Sensationelle Stimmung in Norwegen: Im Straßenrennen feiert Peter Sagan den dritten WM-Titel in Folge

BM Updated 27 September 2017
Sensationelle Stimmung in Norwegen: Im Straßenrennen feiert Peter Sagan den dritten WM-Titel in Folge

Nun sind die Straßenweltmeisterschaften im norwegischen Bergen schon wieder Geschichte und Innsbruck 2018 bereitet sich bereits intensiv auf die nächsten Titelkämpfe vor. Es waren in Norwegen zum Teil ganz besondere Meisterschaften mit einem begeisterungsfähigen Publikum, das äußerst spannende Wettkämpfe zu sehen bekam. Schon die Zeitfahren verliefen recht spektakulär und auch die Straßenwettbewerbe ließen vom jeweiligen Verlauf her keine Wünsche offen.

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Für Deutschlands Radsportler war es eine WM, die nicht in allen Bereichen zufrieden stellte,  auch wenn sich vor allem der Nachwuchsbereich von seiner guten Seite zeigte. Obwohl es in diesem Jahr nur eine Silbermedaille durch den beim deutschen Team Sunweb unter Vertrag stehenden, überragenden Lennard Kämna gab, kann der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) dennoch positiv in die Zukunft schauen. Lennard Kämna hatte schon zu Beginn der WM im Mannschaftszeitfahren mit seinem Team den Titel errungen und dann im Rennen der Klasse U 23 diese starke Leistung eindrucksvoll bestätigt. Er ist gerade erst 21 Jahre alt geworden und berechtigt mit seinen enormen Zeitfahrqualitäten zu großen Hoffnungen für die Zukunft, für die auch die drei vierten Plätze im Nachwuchsbereich ein Fingerzeig waren. Einzig bei den Frauen konnten dieses Mal die Erwartungen nicht erfüllt werden, aber gerade hier steht auch ein gewisser Umbruch bevor, der mit talentierten Fahrerinnen in absehbarer Zeit wieder in die Erfolgsspur führen soll. 

 Norwegen

Die Straßenwettbewerbe begannen am letzten Freitag mit den Juniorinnen und hier gewann die Italienerin Elena Pirrone nach dem Sieg im Einzelzeitfahren ihren zweiten Titel. Sie errang den Titel über die 76,4 km Strecke mit einer eindrucksvollen Sololeistung, als sie das Ziel mit zwölf Sekunden Vorsprung vor einer 9-köpfigen Verfolgergruppe, die von der Dänin Emma Cecilie Norsgaard Jörgensen und Letizia Paternoster aus Italien angeführt wurde, erreichte. Einen starken Eindruck hatte auch die beste Deutsche Hannah Ludwig hinterlassen, die mit 1:40 Minuten Rückstand auf Platz 15 unter 81 Platzierten landete, nachdem sie ihrer äußerst aktiven Fahrweise im Verlaufe des Rennens am Ende mit Krämpfen Tribut zollen musste. Als nur noch rund 15 Fahrerinnen an der Spitze des Feldes lagen, setzte die Italienerin 28 km vor dem Ziel zu ihrer Schlussattacke an, die sie dann erfolgreich abschloss. Für die übrigen deutschen Teilnehmerinnen Franziska Koch, Katharina Hechler und Ricarda Bauernfeind, die zwischen vier und knapp neun Minuten preisgeben mussten, reichte es zu den Plätzen 25, 43 und 47.

 Norwegen

Den zweiten Wettbewerb am Freitag über 191 km gestalteten die U 23 Fahrer mit einem sehr spannenden Verlauf. Schon früh hatten sich sechs Außenseiter abgesetzt, zu denen weitere sechs Fahrer aufschließen konnten, aber ihr Vorsprung von über zwei Minuten schrumpfte alsbald und eine Attacke des US-Amerikaners Brandon McNulty aus dem Feld zersplitterte die Spitzengruppe. Es bildete sich eine neue sechsköpfige Gruppe 70 km vor dem Ziel, in der außer dem Amerikaner auch so starke Fahrer wie der Russe Pavel Sivakov oder der Australier Jai Hindley fuhren. Dazu gesellten sich später noch zwei weitere Fahrer, aber als die Glocke für die letzte Runde ertönte und noch 19 Kilometer zu fahren waren, ging das Feld geschlossen ins Finale. Nachdem Lennard Kämna zu einer erneuten Ausreißergruppe von fünf Fahrern mit einem Alleingang aufgeschlossen hatte, ergriff er 12 km vor dem Ziel am Fuße des Anstiegs Salmon Hill erneut die Initiative, passierte im Solo den Berg, um auf der Abfahrt vom Franzosen Benoit Cosnefroy eingeholt zu werden. Beide arbeiteten aber gut zusammen und konnten bis ins Ziel einen knappen Vorsprung von drei Sekunden behaupten, wobei im Zweierspurt Lennard Kämna dem Franzosen den Vortritt lassen musste. Im Spurt der ersten großen Verfolgergruppe errang der Däne Michael Carbel Svendgaard die Bronzemedaille und auch der 7. Platz von Max Kanter untermauerte die gute Teamleistung der deutschen Mannschaft, die zum Ende hin alles auf eine Karte gesetzt hatte. Die Platzierungen von Johannes Schinnagel mit Rang 57 und von Florian Nowak mit Rang 87 lagen im Bereich ihrer Möglichkeiten, während Patrick Haller im großen Feld der 176 Fahrer zu den 55 gehörte, die das Rennen nicht beendeten.

