Mit ordentlich Biss! Sechsmal Edelmetall für Deutschland am dritten Finaltag der Bahn-EM!

BM Updated 22 Oktober 2017
Mit ordentlich Biss! Sechsmal Edelmetall für Deutschland am dritten Finaltag der Bahn-EM!

Eine Europameisterschaft ist ein Ereignis, das von den Aktiven schon mit besonderem Ehrgeiz angegangen wird. Die bisherigen Rennen stellten diese These mehrfach unter Beweis und dabei gab es dementsprechend tolle und harte Positionskämpfe, die leider auch zu dem einen oder anderen Sturz führten. Dass es aber gleich zu Beginn des dritten Veranstaltungstages beim Warmfahren einen spektakulären Sturz gab, in dem der Berliner Theo Reinhardt und der  Niederländer Wim Stroetinga verwickelt waren und Letzterer ins Krankenhaus gebracht werden musste, war schon fast tragisch, zumal für Wim Stroetinga somit das morgige Madison ebenso ausfällt wie das in der kommenden Woche stattfindende Sixdays von London. Für seinen kongenialen Partner Yoeri Havik, mit dem er beim letzten Berliner Sechstagerennen siegte und auch bei dieser Europameisterschaft den Titel holen wollte, ist der Ausfall von Wim Stroetinga ein herber Rückschlag für die weitere Saisonplanung. Wünschen wir dem sympathischen Niederländer baldige Genesung in der Hoffnung, dass wir ihn beim nächsten Berliner Sechstagerennen wieder begrüßen können.

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Es war der zweite schwere Sturz dieser Europameisterschaften, nachdem es am Donnerstag in der Mannschaftsverfolgung der Frauen bekanntlich Lisa Brennauer böse erwischt hatte. Wie sich jetzt nach weiteren Untersuchungen herausstellte, zog sie sich neben einer Jochbeinverletzung, Prellungen, Abschürfungen und Verbrennungen noch einen Oberarm-Kopfbruch links zu, der sie zu einer längeren Pause von mindestens sechs Wochen zwingt. Wie sie aber zu verstehen gab, will sie zukünftig auch weiterhin Bahnrennen bestreiten und hofft, dass ihr neuer Rennstall Wiggle High5 dem zustimmen kann.  

Lafarge

Der lange Samstag begann um 14.00 Uhr mit insgesamt sieben Entscheidungen, deren Abschluss das Steherfinale über 50 km bildete. Also volles Programm im Berliner Velodrom zunächst am frühen Nachmittag mit Qualifikationen im 1000m Zeitfahren und der Einerverfolgung der Männer sowie den ersten Frauenwettbewerben im Keirin und Omnium, bevor es am Abend ab 18.00 Uhr in die Finalläufe ging. Im 1000m Zeitfahren, wo der Franzose Quentin Lafargue in 1:00,560 Minuten die schnellste Zeit fuhr,  qualifizierten sich die beiden Deutschen Joachim Eilers und Eric Engler mit Platz 3 und 5 für das abendliche Finale der besten Acht. In der 1. Runde im Keirin der Frauen gab es bei 22 Teilnehmerinnen insgesamt vier Läufe, die von der Niederländerin Laurine van Riessen, der Russin Anastasiia Voinova und den beiden Deutschen Kristina Vogel und Pauline Sophie Grabosch gewonnen wurden und auch die Zweitplatzierten eine Runde weiterkamen, bevor weitere Siegerinnen aus vier Hoffnungsläufen ebenfalls das Halbfinale erreichten.

