Nur mäßige Bilanz bei der Bahn-EM für den Bund Deutscher Radfahrer

BM Updated 25 Oktober 2016
Nur mäßige Bilanz bei der Bahn-EM für den Bund Deutscher Radfahrer

Nach den Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen standen die Europa- meisterschaften im Bahnradsport im französischen Saint-Quentin-en-Yvelines eher im Blickfeld des internationalen Nachwuchses. So waren die Fahrer der ersten Garde des Bahnradsports in der Unterzahl, wenngleich klangvolle Namen wie Kenny de Ketele und Moreno de Pauw aus Belgien, Sylvain Chavanel, Morgan Kneisky und Kevin Sireau aus Frankreich, Steven Burke aus Großbritannien, Albert Torres und Sebastian Mora aus Spanien sowie Robert Förstemann und Leif Lampater aus Deutschland die Starterliste zierten. Auch bei den Frauen waren mit Jolien D’Hoore aus Belgien, Katie Archibald aus Großbritannien, Kirsten Wild aus den Niederlanden und der Russin Anastasiia Voinova nur wenige Fahrerinnen aus der ersten Reihe am Start. Als zusätzliches Event mangels eines separaten Ausrichters wurde ohne Auswirkung auf den Medaillenspiegel in diesem Rahmen auch die Europameisterschaft der Steher ausgetragen, wo der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) mit zu den Favoriten zählte.

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schäfer

Da kommen wir gleich zum äußerst starken Abschneiden des BDR, denn die Steher erkämpften sich am Eröffnungsabend der Europameisterschaften sowohl Gold als auch Silber in einem Finallauf, der vom neuen Europameister Stefan Schäfer aus Forst mit seinem Schrittmacher Peter Bäuerlein und vom Cottbuser Franz Schiewer mit Gerd Gessler als Schrittmacher souverän beherrscht wurde. Beide lagen am Ende in einer Runde, während die Bronzemedaille an den Schweizer Altmeister Giuseppe Atzeni ging, der mit der Schrittmacherlegende Rene Aebi um nicht weniger als acht (!) Runden distanziert wurde, nachdem er zunächst in der ersten Hälfte des einstündigen Finals noch hatte mithalten können.

So war der Auftakt recht verheißungsvoll für den BDR, der aber in den insgesamt folgenden 22 Entscheidungen nur drei Medaillen errang und somit einen mehr als enttäuschenden 14. Platz im Medaillenspiegel belegte, der von Gastgeber Frankreich und Russland mit je drei Goldmedaillen angeführt wird. Auch unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass im Pariser Vorort nur die zweite Garnitur ins Rennen geschickt wurde, muss festgestellt werden, dass auch andere Nationen wie vor allen Dingen Großbritannien nahezu ausschließlich Nachwuchsfahrer einsetzten und weitaus besser abschnitten. Es waren erneut die Kurzzeit-spezialisten, die für zwei Silbermedaillen durch Eric Engler im 1000 m Zeitfahren und Pauline Grabosch im 500 m Zeitfahren sorgten und darüber hinaus durch Eric Engler, Routinier Robert Förstemann und Jan May noch Bronze im Teamsprint holten. Hier musste man ein wenig hadern, denn das Trio hatte in der Qualifikation Bestzeit gefahren, schlug die Spanier in der 1. Runde aber nur mit der drittbesten Zeit, so dass lediglich der Lauf um Bronze gegen Frankreich erreicht wurde. Die Franzosen hatten keine Chance gegen mit Wut im Bauch fahrende Deutsche, die mit 43,083 Sekunden die absolute Bestzeit des Turniers fuhren und somit die Bronzemedaille gewannen.

Engler

Zwei Medaillen also für Eric Engler, der sich in Frankreich in der Form seines Lebens präsentierte. Eine dritte Medaille lag durchaus im Bereich des Möglichen, denn der Cottbuser fuhr auch ein hervorragendes Sprintturnier, wo er in der 200 m Qualifikation den 7. Platz unter 31 Teilnehmern belegte, danach im Sechzehntelfinale den Litauer Vasilijus Lendelis bezwang, um dann dem Niederländer Roy van den Berg im Achtelfinale zu unterliegen. Über den Hoffnungslauf schaffte er dennoch den Sprung ins Viertelfinale und traf dort auf den Briten Ryan Owens, den er in zwei Läufen distanzierte. Im Halbfinale war erneut Roy van den Berg der Gegner und wiederum zog Eric Engler in drei Läufen den Kürzeren. Zunächst hatte er den ersten Lauf verloren und dann die beiden folgenden Läufe für sich entschieden, um dann von der Jury distanziert zu werden, die im dritten Lauf beanstandete, dass Eric Engler die Linie nicht korrekt eingehalten hatte. Eine harte Entscheidung, die offensichtlich durch den spektakulären Schlenker des Niederländers, an dem Eric Engler unschuldig war, beeinflusst wurde. Für den Kampf um Bronze war bei dem Deutschen verständlicherweise ein wenig die Luft raus und so reichte es gegen den Ukrainer Andriy Vynokurov in zwei Läufen  nur zum undankbaren 4. Platz.  

