nur dem Kolumbianer Fabian Hernando Puerta Zapata und dem Japaner Tomoyuki Kawabata den Vortritt lassen musste. Auch der fünfte Platz im Teamsprint mit Robert Förstemann, Joachim Eilers und Stefan Bötticher war für Maximilian Levy durchaus als Erfolg zu werten, hatten die Teamsprinter doch im Vorjahr mit Platz 12 sehr enttäuscht.

Noch ein Wort zu zwei Athleten aus dem Kurzzeitbereich, die nicht enttäuschten, aber in die Medaillenränge nicht hineinfahren konnten: der eine war Eric Engler, der im Sechzehntelfinale des Sprints gegen den Russen Denis Dmitriev ausschied, um dann im 1000 m Zeitfahren eine ganz starke Leistung abzuliefern. In der Qualifikation mit tollen 1:00,420 Minuten Fünfter unter 23 Startern, fuhr er im Finale der besten Acht mit 1:00,462 Minuten nur unwesentlich langsamer und blieb damit guter Fünfter. Gegen die drei Erstplatzierten Jeffrey Hoogland, Matthew Glaetzer und dem Niederländer Theo Bos, die sowohl in der Qualifikation als auch im Finale als einzige unter einer Minute blieben, hatte er am Ende das Nachsehen. Der andere, höher eingeschätzte Deutsche Joachim Eilers, hatte dagegen großes Pech, denn gesundheitliche Probleme verhinderten seinen Einsatz im 1000 m Zeitfahren, wo er sich als ehemaliger Weltmeister (2016) Chancen auf eine Medaille ausrechnen konnte.

apeldoorn

Insgesamt war diese Weltmeisterschaft in Apeldoorn ein gut organisiertes Event mit einem begeisterungsfähigen Publikum, das an den beiden letzten Tagen für ein ausverkauftes Haus sorgte. Sportlich gab es hervorragende Wettkämpfe mit starken Leistungen der Niederländer, die ihren Heimvorteil zu nutzen verstanden. So war ihnen auch der Titel im Teamsprint nicht zu nehmen, wo sie vor den Briten und Franzosen dominierten und im Finale mit 42,727 Sekunden die absolute Bestzeit in diesem Wettbewerb erzielten. Die Krone stand auf niederländischer Seite Kirsten Wild mit dreimal Gold zu, die im Omnium die Dänin Amalie Dideriksen und die Neuseeländerin Rushlee Buchanan distanzierte, im Punkterennen vor Jennifer Valente aus den USA und Jasmin Duehring aus Kanada die Nase vorn hatte und auch im Scratchrennen gegen Jolien D’Hoore aus Belgien und Amalie Dideriksen erfolgreich war. Apropos Belgien: der jungen Nicky Degrendele war der Sieg im Keirin einfach nur zu gönnen, als sie Wai Sze Lee aus Hongkong und Simona Krupeckaite aus Litauen niederrang, in einem Lauf, wo die favorisierte, in den ersten beiden Runden souverän siegende Kristina Vogel in hinterer Position liegend keine Möglichkeit mehr hatte, nach vorn zu fahren und in diesem Finallauf nur den sechsten und letzten Platz belegte.

Abschließend sei noch ein Wort zu den Startern aus Australien erwähnt, ein Land, das derzeit als beste Nation der Welt im Bahnradsport gilt und in Apeldoorn aufgrund der bevorstehenden Commonwealth Games im Heimatland nur mit vier (!) Athleten vertreten war. Wie stark und effizient sie waren zeigt sich allein an der Tatsache, dass sie je zwei Gold-, Silber- und Bronzemedaillen gewannen, an denen alle vier beteiligt waren. Chapeau! Was wäre wohl gewesen, wenn sie mit „voller Kapelle“ angetreten wären? Ihr Reservoir an guten Rennfahrern sowohl auf der Bahn als auch auf der Straße scheint schier unerschöpflich zu sein.

Bericht: Bernd Mülle

Fotos: Arne Mill (frontalvision.com)

Mehr Bilder auch zum direkten Download gibt es für private und redaktionelle Nutzung bei unser Bildagentur frontalvision.com:
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