Revolutions bei Wein und Gänseleberpastete mit einem Frenchman in London

AM Updated 17 November 2015
Revolutions bei Wein und Gänseleberpastete mit einem Frenchman in London

FrankreichVielleicht war es wieder einmal eine Fügung des Schicksals, dass ich am vergangenen Samstag während meiner Arbeit bei den Revolutions in der britischen Hauptstadt bei einem in London lebenden Franzosen aus Paris untergekommen bin. Sichtlich aufgewühlt wegen der schrecklichen Ereignisse aus der vergangenen Nacht war der Empfang trotzdem sehr herzlich und freundlich. Auf dem Laptop im Wohnzimmer lief ein französischer Nachrichtensender und Seb, mein Vermieter. war am telefonieren, ob all seine Verwandten und Freunde in Sicherheit seien. So bekamen auch für mich die schrecklichen Fernsehbilder aus der vergangenen Nacht eine seltsam beklemmende und persönliche Note, der ich im ersten Moment nur mit Sprachlosigkeit begegnen konnte.

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Als ich um halb eins aus dem Lee Valley VeloPark zurück kam, war die Stimmung schon etwas gelöster. „Meine Freunde und Verwandten sind alle in Sicherheit, ihnen ist zum Glück nichts passiert“, begrüßte mich Seb und sagte zu mir „komm setz dich zu uns wir trinken noch einen Schluck“. Eine gute Freundin war ebenfalls zu Besuch gekommen und man hatte schon ein, zwei Flaschen Wein geleert, um das, was Tags zuvor geschehen ist, zu verarbeiten. Seb hatte in seiner Küche mehrere Holzkisten zu stehen, in denen einige Flaschen französischen Rotweins in Holzwolle gebettet lagerten. Während er in den Kisten und der Holzwolle wühlte, sagte er: „Das ist mein kleines bisschen Frankreich hier in London und immer wenn ich traurig bin oder es etwas zu feiern gibt, hole ich ein kleines bisschen Frankreich aus der Kiste. Trinkt ihr Deutschen überhaupt Wein oder trinkt ihr nur Bier?“ Und so waren wir ratz fatz von der französischen Weinkiste in der typischen Klischeekiste, die die Franzosen über die Deutschen haben. 

Ich hatte bereits bei meiner Ankunft das wichtigste aller Klischees erfüllt, weil ich ihm geschrieben hatte, ich sei so gegen Mittag da und stand bereits 11:45 Uhr vor der Tür. Das wurde natürlich erst einmal ordentlich breit getragen so nach dem Motto „Wenn der Deutsche sagt er kommt um zwölf, ist er bereits um 11:45 Uhr da!“ Nachdem die halbe Flasche geleert war, wurden eine paar kleine französische Spezialitäten aufgetragen, wie Gänseleberpastete in Weißwein und man kam direkt auf die typischen deutschen Spezialitäten zu sprechen, wie Eisbein mit Sauerkraut, Klopse und Bratwurst. Da ich aus meinen vergangenen Reisen durch Frankreich wusste, dass die Franzosen die Worte mit unseren harten Konsonanten ganz besonders lieben, gab es gerade bei so schönen Gerichten wie Bratwurst und Kartoffelpuffer kein halten mehr. 

WeinDer Franzmann und die Franzfrau überschütteten sich regelrecht vor Lachen und waren eine halbe Stunde damit beschäftigt, die linguistische Aneinanderreihung der Buchstaben zu üben, was natürlich nach zwei drei Flaschen Rotwein nicht leichter wurde. Also wurden noch drei ungarische Liköre herausgeholt, die ihm ein Freund mitgebracht hatte und die man nun ja endlich mal probieren müsse. Sehr gute Idee! Obwohl ich mit zwei Flaschen Wein im Rückstand lag, bekam ich so erste Bedenken, wollte aber kein Spielverderber sein und gehorchte, womit ich das nächste Klischee erfüllte, welches sofort mit einem militärischen Gruß honoriert und registriert wurde.

Als nächstes tischte Seb selbst gebackenen Kuchen auf und bei den süßen Sachen wurde das Gespräch natürlich auf die Politik gelenkt. Als die beiden mir dann mit inbrünstiger Überzeugung auftischten, dass unsere Angela das Schönheitsideal des deutschen Mannes ist, konnte ich dann aber auch nicht mehr vor lachen und konterte, dass ihr Ex- und zukünftiger Premier, der Mann an der Seite von Frau Bruni, im deutschen Volksmund „der kleine Napoleon“ genannt wird, war das Gespräch wieder im Gleichgewicht. Um halb vier waren wir der festen Überzeugung, dass Frankreich und Deutschland die Säulen Europas sind und eng zusammen stehen müssen. „Very close together“, antwortete Seb und einer der Abende, die mich zu einem wirklich reichen Menschen machen, ging zu Ende.

