Entspannt und fröhlich klang in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch das 102. Berliner Sechstagerennen aus. Während im Innenraum des Velodroms bereits die Abbau- und Umbaumaßnahmen in Angriff genommen wurden, sorgte der aus Zürich stammende Franco Marvulli bei der After-Show-Party für ein spontanes Unterhaltungsprogramm, bei dem er sein Entertainment-Talent eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte. Dass bei der zwischenzeitlichen Polonäse auch die Veranstalter mit fröhlichen Gesichtern zu sehen waren, hatte vor allem einen Grund: Das diesjährige Berliner Sechstagerennen war wieder ein voller Erfolg. An allen Abenden waren die Ränge gut gefüllt, insgesamt fanden über 75.000 Zuschauer den Weg ins Velodrom an der Landsberger Allee.
Rückblick: Die Radsporthelden des 102. Berliner Sechstagerennen 2013
Dass Franco Marvulli so gut gelaunt war, hatte auch einen anderen Grund. Gemeinsam mit dem Wahl-Österreicher Andreas Müller (1979 in Berlin geboren) durfte Marvulli nach der letzten Großen Jagd auf das Treppchen steigen. Mit 233 eingefahrenen Punkten konnten sie sich Rang drei sichern. Zwar hatten Robert Bengsch und Marcel Kalz mit 255 Punkten mehr auf dem Konto, doch auf Grund der einen Runde Rückstand blieb diesem Team nur der vierte Platz.
Das Publikum zum Jubeln brachten das deutsch-niederländische Duo Roger Kluge (geboren in Eisenhüttenstadt) und Peter Schep (geboren in Lopik, Provinz Utrecht). Die beiden ließen es bei der finalen Großen Jagd mächtig krachen. Der Punkterückstand – nach dem fünften Tag betrug dieser auf die zweitplatzierten mit favorisierten Kenny de Ketele und Luke Roberts noch 12 Punkte – wurde aufgeholt, insgesamt 46 Punkte konnten im letzten Rennen eingefahren werden. Tosend der Jubel, als Kluge und Schep unmittelbar nach dem vorletzten Wertungssprint die Entscheidung suchten und eine halbe Runde herausfahren und diese bis zum Ziel verteidigen konnten. Kenny de Ketele und Luke Roberts konnten das Berliner Sechstagerennen mit Rang zwei abschließen.
Haarscharf ging es auch beim „Wolfram“ Champions Sprint zu. Bis zum letzten Wettbewerb lieferten sich Maximilian Levy und Robert Förstemann einen packenden Zweikampf. Am Ende des fünften Tages führten beide mit jeweils 74 Punkten die Rangliste an. René Enders war mit 56 Punkten auf dem besten Wege zu Rang drei in der Abschlusswertung, allerdings musste er am sechsten Tag aufgrund von Fieber passen. Die Gunst der Stunde nutzte der 21-jährige Erik Balzer, der sich am Ende über den dritten Platz freuen durfte.
Als beim Rundenrekordfahren Robert Förstemann erneut einen Bahnrekord (12,62 Sekunden / 71,32 km/h) aufstellen konnte, schien es, als sei er auf dem besten Wege zum Gesamtsieg. Beim anschließenden Keirin konnte Levy jedoch wieder das Pünktchen aufholen. Hinter Tobias Wächter und vor Robert Förstemann sicherte er Platz zwei und zog wieder nach Punkten in der Gesamtwertung gleich. Die Entscheidung musste also im abschließenden Sprintlauf fallen. Im zweiten Lauf fuhr Maximilian Levy nach dem packenden Duell knapp vor Förstemann über die Ziellinie und durfte sich anschließend über den überreichten Siegerkranz freuen.
Stand der Dinge bei den Stehern am Ende des fünften Tages: Der Schweizer Mario Birrer führte die Gesamtwertung an, gefolgt von beiden deutschen Stehern Robert Retschke und Florian Fernow. Für Spannung war also im letzten Rennen des „Esso“ Weltpokal der Steher gesorgt. 120 Runden ging es auf dem 250 Meter langen Oval entlang. Eine knackige Streckenlänge, die Tribut forderte. Nach rund 50 Runden zerriss das Feld. Spannend blieb es allein an der Spitze, an der sich Florian Fernow und Mario Birrer einen packenden Zweikampf lieferten.
In üblicher Fernow-Manier legte dieser – geführt von Schrittmacher Peter Bäuerlein – noch ein Schippchen drauf und raste als Erster über die Ziellinie. Der Berliner von den Zehlendorfer Eichhörnchen brachte das Publikum zum Jubeln. Der Steher-Pokal fand aus Berliner Sicht einen grandiosen Abschluss. Völlig knülle kam der US-Amerikaner Zachary Kovalcik ins Ziel, doch wenig später huschte wieder ein Lächeln über das Gesicht. Auf der nächtlichen After-Show-Party war indes klar: Für ihn hatte sich die weite Anreise über den Atlantik gelohnt. Das Berliner Sechstagerennen war ein grandioses Erlebnis.
Dieses war es sicherlich auch für den Nachwuchs, der im Rahmen des Berliner Sechstagerennens mächtig in die Pedalen trat. So konnten die beiden Belgier Otto Vergaerde und Jonas Rickaert den UIV-Cup der U23 gewinnen. Rang zwei holte das niederländische Duo Melvin van Zijl / Didier Caspers vor Maximilian Beyer und Philipp Zwingenberg. Bei den Junioren der U19 konnten sich Manuel Porzner und Sven Reutter in der Gesamtwertung deutlich durchsetzen. Knapp ging es dahinter zu. Gerade einmal Pünktchen trennten die Zweitplatzierten Patrick Leth und Casper Pedersen sowie die Drittplatzierten Konrad Geßner und Robert Krause.
In der Gesamtwertung der Jugend-Omnium (U17) lag Moritz Malcharek vom RSV Werner Otto vor den beiden dänischen Nachwuchsfahrern Jacob Michelsen und Mathias Dahl Pedersen vorn. Last but not least der Gesamtstand im Omnium für Schüler U15. Auch die Jüngsten hatten sich mächtig ins Zeug gelegt und zeigten auf dem hölzernen Oval des Berliner Velodroms eine klasse Leistung. Den Gesamtsieg holte Rico Brückner von der RSG Muldental Grimma vor Henrik Pakalski von der BSG Pneumant Fürstenwalde und Clemens Kümmel vom SSV Gera. Wacker schlagen konnte sich auch der weibliche Nachwuchs, der gemeinsam mit den männlichen U15-Schülern antrat. So holte Marie Wawrzinek vom Berliner TSC immerhin den neunten Platz der Gesamtwertung.
Kurzum: Die Unkenrufe nach dem 100. Berliner Sechstagerennen verhallten irgendwo im Berliner Forst. Viele Kritiker hatten vor zwei Jahren gemeint, dass nach der großen Jubiläumsveranstaltung die Luft sicherlich raus sei. Dass dem nicht so ist, bewies das diesjährige Sechstagerennen, das nach wie vor das Publikum begeistern kann. Und so wird es auch 2014 heißen: „Willkommen zum 103. Berliner Sechstagerennen, dem ältesten noch bestehenden Sechstagerennen der Welt!“ In der Tat, man schrieb den 15. März 1909, als in der Ausstellungshalle am Zoologischen Garten zum ersten Mal diese Veranstaltung nach dem Vorbild der Sixdays im New Yorker Madison Square Garden gestartet wurde. Über den Sportpalast und die Deutschlandhalle führte der Weg des Berliner Sechstagerennens ins 1999 eröffnete Velodrom.
Fotos: Arne Mill & Marco Bertram
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