EM

Für Lichtblicke im deutschen Lager sorgten mit Pauline Grabosch (s.o.), die auch einen hervorragenden 5. Platz im Sprintturnier erreichte, und Marc Jurczyk (Vierter im Keirin) zwei junge Nachwuchskräfte und mit Charlotte Becker aus Berlin eine erfahrene Athletin, die im Punkterennen hinter Kirsten Wild aus den Niederlanden, Jolien D’Hoore aus Belgien und Katarzyna Pawlowska aus Polen einen guten vierten Platz belegte. Lucas Liss als Zehnter im Punkterennen und im Omnium –er gewann gleich zu Beginn den Scratchwettbewerb- enttäuschte genauso wie die beiden Vierer des BDR in der Mannschaftsverfolgung, die die Plätze 12 (Männer) und 10 (Frauen) einnahmen. Die erzielten Zeiten von Leif Lampater, Jasper Frahm, Lucas Liss und Sebastian Wotschke mit 4:06,902 Minuten bzw. von Charlotte Becker, Michaela Ebert, Tatjana Paller und Gudrun Stock mit 4:43,792 Minuten waren alles andere als erfolgversprechend und so sind die hier erzielten Ergebnisse im Vergleich zur Konkurrenz eher ein Rückschlag.

wotschke

Die beiden Berliner Sebastian Wotschke und Nachwuchstalent Moritz Malcharek zählten ebenfalls zum Aufgebot des BDR. Während Moritz Malcharek nur im Scratchrennen zum Einsatz kam und dort mit einem 12. Platz im Rahmen seiner Möglichkeiten blieb, war Sebastian Wotschke gleich dreimal im Einsatz, mit dem 9. Platz im Ausscheidungsfahren als sein bestes Ergebnis. Enttäuschend dabei sein Abschneiden beim Madison mit Leif Lampater, dem er kein gleichwertiger Partner war und somit für beide nur Platz 12 heraussprang. Gegen die dominierenden Spanier Sebastian Mora und Albert Torres, die ihren Titel verteidigten, hatten auch die Franzosen Morgan Kneisky/Benjamin Thomas und die Belgier Kenny de Ketele/Moreno de Pauw auf den weiteren Podiumsplätzen keine Chance. Hier blieb im abschließenden Wettbewerb dieser Europameisterschaften für den für Österreich fahrenden Berliner Andreas Müller an der Seite von Andreas Graf nur der vierte Platz übrig. 

Noch ein Wort zum Routinier Leif Lampater, der allein die Kastanien nicht aus dem Feuer holen konnte. Seine Form und seine Einstellung sind trotz seiner 33 Jahre nach wie vor vorbildlich, was er auch in der Qualifikation zur 4000 m Einzelverfolgung mit einer tollen Zeit von 4:20,922 Minuten unter Beweis stellte, die leider nur zu Platz sechs unter 30 Startern reichte. Der Lauf um Bronze lag für den sympathischen, mehrfachen Deutschen Meister und Weltcup-Sieger durchaus im Bereich des Möglichen.

Lampater

Im Ausdauerbereich bei den Frauen gibt es für den BDR noch eine Menge Arbeit. Der 16. Platz von Gudrun Stock im Omnium war enttäuschend, wenn auch in der 3000 m Einzelverfolgung der siebte Platz von ihr durchaus anerkennenswert war. Für junge Fahrerinnen wie Michaela Ebert, die im Ausscheidungsfahren auf dem 10. Platz landete, und Tatjana Paller, die das Scratchrennen nicht beendete, hängen die Trauben noch hoch. In diesem Bereich fahren die Deutschen insgesamt der Konkurrenz hinterher, so dass forcierte Trainingsarbeit auf hohem Niveau in Zukunft unerlässlich ist. Ansonsten werden die Frauen auch in absehbarer Zeit nicht konkurrenzfähig sein.

Das Zuschauerinteresse ließ in Frankreich leider ein wenig zu wünschen übrig, obwohl es spannende und sehenswerte Wettkämpfe gab. Im nächsten Jahr ist dann das Berliner Velodrom Austragungsort der nächsten Europameisterschaften, wo vor heimischer Kulisse die Medaillenausbeute des BDR hoffentlich eine Steigerung erfährt.

Text: Bernd Mülle     

Foto: Arne Mill

> zur turus-Fotostrecke: Bahn-EM 2016 in Paris

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O
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