Ganz stark war die Beteiligung bei der Einerverfolgung der Männer über 4000m mit 30 Teilnehmern, die sich für die abendlichen Finals um Gold und Bronze zu qualifizieren hatten. Dabei vollbrachte der Portugiese Ivo Oliveira eine sensationelle Leistung mit der absoluten Bestzeit von 4:14,570 Minuten, womit er den favorisierten Italiener Filippo Ganna, den Russen Alexander Evtushenko und den Deutschen Domenic Weinstein auf die weiteren Plätze verwies. Damit war für den Deutschen noch die Chance auf Bronze vorhanden, während der Portugiese überraschend das Finale um Gold erreicht hatte. „Ich habe die letzten 14 Tage intensiv trainiert und mich sukzessive verbessert, so dass die jetzt gefahrene Zeit für mich nicht überraschend war“, sagte der Portugiese vor dem Finallauf um Gold, den er selbstverständlich gewinnen will. Sein Zwillingsbruder Rui Oliveira, beide 21 Jahre alt und beim Continentalteam Axeon Hagens Berman aus den USA unter Vertrag, hatte bereits bei diesen Europameisterschaften eine Bronzemedaille im Ausscheidungsfahren geholt. „Ich würde in Zukunft gerne zweigleisig auf Bahn und Straße fahren“, fuhr Ivo Oliveira fort, der sehr locker und äußerst sympathisch daher kam. 

Polska

Die Finalläufe begannen mit einem erst im zweiten Teil spannenden Punktefahren der Männer über 40 km, das dann endlich die erste Medaille für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) im Ausdauerbereich durch den erst nachnominierten Berliner Maximilian Beyer bringen sollte, der mit viel Übersicht das Rennen bestritt und schließlich Bronze gewann. Den Verantwortlichen des BDR dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein, dass Maximilian Beyer für den BDR als erster die Kastanien aus dem Feuer holte. Sieger aus dem Feld der sieben Fahrer, die einen Rundengewinn vollzogen, war der starke Pole Alan Banaszek, der 49 Punkte erspurtete und den starken Dänen Niklas Larsen mit 45 Punkten und Maximilian Beyer mit 34 Punkten auf die weiteren Medaillenplätze verwies. Der Berliner hatte ein taktisch gutes Rennen gefahren, wobei er im ersten Teil des Rennens recht verhalten fuhr, dann das richtige Hinterrad zum Rundengewinn erwischte und am Ende überglücklich war. „Ich bin mehr als zufrieden, obwohl es am Anfang nicht gut für mich lief“, sagte der Berliner, der demnächst bei den Sixdays in London am Start ist und dann nach einem Trainingslager den Weltcup in Manchester bestreiten wird. 

Bronze

Im folgenden Scratchrennen der Frauen über 10 km holte die Dänin Trine Schmidt ihren zweiten Europameistertitel in souveräner Manier, als sie gemeinsam mit der Ukrainerin Tetyana Klimchenko, der Russin Evgenia Augustinas und der Irin Lydia Gurley einen Rundengewinn herausgefahren hatte und sie im Viererspurt sicher die Oberhand gegen die Ukrainerin und die Russin behielt, während die Irin mit dem undankbaren vierten Platz vorliebnehmen musste. Für die Deutsche Romy Kasper war leider das Rennen vorzeitig beendet, als sie in der letzten Runde zu Fall kam und vorsichtshalber zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht wurde. Es ging Schlag auf Schlag weiter und für den BDR gab es eine Silbermedaille durch Joachim Eilers im 1000m Zeitfahren hinter dem siegreichen Jeffrey Hoogland aus den Niederlanden, während der in der Qualifikation schnellste Fahrer Quentin Lafargue aus Frankreich nur Bronze erreichte. Dann kamen die Finalläufe in der Einerverfolgung und hier fuhr Domenic Weinstein um Bronze gegen den Russen Alexander Evtushenko ein ganz starkes Rennen, das so nicht nach der Qualifikation zu erwarten war. Er wurde hinten heraus immer stärker und realisierte am Ende mit 4:15,405 Minuten eine Zeit, die sogar von den beiden Finalisten um Gold nicht erreicht wurde. „Ich wollte eigentlich ganz oben auf dem Treppchen stehen, aber bin mit Bronze letztlich zufrieden, da zwei Fahrer heute einfach besser waren“, so ein fairer Verlierer Domenic Weinstein, der die hervorragende Stimmung in der Halle lobte. Im großen Finale um Gold und Silber hatte der schnell gestartete Portugiese Ivo Oliveira gegen einen am Ende ganz stark aufkommenden Filippo Ganna aus Italien keine Chance und unterlag schließlich deutlich mit drei Sekunden Rückstand. 

