Analyse und Fotos: UCI Bahnradsport Weltcup London 2014

AM Updated 09 Dezember 2014
Analyse und Fotos: UCI Bahnradsport Weltcup London 2014

LondonRadsport und Großbritannien ist eine weltweit einzigartige Symbiose. Man könnte denken, dass der Sport der Pedaleure hier seinen Ursprung hat. Die Atmosphäre beim 2. Bahnradsport Weltcup der Saison in London am vergangenen Wochenende war absolut einzigartig. Jeden Abend zu den Finals war der Lee Valley Velopark bis unters Dach gefüllt. Vor den Starts war es so leise, dass man in der ganzen Halle die Auslöseklicks der Fotografenkameras hören konnte. Nach dem Startschuss entlud sich ein tosender Beifallssturm auf den Rängen insbesondere, wenn ein Fahrer in den Farben des Union Jack eine Attacke ritt oder auf dem Vormarsch in Richtung Podestplatz war. Beim Sieg des britischen Damen- und Herren Vierers hätte man glauben können, das Olympia-Velodrom von 2012 würde jeden Augenblick aus den Angeln gehoben.

LondonAuch als Englands Bahnradsportliebling „The Queen Of Trackcycling“ Laura Trott in einem, bis zum letzten Rennen spannenden Omniumwettbewerb, den Sieg holte, war das Londoner Publikum nicht mehr auf den Sitzen zu halten. „Das Mädel macht einfach Spaß, die kommt mit einer fröhlichen Leichtigkeit daher und das kommt beim Publikum sehr gut an“ weiß auch Heiko Salzwedel, der vor kurzem zum Dritten mal beim National Team British Cycling eingestiegen ist und den Ausdauerbereich für Rio 2016 auf Medaillenkurs führen soll.

LondonNeben den Erfolgen der britischen Sportler weiß man allerdings die Wettbewerbe perfekt zu vermarkten und zu organisieren. Dabei setzt man nicht nur auf ein professionell durchorganisiertes Medienkonzept, sondern bindet das Publikum aktiv mit ein. Jeder hat die Möglichkeit direkt per eMail, Facebook und Twitter seine Fotos und Videoclips, an die Veranstalter zu senden, welche dann zwischen den Wettkämpfen auf den Videoleinwänden immer wieder eingeblendet werden.

Ein Moderator ist permanent in und rund um die Halle unterwegs, berichtet ausführlich in Interviews mit Sportlern, dem Publikum, aus den Massageräumen, dem Cateringbereich, über die Konstruktion der Bahn und vieles mehr. Die Eintrittspreise liegen zwar bei umgerechnet stolzen 40 Euro, aber Qualität zahlt sich am Ende aus.

Welte und VogelFür das deutsche Team war der Ausflug nach London sehr erfolgreich. Das Team des BDR wurde am Ende als beste Mannschaft geehrt. Nicht zuletzt durch das hervorragende Abschneiden der Sprinter, wo Kristina Vogel einmal Gold im Sprint und zwei mal Silber, im Keirin und im Teamsprint an der Seite von Miriam Welte holte. Die Männer siegten im Teamsprint mit René Enders, Robert Förstemann und Joachim Eilers. Stefan Bötticher siegte im Keirin. Was allerdings immer wieder unter den Tisch fällt ist, dass diese Ergebnisse keine Selbstverständlichkeit sind.  Die Weltspitze ist in den vergangenen Jahren wesentlich breiter und qualitativ deutlich besser geworden. Im Keirinfinale der Frauen beispielsweise, waren vier Asiatinnen vertreten (aus China, Südkorea und Hongkong) und nur zwei Europäerinnen mit Kristina Vogel aus Deutschland und Jessica Varnish aus Großbritannien.

LondonDurch die Weltcups und Bahnweltmeisterschaften in Mexiko und Kolumbien, der vergangenen Jahre hat es auch in Lateinamerika einen enormen Entwicklungsschub im Bahnradsport gegeben. Die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro locken auch immer mehr Brasilianer auf das Lattenoval. Im Moment beobachtet man zwar nur Einzelkämpfer, so dass ihnen in den Mannschaftswettbewerben noch die nötige Durchsetzungskraft fehlt, aber der Kolumbianer Fabian Hernando Puerta Zapata konnte bereits mit zwei mal Silber, im Keirin und im Sprint ein deutliches Achtungszeichen setzen.

KlugeÄhnliches gilt auch im Ausdauerbereich, wo sein Landsmann Fernando Gaviria Rendon den Sieg im Omniumwettbewerb einfuhr. Da wird es Roger Kluge sehr schwer haben, wenn er sich in diesem Wettbewerb für Rio 2016 qualifizieren möchte. Der Bahnradsport ist mittlerweile sehr professionell und eine Angelegenheit für Spezialisten geworden. Es genügt bei weitem nicht mehr mit einem Sixday Event als Vorbereitung zum Weltcup zu kommen und zu hoffen wichtige UCI Punkte einzufahren. Es bedarf einer konsequenten Entscheidung. Roger Kluge beendete den Omniumwettbewerb auf Rang 14.

