Deutsche Straßentitel für Mieke Kröger und André Greipel

BM Updated 27 Juni 2016
Deutsche Straßentitel für Mieke Kröger und André Greipel

FrauenDer Schlusstag der nationalen Meisterschaften in Erfurt/Thüringen auf einem 15,4 Kilometer langen Rundkurs ohne nennenswerte Schwierigkeiten war für die Frauen und die Elite der Männer bestimmt. Für die Fahrer der Klasse U 23 wurde der Titelträger schon am letzten Wochenende in Berlin ermittelt, die im Rahmen des Velothon ihre Meisterschaft austrugen. Dort siegte in einem spannenden Finale der spurtschnelle Pascal Ackermann vom rad-net ROSE Team vor Konrad Geßner vom P&S Team Thüringen und Willi Willwohl vom LKT Team Brandenburg aus einer 15-köpfigen Spitzengruppe, die durch einen Sturz 500 Meter vor dem Ziel stark reduziert wurde. Es war ein Sieg mit Ansage, denn für Pascal Ackermann zählte an diesem Tag nur der Sieg, wie er vor dem Rennen selbstbewußt konstatierte.

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Der sympathische Titelträger war auf der Pressekonferenz in Berlin danach recht forsch in seiner Aussage, auch bei der Meisterschaft der Elite eine Woche später ein Wörtchen mitsprechen zu wollen, unabhängig von Fahrern wie Marcel Kittel von Etixx-Quick Step oder Andre Greipel von Lotto Soudal, die bei dem Kurs in Erfurt als Topfavoriten gelten. Aber nicht nur Pascal Ackermann wollte seine Chance zumindest für den dritten Podiumsplatz nutzen, auch viele andere Fahrer, die in Berlin dabei waren, hatten sich bei der Elite in die damit sage und schreibe 199 Fahrer umfassende Starterliste eingetragen. 

FrauenBegonnen wurde mit den Frauen schon früh um 8.00 Uhr, die sieben Runden über insgesamt 107,8 km absolvieren mussten. Am Start 78 Fahrerinnen, die bei angenehmen Temperaturen das Rennen in Angriff nahmen. Es war ein schneller Start mit von Beginn an etlichen Attacken, bis sich am Ziel der ersten Runde eine fünfköpfige Spitzengruppe mit einem Vorsprung von zehn Sekunden gebildet hatte, der Lena Vogl und Katharina Venjakob vom maxx-solar Women Cycling Team, Madeleine Ortmüller vom Sparkassen Girls Team Leipzig, Tatjana Paller vom Team Koga Ladies und Elena Büchler vom Team Stuttgart angehörten. Sie vergrößerten zwar den Vorsprung bis auf maximal 50 Sekunden, wurden aber schon kurz vor Vollendung der zweiten Runde vom geschlossenen Feld wieder gestellt. 

Danach war es die schon früh einen Defekt erleidende Gudrun Stock vom Team Koga Ladies, die zusammen mit Stefanie Paul vom Team Stuttgart einen Ausreißversuch unternahm, der ihnen bis zu 43 Sekunden Vorsprung am Ende der vierten Runde einbrachte. Am Ziel der fünften Runde war nur noch Gudrun Stock allein in Führung, aber lediglich sieben Sekunden vor dem geschlossenen Feld war abzusehen, dass auch für sie die Flucht bald ein Ende haben würde. So geschah es am Anfang der vorletzten Runde und dann wurde es im Feld bewegt, wodurch sich schließllch eine neue 11-köpfige Spitzengruppe mit allen Favoritinnen wie u.a. Trixi Worrack, Lisa Brennauer und Mieke Kröger vom Team Canyon SRAM Racing sowie Stephanie Pohl vom Cervelo Bigla Pro Cycling Team, Romy Kasper von Boels Dolmans und Claudia Lichtenberg von Lotto Soudal Ladies bildete, aus der sich dann Romy Kasper und Mieke Kröger lösen konnten und eingangs der Schlussrunde mit 16 Sekunden Vorsprung das Ziel passierten. 

MiekeDie am Freitag noch etwas enttäuschte Mieke Kröger, der der Zeitfahrkurs nicht unbedingt zugesagt hatte, zeigte sich beim Straßenrennen besonders motiviert und demonstrierte ihre Stärke, als sie in der letzten Runde noch Romy Kasper abschüttelte und einen ungefährdeten Sieg im Alleingang herausfuhr. Nach 2:42,57 Stunden und mit einem Stundenmittel von 39,69 km lag die neue Deutsche Meisterin am Ende 10 Sekunden vor dem großen Hauptfeld, aus dem ihre Teamkameradin Lisa Brennauer nach Bronze im Zeitfahren nun Silber im Straßenrennen errang.  Überraschend war der Ausgang des Rennens auf Platz drei und vier, denn hier landeten mit Jenny Hofmann vom Sparkassen Girls Team Leipzig und Jasmin Rebmann vom Racing Students Women Team zwei Fahrerinnen, mit denen so nicht zu rechnen war. Sie distanzierten immerhin Charlotte Becker von Hitec Products und Stephanie Pohl, die die Plätze fünf und sechs belegten. Keine Spurtambitionen hegte die Zeitfahrmeisterin Trixi Worrack, die im Hauptfeld auf Rang 35 einkam.

