Die neuen Six Day Berlin im Zwischenfazit: Nach holprigen Beginn noch viel Luft nach oben

BM Updated 23 Januar 2017
Die neuen Six Day Berlin im Zwischenfazit: Nach holprigen Beginn noch viel Luft nach oben

Als langjähriger Beobachter der Sechstageszene von den 50er Jahren bis heute sei es mir einmal erlaubt, einige Anmerkungen zu machen, zumal in diesem Jahr die veranstaltende britische Madison Sports Group erstmals mit einem völlig neuen Konzept angetreten ist, das im Vorfeld dem Geschäftsführer Valts Miltovics und seinem Organisationsteam einiges abverlangt hat. Das Berliner Rennen ist ebenso wie die Rennen in London, Amsterdam und Kopenhagen in einer Serie eingebettet, die mit einem spektakulären Finale im März auf Mallorca enden soll. Dabei soll mit dem Konzept vor allem auch junges, neues Publikum angelockt werden, um die Fortsetzung dieses Events für die Zukunft sicherzustellen.   

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Six Day

„Das Berliner Sechstagerennen ist ein etabliertes Event, das einige Neuerungen erfahren wird,  wo der Focus weiterhin auf den Sport ausgerichtet ist, aber vor allem auch der so wichtige Radsport-Nachwuchs weiter mit einbezogen wird“, sagte Valts Miltovics u.a. bei der Pressekonferenz einen Tag vor Beginn der Six Day Berlin. „Lassen sie sich überraschen von Dingen, die ich heute noch nicht verraten will“, fügte er an, bevor ein Rundgang durch das Velodrom die Pressekonferenz abrundete. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Halle noch zum Teil hergerichtet für die Großveranstaltung, die einen vor allem logistischen Aufwand erfordert, um den man die Macher nicht gerade beneidet.

Der erste Eindruck beim Betreten des Velodroms am Eröffnungsabend war zunächst etwas verwirrend, denn die frisch eingeschalteten Scheinwerfer gaben ein Licht von sich, das die Halle wie im Nebel erscheinen ließ. Aber das regelte sich sehr schnell zum Positiven und man konnte sich ein erstes Bild von einigen Neuerungen machen, die schon beeindrucken konnten. Eine Anzeigetafel mitten in der Halle, die die Ergebnisse und Rennstände sowohl auf den Geraden als auch in den Kurven dem Publikum näherbringt, ein Podium mitten im Innenraum, wo die Siegerehrungen stattfinden, daran anschließend die Kojen der Sechstagefahrer in zwei Längsreihen aufgestellt und für die Medienvertreter gut zugängig, all das hatte es bisher so nicht gegeben.

Six Day Berlin Fotos

Der Bereich VIP Lounge im Innenraum wurde mit großem finanziellen Aufwand völlig neu gestaltet: mit erhöhten Tischen und Barhockern wurde die Sicht für die ca. 700 VIP Plätze erheblich verändert, die es den Gästen gestattet, nun auch das Renngeschehen wesentlich besser verfolgen zu können. Dafür mussten angabegemäß die aufwendigen Arbeiten für die Fernsehübertragung bei Eurosport weichen, wo die Einschaltquoten vor allem beim Rennen in Amsterdam doch offensichtlich zu wünschen übrigließen. „Auch in Kopenhagen wird es keine Übertragung bei Eurosport geben“, ergänzte Valts Miltovics, der für Berlin aber zumindest einen Live-Stream in Aussicht stellte.

Die Halle war am ersten Tag nicht ausverkauft, es ergaben sich etliche Lücken auf den Rängen und von dem bekannten DJ Tomekk, durchaus ein Meister seines Fachs, sprang der Funke vor allem bei den spektakulären Sprintern und auch im Mannschaftszeitfahren nicht auf das Publikum über. Das änderte sich aber schon am zweiten Tag, der ähnliche Lücken auf den Zuschauerrängen aufwies, als mit wesentlich fetziger Musik vor allem die Sprinter in Szene gesetzt wurden. „Es kann nicht gleich alles perfekt sein“, äußerte sich Sprinter-As Robert Förstemann, „lassen wir es langsam angehen, dann wird es im nächsten Jahr richtig krachen“, ist der beliebte Sprinter überzeugt.