LondonSein IAM Cycling Team hat für die kommende Saison eine Pro Tour Lizenz bekommen, wo Kluge als wichtiger Helfer für Sylvain Chavanel und Heinrich Hausler bei den Rundfahrten und Klassikern unabkömmlich ist, somit wird sich sein Traum von der dritten Olympiateilnahme auf der Bahn sehr schwer umsetzen lassen. Zudem hat Lucas Liss beim ersten Weltcup in Mexiko mit seinem Sieg bewiesen, dass er die Nummer 1 ist. Sein Wechsel zurück zum rad-net ROSE Team 2015 dürfte dem Bundestrainer, der die Fahrer aus dem Team direkt betreut und Liss somit selbst auf Medaillenkurs für Rio bringen kann, die Entscheidung sehr erleichtern.

KnauerEtwas untergegangen sind die beiden zehnten Plätze von Stephanie Pohl im Punktefahren und Anna Knauer im Omniumwettbewerb. Knauer ist im ersten Jahr bei den Frauen unterwegs und konnte immerhin 3 top ten Platzierungen im Mehrkampf erkämpfen, was angesichts des sehr starken Fahrerfeldes eine sehr gute Leistung ist. Mit etwas mehr Erfahrung, die sie bei den kommenden Rennen sammeln kann und der nötigen Härte, die sie mit Sicherheit, bei den Einsätzen in der kommenden Saison auf der Strasse in ihrem Rabo Liv Women Cycling Team bekommen wird, ist es durchaus realistisch, dass sie 2015 und 2016 aufs Podium fährt.

PohlStephanie Pohl versuchte es im Punktefahren mit der Taktik, die ihr schon einmal bei einem Weltcuprennen gelungen ist, eine Runde heraus zu fahren. Doch die anderen Protagonistinnen wussten diesmal natürlich um ihr Potential und gewährten ihr nur den Gewinn einer vollen Wertung. Im vorletzten Sprint gelang es ihr noch einen Punkt zu holen. Vielleicht entscheidet sich der BDR hier und da doch einmal mehr, ein National - Auswahlteam (ähnlich wie US Cycling oder andere Nationalmannschaften) zu den belgischen Klassikern und Rundfahrten zu schicken, wo sich gerade die Bahnradsportlerinnen, die in keinem Erstliga Frauenteam unterwegs sind, im Sommer etwas mehr Rennhärte auf der Strasse holen können.

MannschaftDer sechste Rang in der 4000 Meter Mannschaftsverfolgung der Frauen täuscht etwas über das sehr gute Abschneiden des Damenvierers hinweg. Die Plätze 4-6 in der Qualifikation lagen alle drei bei 4:32 Minuten und Platz 3 war nur knapp 5 Sekunden entfernt auch im Finale blieb das Team mit 4:33 im Bereich der Möglichkeiten und nur eine Sekunde von Rang 4 entfernt. Für eine Medaille muss man allerdings im Bereich von 4:24 fahren können. Da gibt es noch viel zu tun, wenngleich die Tendenz im Vergleich zum Vorjahr deutlich nach oben zeigt.

LondonAuch die Männer waren mit Platz 6 in der Qualifikation in 4:05,302 nur 3 Sekunden von Rang 3 entfernt. Um jedoch aufs Podest zu fahren, muss man indoor schon eine Zeit um 4:00 Minuten hinlegen können. Dass dies im Leistungsbereich der deutschen Fahrer liegt, haben sie in diesem Jahr schon bewiesen. Wichtig ist vor allem, dieses Niveau mindestens über zwei Läufe (Qualifikation und Semifinale) zu halten, wenn man um Gold, Silber oder Bronze mitfahren will. Die Ergebnisse und Zeiten belegen aber auch hier, dass man im Gegensatz zum vergangenen Jahr deutlich weiter gekommen ist.

BommelDer dritte Platz von Henning Bommel und Theo Reinhardt im Madisonrennen zeigt, dass der Ausdauerbereich im Vergleich mit der Weltspitze nicht hinterherhinkt sondern durchaus eine starke Durchsetzungskraft besitzt. Die Bronzemedaille gibt den beiden sicherlich ein gutes Stück Selbstvertrauen. 

Schade ist letztlich und endlich nur, dass in Deutschland von den Leistungen der Sportler und einem solch hochklassigen Event kaum etwas ankommt. Die entsprechende Aufmerksamkeit hat man sich durch harte Arbeit redlich verdient.

Fotos: Arne Mill

> zur turus-Fotostrecke: UCI Track Cycling World Cup London 2014

Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • Bahnradsport

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G
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