SiegerNeben Jenny Hofmann, die als ehemalige Kurzzeitathletin erst im letzten Jahr in den Ausdauerbereich gewechselt ist und hier bei ihrer ersten Deutschen Meisterschaft in der Frauenklasse sensationell Bronze gewann, ist noch eine weitere, bislang völlig unbekannte Rennfahrerin zu erwähnen: Hanna Muegge, in Deutschland geboren und seit langem in den USA zu Hause, startete mit internationaler Lizenz in ihrem ersten Rennen in Deutschland. Die sympathische Sportlerin erreichte einen völlig unerwarteten 10. Platz und war nach dem Rennen mehr als glücklich.  

Glücklich waren auch die beiden Erstplatzierten Mieke Kröger und Lisa Brennauer, die mit hervorragender Teamarbeit einen Doppelsieg realisieren konnten. Eine Genugtuung für Mieke Kröger nach dem nicht ganz zufriedenstellenden Zeitfahren und auch für Lisa Brennauer, die nach den Mißgeschicken der letzten Wochen einen starken Spurt um Rang zwei hinlegte und deren Formkurve insbesondere im Hinblick auf die Olympischen Spiele wieder nach oben gerichtet ist. 

Marcel Kittel muss sich geschlagen geben

- Vizemeister wird Maximilian Walscheid nach langer Verletzungspause -

EliteDanach waren um 11.30 Uhr die Elitefahrer an der Reihe, die mit 199 Teilnehmern die doppelte Distanz der Frauen zu absolvieren hatten und damit 215,6 km auf dem 15,4 km langen, topographisch nicht sehr anspruchsvollen Kurs zurücklegten. Aber vor dem Start rechneten nicht alle mit der von den meisten erwarteten Massenankunft, denn der zum Teil heftige Wind ließ einige Unwägbarkeiten zu, so dass durchaus die Ankunft einer kleinen Gruppe oder auch ein Alleingang möglich schien. So auch die Aussage des in dieser Saison schon mit einigen guten Ergebnissen aufwartenden Nils Politt vom Team Katusha, als er bei der Einschreibung interviewt wurde. Diese konnte man, trotz interessanter Interviews, nicht gerade als gelungen bezeichnen, denn die Rennfahrer mussten sich teilweise den Weg durch die vielen Fans zur Einschreibung bahnen. Hier hätte man sich an die Organisatoren beim WorldTour Rennen in Hamburg anlehnen und mit entsprechender Absperrung für weniger Chaos sorgen können. 

DMNicht am Start war u.a. Stefan Schumacher von Christina Jewelry Pro Cycling , der am Freitag durch seine Zeitstrafe aufgrund von Windschattenfahren negativ aufgefallen war und vielleicht deshalb aus Verärgerung darüber auf das Straßenrennen verzichtete. Das Rennen begann dann sehr bewegt mit vielen Ausreißversuchen, die aber alle in den ersten sechs Runden gekontert wurden, so dass immer wieder ein geschlossenes Feld das Ziel passierte. Dann versuchte es eine Gruppe u.a. mit so hochkarätigen Fahrern wie Andre Greipel von Lotto Soudal und Nils Politt, zu denen eine Verfolgergruppe u.a. mit Tony Martin von Etixx-Quick Step, Lennard Kämna von der Stölting Service Group, aber auch mit den Berlinern Simon Geschke vom Team Giant-Alpecin und Maximilian Schachmann vom Team Klein Constantia aufschloss. 

Bei der siebten Zieldurchfahrt lagen dann mit Jonas Koch vom Team Verva Active Jet, Tony Martin, Lennard Kämna, Andreas Schillinger von Bora-Argon 18, Marcel Franz vom LKT Team Brandenburg, Patrick Gretsch von Ag2R-La Mondiale, Andre Greipel und Nils Politt acht Mann mit einer halben Minute Vorsprung in Führung. Zu diesem Zeitpunkt, also zur Rennhälfte, war eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 48,5 km/h zu verzeichnen. Als erster aus dieser Gruppe fiel dann Marcel Franz zurück, aber auch die anderen, zu denen inzwischen Grischa Janorschke vom Team Roth aufgeschlossen war, wurden vom Feld, das enorm Tempo machte, wieder eingefangen. Doch kurz danach ein erneuter Ausreißversuch, initiiert von Thomas Koep von der Stölting Service Group, dem sich Andreas Schillinger, Florian Bissinger von WSA-Greenlife, Robert William Kessler vom LKT Team Brandenburg und Florian Kretschy vom Cycling Team Sachsen anschlossen, die bei der neunten Zieldurchfahrt 16 Sekunden vor dem Feld lagen. Die Gruppe der fünf Ausreißer harmonierte gut und vergrößerte ihren Vorsprung sukzessive auf 1:25 Minuten bei der nächsten Zieldurchfahrt, wenngleich zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung in Sicht war.