Sturz

Die am frühen Nachmittag begonnenen Wettkämpfe der Frauen im Keirin und Omnium verliefen allemal spektakulär, von Stürzen nicht verschont. Die dominierende Fahrerin im Omnium und war die alte und neue Europameisterin Katie Archibald aus Großbritannien, die mit Siegen bei den Temporunden über 7,5 km und im Ausscheidungsfahren sowie einem fünften Platz im Scratchrennen mit acht Punkten Vorsprung ins abschließende Punktefahren ging und sich den Sieg nicht mehr nehmen ließ. Ein großartiges Rennen fuhr auch die Deutsche Gudrun Stock, die im ersten Wettbewerb Scratch einen sehr guten Start hatte und Zweite hinter der Norwegerin Anita Yvonne Stenberg wurde, danach Platz 7 bei den Temporunden herausfuhr und auch im Ausscheidungsrennen als 11. im Rahmen ihrer Möglichkeiten blieb und als Gesamtsechste ins finale Punktefahren ging. Auch hier fuhr sie beherzt und lag aussichtsreich im Rennen, bevor sie ein Sturz zurückwarf, sie aber unverletzt blieb und das Rennen fortsetzen konnte. Am Ende ging die Silbermedaille an die routinierte Niederländerin Kirsten Wild, die die junge Italienerin Elisa Balsamo auf den Bronzeplatz verwies. Für Gudrun Stock reichte es zu einem beachtenswerten 6. Platz im Feld der 20 Fahrerinnen, über den sie sich durchaus freuen durfte.

Vogel

Bevor das Finale der Steher vor der an diesem Tag hervorragenden Zuschauerkulisse von 2.920 Besuchern begann, gab es für den BDR noch ein weiteres Glanzlicht, für das wieder einmal die erfolgsgewohnte Kristina Vogel sorgte, die im Keirinwettbewerb ihre Dominanz ausspielte und die Goldmedaille und damit den Europameistertitel holte. Sie distanzierte im Finale von der Spitze aus fahrend die Litauerin Simona Krupeckaite und die Titelverteidigerin Liubov Basova aus der Ukraine, nachdem sie sich schon sicher im Semifinale durchgesetzt hatte. Für die zweite deutsche Teilnehmerin Pauline Sophie Grabosch blieb am Ende das kleine Finale um Platz 7 übrig, das sie souverän gewinnen konnte. 

Schiewer

Die Steher bildeten dann den Abschluss der Samstagveranstaltung mit dem Finale über 50 km, das zu einer nahezu deutschen Demonstration wurde. Zunächst übernahm Thomas Steger lange Zeit die Führung, bevor er von einem wie entfesselt fahrenden Franz Schiewer abgelöst wurde, der seine Führung bis zum Schluss nicht mehr abgab und neuer Europameister wurde. Eine Glanzleistung auch seines Schrittmachers Gerd Gessler, der es nach einer gerade überstandenen Herz-Operation seiner Ehefrau nicht leicht hatte, überhaupt hier zu starten. Dieser nicht unbedingt erwartete Titel war eine einzigartige Teamleistung der deutschen Mannschaft, zu der auch Stefan Schäfer mit Schrittmacher Peter Bäuerlein beitrug, die dem lange führenden Thomas Steger den Rücken freihielten. Ein verdienter Lohn für Stefan Schäfer war die Bronzemedaille hinter dem Niederländer Reinier Honig mit Schrittmacher Jos Pronk, mit der er sich durchaus anfreunden konnte. „Ich habe am Anfang die Ruhe bewahrt, wo es nicht so optimal lief. Aber durch die tolle Unterstützung durch unser Team und dem phantastischen Publikum, das mich trotz Krämpfe ins Ziel getragen hat, war dieser Triumph erst möglich“, gab der überglückliche und dankbare Franz Schiewer zu Protokoll. 

Schiewer

Damit ging ein ereignisreicher Samstag zu Ende, der am morgigen Schlusstag mit den Entscheidungen im Sprint der Frauen, dem Keirin der Männer und den beiden Wettbewerben im Madison noch einmal eine spektakuläre Fortsetzung finden sollte.

Text: Bernd Mülle

Fotos: Arne Mill

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