Förste

Apropos „langsam angehen“: die Sechstageprofis haben sich in den ersten zwei Nächten in etwas ungewohnter Weise präsentiert. Die bisher ausgetragenen Jagden brachten nur wenige Rundengewinne, an das Bremer Sechstagerennen mit allerdings wesentlich kürzerer Bahn durfte man dabei nicht denken. Teilweise sah es aus, als bewegten sich die Fahrer eher auf einer Trainingsfahrt, es fehlten einfach die so spektakulären Vorstöße aus dem Feld heraus. Das sah in den letzten Jahren wesentlich anders aus und ist vielleicht auch auf die zuletzt innerhalb kürzester Zeit ausgetragenen Sechstagerennen in Rotterdam und vor allem Bremen zurückzuführen, wo sich seitdem einige Fahrer wie Christian Grasmann oder Leif Lampater mit grippalen Infekten herumplagen oder Lokalmatador Marcel Kalz sogar wegen akuter Sitzbeschwerden in der zweiten Nacht im Velodrom neutralisiert werden musste. Was für das Auge des Besuchers so „langsam aussieht“, ist die Folge dessen, dass auf den 250 Meter Bahnen in der neuen Six Day Serie wesentlich größere Übersetzungen gefahren werden, als auf den kleinen 166 Meter Bahnen in Gent und Bremen. Dadurch ist das Grundtempo wesentlich höher und gleichmäßiger. Spektakuläre Antritte, wie man sie noch vor zwei Jahren bestaunen konnte bieten sich daher kaum, weil es extrem kraftaufwendig ist den „dicken Gang“ immer wieder in Schwung zu bringen. Aufgrund dieser Fahrweise sind derzeit noch 12 (!) Mannschaften aussichtsreich im Kampf um den Sieg dabei, nur maximal um eine Runde voneinander getrennt. Das hat es noch nie gegeben!    

Grasi

Vielleicht fehlen auch die Punkte, die es in der Vergangenheit am Ende einer jeden Jagd gegeben hat und für einen kampfbetonten Verlauf gesorgt haben. Das Punktsystem generell ist m. E. zu überdenken, denn Punkte für alle Teams bzw. gleiche Punktzahl für Jagden, Scratch und Mannschaftsausscheidung werden der nach wie vor wichtigsten Disziplin, dem Madison, nicht gerecht. 

Das sind nur einige, wenige Punkte, die im Anschluss des Sechstagerennens vielleicht einmal in größerer Runde diskutiert werden sollten. Ein Sonderlob gilt dem gestern von seinem Partner allein gelassenen Leif Lampater, der aus dem Scratchrennen in den ersten sechs Runden den beliebten, am Tag zuvor vermissten, Laola-Spurt machte und damit beim Publikum gut ankam. Durchaus gut auch der neue Wettbewerb „Longest Lap“, der in der Revolutions-Serie in Großbritannien die Zuschauer stets zu stehenden Ovationen veranlasst. 

Six Day

Wir sind gespannt auf die nächsten Tage im Berliner Velodrom und in guter Hoffnung, dass das vorhandene Steigerungspotenzial noch besser ausgeschöpft wird. Das Berliner Sechstagerennen ist eine Institution, die dem Sportkalender der Hauptstadt weiter erhalten bleiben muss. Ein kleiner Hinweis noch zum Schluss: wie wäre es, wenn das sehr gut gestaltete Programmheft in Zukunft kostenlos verteilt wird, wie es zum Beispiel in anderen Städten üblich ist? Es scheint, dass der Verkauf doch sehr schleppend erfolgt.

Text: Bernd Mülle     

Fotos: Arne Mill

> zur turus-Fotostrecke: Six Day Berlin 2017

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Inhalt der Neuigkeit:
  • Ausblick
  • Rennbericht
Name des Radrennens
  • Berliner Sechstagerennen

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Es wurde die letzten Tage mächtig zugelegt. Man hatte schnell aus den Fehlern gelernt. Da bin ich dann doch angenehm überrascht, auch wenn noch nicht alles rund ist.

Gruß Robert
R
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G
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Super zusammengefasst! Tausend Dank!!
R
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