Immer wieder versuchten Gruppen und auch einzelne Ausreißer dem Rennen ihren Stempel aufzudrücken, aber weder Phil Bauhaus und Michael Schwarzmann von Bora-Argon 18 noch Tony Martin und Nils Politt, die sich des öfteren in Szene setzten, konnten sich entscheidend absetzen, zumal im Feld mächtig Tempo gemacht wurde. Als der Zusammenschluss des Feldes erfolgte war es eine nächste, vierköpfige Gruppe mit Andreas Schillinger, Carl Soballa vom LKT Team Brandenburg, Jonas Rapp vom Team Heizomat und Alexander Meier von Hrinkow Advarica, die ihr Glück versuchte. Auch die Berliner Silvio Herklotz von Bora-Argon 18 und Maximilian Schachmann versuchten Anschluss zu finden, aber letztlich waren alle chancenlos gegen Deutschlands Topsprinter. 

GreipelEs war vor allem Tony Martin, der das Tempo im Feld hoch hielt und eine bärenstarke Leistung bot, die auch sein Teamkamerad Marcel Kittel in der anschließenden Pressekonferenz bestätigte. „Er hat für zehn Mann gearbeitet und darauf bin ich sehr stolz“, betonte der vermeintliche Topfavorit, dessen Enttäuschung über die verpasste Meisterschaft groß war. Als noch zwei Runden zu fahren waren, gab es weitere Vorstöße aus dem Feld, die aber nicht mehr zum Erfolg führten. Zuletzt hatten es noch Michael Schwarzmann, Grischa Janorschke und Yannick Mayer von Veranclassic-Ago versucht, aber auch ihr Versuch wurde schließlich im Keim erstickt, als noch 2.500 Meter zu fahren waren und die Sprinter sich so langsam sortierten. Etwa einen Kilometer vor dem Ziel wurde das Feld durch einen Sturz auseinandergerissen, daraufhin versuchte es noch einmal Nils Politt mit einer Attacke, bis dann die Sprinter das Wort hatten und ein unwiderstehlicher Andre Greipel sich seinen dritten Deutschen Meistertitel sicherte. Sensationell auf Platz zwei landete der am Jahresanfang so schwer gestürzte Maximilian Walscheid vom Team Giant-Alpecin vor dem enttäuschten Marcel Kittel, der seiner Mutter gern den Sieg zum heutigen Geburtstag geschenkt hätte. Auf einem hervorragenden vierten Platz landete der Deutsche Meister der Klasse U 23 Pascal Ackermann, der damit erneut seine derzeit hervorragende Form unterstrich. 

SiegerIn der abschließenden Pressekonferenz zeigte sich Andre Greipel stolz auf seinen dritten Titel, ohne dabei seinen schwer verletzten Teamkameraden Stig Broeckx aus Belgien zu vergessen, dessen Gesundheitszustand ihn immer noch sehr belastet. Während Marcel Kittel unumwunden seine Enttäuschung äußerte und dieses für einen Leistungssportler als normal bezeichnete, war Maximilian Walscheid mit dem zweiten Podiumsplatz mehr als glücklich. „Zwischen zwei Weltklassesprintern zu liegen und das nach dem fürchterlichen Frühjahr, wo ich sogar an Invalidität denken musste, ist das schon sensationell“, gab der redegewandte, äußerst sympathische Sportler zu Protokoll. Er fuhr hier nach viermonatiger Pause, wo er zwei Monate überhaupt kein Rad gesehen hatte, erst sein viertes Rennen und verspürt dabei phasenweise immer noch Schmerzen. 

Zum Abschluß noch ein Wort zur TeamSpirit GmbH mit ihrem Rennleiter Jörg Werner, die als Ausrichter wieder einmal durch eine hervorragende Organisation glänzte. Über die etwas chaotische Einschreibung sollte sich der Bund Deutscher Radfahrer e.V. als Veranstalter durchaus einmal Gedanken machen.

Text: Bernd Mülle

Fotos: Arne Mill

> zur turus-Fotostrecke: Straßen-DM 2016

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