 Johansen

Der Samstag begann zunächst mit dem Rennen der Junioren über 133,8 km und hier gab es einen dänischen Weltmeister mit Julius Johansen, der ein überragendes Rennen fuhr. Nach den ersten Attacken, die schon gleich nach dem Start erfolgten, war es später eine Ausreißergruppe u.a. mit dem Deutschen Leon Heinschke, die das Rennen lange Zeit bestimmte, aber der Vorsprung wurde nie allzu groß, da im Feld insbesondere von den Dänen und Franzosen mächtig Pace gemacht wurde. Als Julius Johansen angriff und schließlich die verbliebene dreiköpfige Führungsgruppe einholte, startete er wenig später einen Alleingang, dem keiner mehr folgen konnte. Der als guter Zeitfahrer bekannte Däne holte rasch einen Vorsprung von 30 Sekunden heraus, den er bis ins Ziel auf 51 Sekunden ausbaute. „Dank an mein Team, das hervorragend gearbeitet hat“, sagte der glückstrahlende neue Weltmeister im Ziel, während im Spurt der Verfolgergruppe die zwei Italiener Luca Rastelli und Michele Gazzoli den Deutschen Niklas Märkl auf den guten, aber undankbaren vierten Platz verwiesen. Auch Juri Hollmann war in dieser ersten Gruppe und belegte einen ebenfalls guten 17. Platz, wobei mit Jakob Geßner mit 55 Sekunden Rückstand auf Platz 32 ein weiterer Deutscher eine gute Vorstellung gab. Für Marius Mayrhofer blieb mit 3:32 Minuten Rückstand Rang 55 übrig, der am Anfang sehr aktive Leon Heinschke musste schließlich bei fast sieben Minuten Rückstand mit Platz 73 vorliebnehmen und Felix Engelhardt landete mit genau acht Minuten Rückstand auf Rang 86 unter insgesamt 129 Platzierten. Somit erreichten alle deutschen Starter in dem schweren Rennen das Ziel, während 57 Fahrer im Feld der 186 Starter aufgaben.

 Blaak

Das Rennen der Frauen über 152,8 km war geprägt von niederländischer Dominanz, die in dem Titelgewinn von Chantal Blaak gipfelte, die letztlich trotz eines Sturzes etwa 65 Kilometer vor dem Ziel mit einer Aufholjagd und einem späteren, bemerkenswerten Alleingang mit 28 Sekunden Vorsprung jubelnd über den Zielstrich fuhr. In der ersten Verfolgergruppe, die von der Australierin Katrin Garfoot und der Titelverteidigerin Amalie Dideriksen aus Dänemark angeführt wurde, war keine der deutschen Starterinnen vertreten, die auch zu keiner Phase Einfluß auf das Rennen nehmen konnten. Die Vorentscheidung in diesem von vielen Attacken geprägten Rennen fiel etwa 23 Kilometer vor dem Ziel, als Chantal Blaak gemeinsam mit der Französin Audrey Cordon und der Britin Hannah Barnes zum Angriff blies und danach noch die Niederländerinnen Annemiek van Vleuten und Anna van der Breggen sowie Katrin Garfoot und die Polin Katarzyna Niewiadoma aufschließen konnten. Auf den letzten acht Kilometern warf dann Chantal Blaak den Fehdehandschuh und versuchte ihr Glück im Alleingang, den sie dank guter Zusammenarbeit mit ihren Landsfrauen und mangelnder Nachführarbeit der anderen Kontrahentinnen erfolgreich beenden konnte. Beste Deutsche war einmal mehr Lisa Brennauer, die mit einem Rückstand von 1:19 Minuten den Zielstrich erreichte und den für sie enttäuschenden 42. Platz belegte. Mehr als 2:30 Minuten verloren Lisa Klein als 49. und Trixi Worrack als 51, während Romy Kasper mit rund 4 Minuten Rückstand 54. wurde und die Berlinerin Charlotte Becker sowie Claudia Lichtenberg zu den 76 der 152 Starterinnen gehörten, die das Rennen nicht zu Ende fuhren. Offensichtlich schien das Rennen für die deutschen Fahrerinnen etwas zu lang zu sein, wie Lisa Brennauer nach dem Rennen auch zugab.

