Von Warschau bis Neustrelitz – eine Wintergeschichte

M Updated 25 März 2018
Von Warschau bis Neustrelitz – eine Wintergeschichte

So kultig die verschneiten Plätze von damals auch sein mögen, schön ist’s nicht mehr bei diesen Verhältnissen neben dem Platz zu stehen. Die Spieler entgegnen den Schneegestöbern auch eher mit Skepsis. Arbeit geht vor, die Knochen müssen heile bleiben. Aber nett ist’s doch, sich die alten Fotos anzusehen. Im Gedächtnis blieb da ein Wochenende aus dem Jahr 2007 hängen, bei dem zwar keine Stalingrader Temperaturen erreicht wurden, die aber dennoch ausreichten, um uns zu einem vorzeitigen Verlassen des Legia-Stadions in der 70. Minute zu zwingen.

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Stettin

Die Fahrt begann wie so oft am Hauptbahnhof in Szczecin. Relaxed und entspannt lief es ganz und gar nicht ab, denn fast hätten wir noch den Zug verpasst, da der Grenzbeamte ewig brauchte, um zu prüfen, was wir denn vorhaben könnten. Als er zum Hörer griff, wird er bestimmt nicht seine Mutti angerufen haben. Es waren noch die Zeiten mit Kontrollen an der Grenze. Da machte sich der Grenzbeamte sogar noch einen Kopf darum, ob er uns überhaupt ausreisen lassen kann, um die Sicherheit Polens nicht zu gefährden. Ein Eintrag in die Datei „Gewalttäter Sport“ und ein laufendes Stadionverbot reichten, um einen Fußball-Samstag in Polen zu versauen. Unser Plan hieß „Doppler Radomsko/Legia“. 

Warschau

Warschau-West empfing uns Samstag mit molligen -18 Grad Celsius. Handschuhe, Pullover, Winterjacke schienen nichts zu taugen. Ein Tee aus der Bahnhofsspelunke war wie ein kurzes Kaminfeuer. Intensiv, aber schnell wieder weg. Mit einem früheren Zug fuhren wir schon mal nach Radomsko vor. Widzew Łódź trug damals seine Spiele im Liga-Pokal in Radomsko aus (von Warschau aus auf dem Weg nach Katowice). Der Liga-Pokal war zu jener Zeit eine kurzzeitige Überbrückung der Winterpause, was sich aber nicht durchsetzte. Ob wir nun in Radomsko oder Warszawa warten würden, schien uns irgendwie egal. Nicht ganz, sonst hätten wir ja nicht den Zug gewählt. Das war unser Glück, da sich im Ort noch das Testspiel von Mechanik Radomsko ergab. Warta Pławno war der Gegner (heute unterste Spielklasse). 

RKS Radomsko

Alte Stufen, eine kleine Tribüne und ein unfassbar verschneiter Platz erwärmten unsere Herzen. Echte Erkenntnisse konnten vermutlich beide Trainer nicht wirklich aus diesem Testspiel gewinnen. Für uns war es umso erkenntnisreicher – ob Schnee oder Eis, der Pole spielt. Ein Jahr zuvor bekam ich mit, wie in Polen auf einem vereisten Platz gekickt wurde, bei dem die Seitenlinien mit Sägespänen markiert waren. Die alten Zeiten. Heut fahren die Vereine viele Kilometer, um auf den Kunstrasenplätzen anderer Städte ihre Liga-Spiele austragen zu können. Der Platz im Stadion des RKS Radomsko war ebenso verschneit. Der Anhang von Widzew stand im eigentlichen Gästeblock, zwei wackere Fans aus Kielce im eigentlichen Heimbereich. Für sie hatte sich die Fahrt gelohnt – Korona gewann mit 4-0.

Legia

Legia hatte mehr Probleme mit dem anderen Verein aus Łódź. Ein 2-0 gegen ŁKS ist aber auch noch solide. Größere Probleme hatte der zur Zielscheibe von Schneebällen gewordene Assistent auf der Seite der Żyleta (Rasierklinge), dem Fanblock Legias, in dem sich scheinbar mangels Alternativen auch Fans von Pogoń Szczecin, Zagłębie Sosnowiec, Den Haag und Olimpia Elbląg einfanden. Aber in der 70. Minute war Schluss für uns. Bei -21 Grad Celsius war die Schmerzgrenze erreicht. Der Taxi-Fahrer wollte garantiert einen unverschämten Preis, aber wir waren heiß auf Warszawa Centralna (Hauptbahnhof). So schnell wie es geht. Einfach raus aus dem Frost und weg.

Legia

Deutschland empfing uns mit Osterwetter. Es war schon Sonntag. BFC Dynamo bei der TSG Neustrelitz? Schafft man noch. Besser als Kaffee und Kuchen auf dem Sofa allemal. Hier war echtes Frühlingswetter. Grünes Gras und zwitschernde Vögel bildeten den Kontrast zur schneidenden Kälte des Vortags. Die Polizisten trugen damals auch noch die grünen Uniformen. Wie immer herrschte vor dem Spiel helle Aufregung. Doch für die Berliner waren die Touren über die „Dörfer“ lästige Pflicht. Warum sollte es da Ärger geben? Vor allem mit wem? Das Trara davor machte den Eindruck einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Elf Jahre später haben wir inzwischen eine komplett andere Situation. Sportlich spielen beide Mannschaften sogar eine Liga höher. An Koslovs Stocher-Tor zur TSG-Führung und Paepkes Schuss aus fast 30 m kann sich kaum noch einer erinnern.

BFC

BFC

Die Winterpause ist zu Ende. Schluss mit den aufgewärmten Sachen (spätestens ab diesem Wochenende).

Fotos: Michael

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Artikel wurde veröffentlicht am
19 März 2018

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