Hallescher FC vs. F.C. Hansa Rostock: Feuer und Flamme auf den Rängen und am Live-Ticker

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Unvergessen! Der Moment, als der Bildschirm kurz zuckte. Ein banger Blick auf den Fernseher. Das kurze Flackern der Videotexttafel zeigte klar und deutlich an, dass es eine Veränderung gab. Und da! Gleich zwei Ergebnisse sind umgeschlagen. Ein Hitzeschauer, eine geballte Faust oder halt ein kurzer Schockmoment. Was waren das vor 20 Jahren für Momente, als die 1. und 2. Bundesliga live auf Videotext verfolgt wurde. Klar, soweit die Zeit es zuließ, war ich nur auf Achse und zog mir ein Spiel nach dem anderen rein. Jedoch gab es auch Tage, an dem es nicht möglich war, zum Stadion zu tingeln. In der Zeit vor dem allgemein verfügbaren Internet war Videotext (neben einer Livekonferenz im Radio) die einzige Möglichkeit, auf dem Stand der Dinge zu bleiben - und das sehr zeitnah. Kleine Verzögerungen gab es immer beim Einpflegen der Ergebnisse auf Videotext. Manchmal - bei großen Bundesligaspielen - hörte man den Torjubel vom Nachbarhaus noch bevor das Ergebnis sich umgestellt hatte. Jeder hatte seine Vorlieben. Der eine setzte auf ARD oder ZDF, der andere eher auf die Videotexttafeln der privaten Programme. Was macht der Fußball-Osten? Was machen Dresden und Rostock? Zum Saisonende hin war das schon Hardcore! Heute schaut man unterwegs mal rasch auf sein Smartphone. Damals stürzte man erst einmal zum Fernseher, wenn man abends in die heimische Bude kam. Her mit der Fernbedienung. Kiste an, die wichtigsten Nummern der entsprechenden Videotexttafeln hatte man im Kopf. Es gab eine Prioritätsliste. 1. Liga. Ergebnisse. Tabelle. Oder auch mal andersherum. Anhand der Tabelle konnte man sich dann selbst ausrechnen, was passiert war. Beim Blick auf die ganzen Ergebnisse bekam man manchmal fast einen Herzkasper. Scheiß, wo ist noch mal … Oh Mann, wie bitter!

Laptop

Das Erlebnis von damals darf man auch in der Gegenwart genießen. Live-Ticker im Internet. Auf der Seite des Vertrauens. „Kicker“ ist eine gute Wahl. Der „Kicker“ wirkt sehr sachlich und auch ein wenig Old School. Im Kalender wurde die gestrige Partie Hallescher FC vs. F.C. Hansa Rostock fett eingetragen. Und das bereits vor einer gefühlten Ewigkeit. Und dann! Kannste den Rotstift ansetzen! Ich musste die Jungs von Kita und Schule abholen. Ein Abend allein mit den Jungs. Wickeln, Abendbrot machen, dem Größeren das Handy geben, dem Kleineren die ganzen Spielzeugautos zurechtlegen. Ihr könnt so lange aufbleiben wie ihr wollt. Aber bitte ruhig bleiben! Papa hatte nämlich das Fieber gepackt! Wie zu alten Zeiten wurde ein Spiel am Bildschirm verfolgt. Der Unterschied zu damals Mitte der 90er Jahre: Parallel dazu konnte mit dem einen oder anderen kommuniziert werden, und die ersten Fotos aus dem Stadion in Halle trudelten ein. Das Kopfkino konnte eingeschaltet werden. Auf der Heimseite wurde mächtig was abgebrannt. Passend dazu der Spruch: „Hallescher Fußballclub - Du bist meine größte Sucht!“

HFC

Meine Sucht wurde an diesem Abend das verfolgen des Live-Tickers. Immer wieder wurde das Ergebnis aktualisiert. Mit bangem Blick wurden die kurzen Einträge gelesen. Einer der ersten Einträge auf Kicker gefiel mir schon mal ganz gut: „Die HFC-Fans beeindrucken mit einer tollen Choreographie, wenngleich dabei einiges an Pyrotechnik angezündet wird.“ Moderat verfasst. Gut so! In der sechsten Minute kam ein klammes Gefühl auf: „Die Hallenser pressen nun enorm hoch und wollen die Hansa-Kogge so zum fehlerhaften Passspiel verleiten.“ Oha, der HFC machte Druck. Kein Wunder, hatten sich die Hallenser sicherlich einiges vorgenommen. Zuletzt gab es daheim drei Heimsiege. Allesamt zu null! 3:0 gegen die SG Sonnenhof Großaspach, 2:0 gegen den SV Meppen und 3:0 gegen den SC Preußen Münster.