 Kasper

Die Profis fuhren ihr Rennen wie üblich am letzten Tag der Weltmeisterschaften und dieses Rennen schien für Titelverteidiger Peter Sagan aus der Slowakei nicht unbedingt gemacht, zumal er in den Tagen vorher eine fiebrige Erkältung zu kurieren hatte. Die 267,5 km ging der für das deutsche Team BORA hansgrohe fahrende Slowake deshalb auch sehr ruhig an und hielt sich zunächst unbeobachtet im Feld auf. Vor großartiger Zuschauerkulisse mit dem norwegischen Kronprinz Haakon und seiner Gattin Mette-Marit entwickelte sich ein äußerst spannendes Rennen mit einer frühen Ausreißergruppe, die bis zu zehn Minuten Vorsprung herausfuhr. Durch die Führungsarbeit insbesondere der Dänen, Niederländer und Franzosen wurden die Ausreißer 85 km vor dem Ziel eingeholt und kurz danach bildete sich unter Führung des Österreichers Marco Haller eine neue Gruppe von acht Fahrern, die sich auf die vier Fahrer Jack Haig aus Australien, Tim Wellens aus Belgien, Odd Christian Eiking aus Norwegen und Jarlinson Pantano aus Kolumbien reduzierte. 

 Sagan

Als die letzte Runde eingeläutet wurde und die Ausreißer gestellt waren, griffen der Niederländer Sebastian Langeveld und der Deutsche Paul Martens recht erfolgversprechend an, jedoch wurden auch sie wieder gestellt und nun jagte eine Attacke die andere. Die Franzosen Tony Gallopin und Julian Alaphilippe, der Italiener Gianni Moscon, der Weißrusse Vasil Kiryienka und der Österreicher Lukas Pöstlberger suchten ihr Heil in der Flucht, aber auch für sie reichte es nicht zum entscheidenden Coup, so dass im Finale knapp 30 Fahrer im Massenspurt um den Weltmeistertitel sprinteten. Es war der Norweger Alexander Kristoff, der den Spurt eröffnete und schon wie der Sieger aussah, als Peter Sagan an seinem Hinterrad klebte, auf den letzten Metern aber an ihm vorbeizog und hauchdünn seinen dritten Titel als Straßenweltmeister in Folge errang und der Drittplatzierte Michael Matthews aus Australien enttäuscht seine Hände auf den Lenker schlug. Damit ging Peter Sagan in die Radsporthistorie ein, denn noch nie zuvor hatte es einen Titelhattrick gegeben, wenngleich es mit dem Italiener Alfredo Binda, den Belgiern Rik van Steenbergen und Eddy Merckx sowie dem Spanier Oscar Freire Fahrer gibt, die ebenfalls dreimal Weltmeister, aber nicht in Folge, wurden. Aber „Chapeau“ für Peter Sagan, der angesichts seines großen Triumphes nicht den tödlich verunglückten Italiener Michele Scarponi vergaß, dem er diesen Sieg ebenso widmete wie seiner Frau, mit der der sympathische Slowake demnächst ein Kind erwartet. 

Sagan 

Bester Deutscher war der Berliner Simon Geschke auf Platz 20 zeitgleich mit dem Sieger, während Nikias Arndt als 40., Marcus Burghardt als 47. und Tony Martin als 69. mit jeweils 2:32 Minuten Rückstand ins Ziel kamen. Auch Paul Martens (90.), Rick Zabel (99.) sowie  der im Verlaufe des Rennens verheißungsvoll attackierende Nils Politt (114.) erreichten das Ziel ebenso wie Jasha Sütterlin (116.) und Johannes Fröhlinger (118.), so dass alle deutschen Fahrer das Rennen zu Ende fuhren. Das war durchaus eine bemerkenswerte Leistung, denn von 195 gestarteten Fahrern gaben bei einer Disqualifikation nicht weniger als 62 das Rennen auf. 

Bericht: Bernd Mülle          

Fotos: Arne Mill (frontalvision.com)

> zur turus-Fotostrecke: Straßen-WM 2017 in Bergen

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