VerdunIn den letzten zwei Jahren führte die Tour de France immer wieder vorbei an den Kriegsgräberstätten des ersten Weltkrieges, wo sich von 1914 bis 1918 Deutsche und Franzosen auf brutalste Weise bekriegten, mit Bajonetten aufschlitzten und mit Giftgas der übelsten Sorte bekämpften. 100 Jahre später sitzen wir in London zusammen an einem Tisch, trinken Wein und scherzen ohne Tabus. Wir wissen wie bescheuert dieses sinnlose Schlachten und das Morden war und wir wissen auch, wie sinnlos und krank die Anschläge auf die jungen unschuldigen Menschen in Paris waren. Vielleicht sitzen irgendwann die Kinder, Enkelkinder und die Angehörigen der Opfer und Täter zusammen an einen Tisch, trinken Wein und wühlen ordentlich tief in der Klischeekiste, je früher desto besser.

Es gab natürlich auch sportliches aus London zu berichten. Angefangen mit einem Fahrerfeld der absoluten Extraklasse, wo die beiden Olympiasieger, der Waliser Geraint Thomas und dem Mann von der Isle of Man Peter Kennaugh vom Team SKY, die in der 4000 Meter Mannschaftsverfolgung 2012 in London an gleicher Stelle die Goldmedaille holten am Start waren.

scott LawAus der radsportbegeisterten Grafschaft Yorkshire stand Adam Blythe zusammen mit dem Australier Scott Law im Aufgebot des Team Orica GreenEdge. Die beiden Belgier Jasper de Buyst und Otto Vergaerde rollten sich warm für ihr heimisches Sechstagerennen, welches am kommenden Dienstag in Gent beginnt. Der Gewinner der Runde 2 in Manchester Iljo Keisse aus Belgien, ging mit dem Niederländer Wim Stroetinga für das Team PedalSure ins Rennen. Für die Maloja Pushbikers starteten wie schon in Manchester der Berliner Lokalmatador Marcel Kalz und der sympathische Holzkirchener Christian Grasmann. 

GrasmannMarcel Kalz konnte gleich zu Beginn mit 13,729 Sekunden die Bestmarke über die Fliegende Runde setzen und auch über die 1000 Meter Teamzeitfahren, wo Kalz und Grasmann eine Zeit von 56,232 Sekunden fuhren, blieben die Pushbikers ungeschlagen. In den anderen 3 Disziplinen drehte die Konkurrenz gehörig auf und ließ die beiden Deutschen ganz schön schwitzen. Allen voran der Belgier Iljo Keisse und der Niederländer Wim Stroetinga, die am Ende die Gesamtführung behaupteten. Mit Platz 3 im Mannschaftsausscheidungsfahren, wo eigentlich sogar mehr drin gewesen wäre, Platz 4 im Punktefahren durch Christian Grasmann und Platz 6 und 10 in der Longest Lap zeigten die beiden Deutschen, die sich seit Jahren mit sehr viel Leidenschaft dem britischen Publikum präsentieren, dass sie zu den besten Bahnfahrern der Welt gehören.

KelemenIm Wettbewerb der Sprinter unterlag der Brite Callum Skinner dem tschechischen Keirin Europameister Pavel Kelemen und Matthew Rotherham, für die Maloja Pushbikers startend, konnte sich im Rennen um Platz 3 gegen Lewis Oliva durchsetzen.

Auch im Rennen der Future Stars haben die Maloja Pushbikers ein paar richtig heiße Eisen im Feuer. Anna Docherty gewann das Punktefahren bei den Girls und Hamish Turnbull holte den Sieg über die 6 Temporunden bei den Boys.

Das Team hatte wieder einmal sichtlichen Spaß und wurde vom britischen Publikum frenetisch gefeiert. Christian Grasmann musste am Ende noch ein paar Minuten dranhängen, um alle Autogrammwünsche der Jüngsten im Publikum zu erfüllen.

Fotos: Arne Mill

> zur turus-Fotostrecke: Revolution Series 2015 in London

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