77. Gent – Wevelgem: Luca Paolini und Floortje Mackaij setzen sich durch

AM Updated 30 März 2015
77. Gent – Wevelgem: Luca Paolini und Floortje Mackaij setzen sich durch

Luca„Ich sah jedem ins Gesicht und sah in müde glasige Augen! Die waren alle alla frutta, fertig – wie wir in Italien sagen.“ Und so setzte der Italiener Luca Paolini vom Team Katusha gut sechs Kilometer vor dem Ziel die entscheidende Attacke, die ihm den Solosieg des Klassikers Gent – Wevelgem bescherte. Platz zwei ging an den Niederländer Niki Terpstra vom Team Etixx – Quick Step und Dritter wurde der Brite Geraint Thomas vom Team SKY.

Schon während der Teampräsentation gab es einige lange Gesichter um der Aufgabe, die am bevorstehenden Arbeitstag auf die Rennfahrer warten sollte. Nur einer, John Degenkolb, hat seit dem vergangenen Sonntag das Grinsen immer noch nicht aus dem Gesicht verloren und so war er auch am heutigen Tag wieder Gesprächspartner seines neuen belgischen Freundes Michel Wuyts. Degenkolb klagte zwar über Schmerzen, die er sich beim Massensturz im E3 Prijs von Harelbeke am vergangenen Freitag zugezogen hatte, doch er hoffe sich im Finale wieder so motivieren zu könne, um vorn mit dabei zu sein. „Wer soll sich denn fürs Finale richtig motivieren können, wenn nicht Du“, entgegnete Wuyts und Degenkolb antwortete: „Ja ich bin ein Motivationstier!“

GentÜber Sinn und Unsinn des Rennens wurde im Nachhinein sehr eifrig diskutiert. Regen, heftige Sturmböen von bis zu 90 km/h und Temperaturen um die 8 Grad Celsius machten die Veranstaltung wirklich nicht zu einem Vergnügen. Bereits nach Hälfte des Rennens forderten die ersten sportlichen Leiter, das Rennen zumindest abschnittsweise zu neutralisieren. Rennfahrer wurden regelrecht von der Straße gefegt, landeten im Straßengraben, Räder und Fahrer flogen in einen Kanal - gingen regelrecht baden. Andere Fahrer warfen vor lauter Wut und Frust ihre Arbeitsgeräte in die düster wirkende belgische Landschaft. Das Rennen forderte bereits frühzeitig seine ersten prominenten Opfer. Der Slowake Martin Velits vom Team Etixx - Quick Step und der Norweger Edvalt Boasson Hagen vom Team MTN Qhubeka mussten bereits frühzeitig mit Schlüsselbeinbruch ausscheiden.

skyWährend die Mehrzahl der Fahrer nach wenigen Kilometern die Schnauze gestrichen voll hatten, gab es trotzdem einige richtige Motivationstiere, um auf John Degenkolbs Wortschöpfung zurückzugreifen. Allen voran wieder der Waliser Geraint Thomas vom Team SKY, der Niederländer Niki Terpstra vom Team Etixx - Quick Step, der Sieger Luca Paolini und natürlich der Belgier Jurgen Roelandts vom Team Lotto Soudal, um nur ein paar prominente Namen zu nennen.

Bei aller Kritik um die Durchführung kommt man nicht umhin, von einem sehr packenden und spannenden Rennen zu sprechen.  Und das, weil sämtliche taktischen Vorgaben und Szenarien, wie man sie aus den vielen anderen Eintagesrennen kennt völlig ausgehebelt wurden. Es war vor allem die kämpferische Leistung einzelner Charaktere, die einen wirklich mitriss. Angefangen von den vielen Attacken und Windstaffeln, über die gesamte Straßenbreite verteilt zu Beginn des Rennens, über die lange Solofahrt des Belgiers Jurgen Roelandts, die Bildung der Verfolgergruppe, das aufschließen von Terpstra und Paolini, der Sturz von Thomas und wie er sich wieder zurück kämpfte bis hin zur entscheidenden Schlussattacke von Paolini. Ein Rennen das über die gesamte Distanz an Dramatik und Spannung kaum zu überbieten war.

sektLeider bleibt es nicht aus, dass es gerade bei solchen Witterungsbedingungen immer eine menge Fahrer gibt, die kein Glück haben und im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke bleiben. Insofern ist es auch richtig sich an dieser Stelle ernsthaft Gedanken über die Sicherheit und die Gesundheit der Fahrer zu machen. Wobei die sportlichen Leiter nicht immer nur die Verantwortung auf die Organisatoren schieben dürfen, sondern wenn sie der Meinung sind, dass Gefahr für Sicherheit und Gesundheit der Fahrer besteht auch einmal selbst die Notbremse ziehen sollten. Zudem gab es auch deutliche Kritik einiger Rennfahrer am Rande, warum man bei solchen Witterungsverhältnissen mit Hochprofillaufrädern unterwegs ist. Selbst die relativ flachen, 35 und 40 mm hohen Profillaufräder erwiesen sich teilweise als unbeherrschbar und folgten mehr den Gesetzen der Natur als dem Willen der Rennfahrer. Bester Deutscher wurde der Pulheimer Gerald Ciolek vom Team MTN Qhubeka, der nach dem Rennen kein Wort über die Geschehnisse verlieren wollte.

ladyAuch die Damen bekamen die ganze Härte eines richtigen belgischen Klassikers erbarmungslos zu spüren. Doch wie auch bei den Herren war in diesem Rennen zu sehen wie Charaktere geformt werden. Stürzen, aufstehen, sich wieder nach vorn arbeiten, gegen Wind und Kälte ankämpfen, dem Regen trotzen, Dreck im Gesicht, der in den Augen brennt, schmerzende Wunden, schmerzende Beine, ans aufgeben denken, den inneren Schweinehund überwinden und sich für die Teamkameradinnen völlig aufopfern. Erlebnisse, die auch die beiden deutschen Fahrerinnen Charlotte Becker vom Team Hitec Products und Anna Knauer vom Team Rabo Liv Women Cycling Team an diesem Sonntag über 116 Kilometer teilen durften. Für Knauer, die in diesem Winter noch auf der Bahn unterwegs war und mit Gent - Wevelgem ihren ersten großen Klassiker bestritt, ist der 22. Rang ein überaus respektables Ergebnis. Sie hat damit eindrucksvoll gezeigt, wo ihre Zukunft liegen könnte. 

3 Kilometer vor dem Ziel attackierte die 19jährige Niederländerin Floortje Mackaij vom Team Liv Plantur aus einer neunköpfigen Spitzengruppe heraus, der nur Janneke Ensing ebenfalls aus den Niederlanden vom Team Parkhotel Valkenburg und die Australierin Chloe Hosking vom Team Wiggle Honda folgen konnten. Mackaij rettete 7 Sekunden vor ihren beiden Verfolgerinnen Ensing und Hosking ins Ziel.

Fotos: Arne Mill

> zur turus-Fotostrecke: 77. Gent – Wevelgem

 

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Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • Straßenrennen
Name des Radrennens
  • Gent - Wevelgem

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