Hansa

Allerdings hat auch der F.C. Hansa Rostock einen prima Lauf. Vor allem auswärts sind die Rostocker derzeit richtig gut drauf. Ausnahme war das Spiel in Jena. In der Auswärtstabelle ist Hansa auf Rang eins zu finden. Und zuletzt konnte gegen den SC Fortuna Köln auch daheim überzeugt werden. Nach 0:2-Rückstand wurden die Jungs aus der Kölner Südstadt mit 5:3 aus dem Ostseestadion gefegt. Nach ein, zwei guten Auswärtsspielen gab es keinen Einbruch. Hansa Rostock - kurz vor der Winterpause - und mal kein Not und Elend. Mit Schrecken erinnern sich die Hansa-Fans an den Dezember 2014, als die Mannschaft in Erfurt komplett baden ging. Und als alle dachten, der Tiefpunkt sei erreicht, kam es gegen Holstein Kiel noch schlimmer. Akute Abstiegsgefahr. Am Ende der Saison 2014/15 wurde es denkbar knapp. Und nun wurde Erfurt sogar der Rettungsanker. Dank des Sieges der Erfurter gegen Unterhaching konnte der F.C. Hansa Rostock die Klasse halten und am letzten Spieltag in Dresden aufatmen.

Hansa

In der Spielzeit 2015/16 sah es nicht viel besser aus. Rang 19 nach dem 15. Spieltag. Wieder Abstiegsgefahr. Wieder Tristesse. Am 19. Spieltag (05. Dezember 2015) ging es nach Halle. 0:2 der Endstand aus Sicht der Rostocker. Weiterhin Abstiegsplatz. Weiterhin baumelte das Damoklesschwert über dem Verein. Absturz in die teuflische Sackgasse, die sich Regionalliga Nordost nennt? Am Ende wurde dann doch noch recht souverän die Klasse gehalten. Weitaus besser sah es kurz vor der Winterpause in der vergangenen Spielzeit auf, als Mitte Dezember 2016 der achte Platz der Stand der Dinge war. Zum Ende ging ein wenig die Puste aus, doch das Polster genügte aus, um sicher die Klasse zu halten.

Hansa

Ob in dieser Spielzeit auch die Puste ausgehen wird? Man wird sehen! Stand der Dinge ist, dass die Mannschaft des F.C. Hansa richtig guten Einsatz zeigt und bis zu letzten Minute kämpft. So kommen Eigenschaften zutage, die die Hansa-Fans seit gefühlter Ewigkeit vermisst haben. Plötzlich schnuppert Hansa an den Aufstiegsrängen. Auch wenn dies nur eine Momentaufnahme ist, so ist das Gefühl mal ein völlig neues. 2012 stieg Hansa aus der 2. Bundesliga ab. Seitdem muss mit Drittligafußball vorlieb genommen werden. Die See wurde mitunter stürmisch, und es war schwer die Kogge auf Kurs zu halten.

Verständlich, dass derzeit bei der blau-weiß-roten Anhängerschaft Freude, Erleichterung und Euphorie richtig groß sind. Die meisten Fans können die tolle Serie einschätzen und wissen gut genug, dass es jederzeit wieder einen Einbruch, einen derben Rückschlag geben kann. Egal, der Moment wird genossen. Und jeder Sieg wird gefeiert als sei es der Aufstieg. Und ja, zugegeben, die Euphorie steckte an. Das innere Feuer lodert. Plötzlich ist es nicht nur ein Blick auf die Ergebnisliste und die anschließende Nachbetrachtung. Wie zu alten Zeiten wird das gesamte Spiel live auf dem Ticker verfolgt. Der Puls erhöht sich. Ein Blick in den Kühlschrank. Kein Bier da! Also wird ein gutes Gläschen von einer irischen Kostbarkeit eingegossen. Auf youtube läuft „Light me fire“ von „The Doors“. Immer und immer wieder. Aktualisieren des Live-Tickers. 28. Minute: „Der Hallesche FC wird immer druckvoller, der Gastgeber will das 1:0 verbuchen.“, steht auf Kicker geschrieben.

Hansa

Und so schleichen die Minuten dahin. Zwischendurch melden sich ein paar Freunde und Bekannte. Ein paar Fotos werden zugeschickt. Die Stadionatmosphäre kann ich mir gut ausmalen. Was das Spiel betrifft, belasse ich es mal allein beim Live-Ticker. Zirka alle zwei Minuten tätigt der Kicker-Autor einen Eintrag im Live-Ticker. Und er macht seine Arbeit gut. Mit einem 0:0 geht es in die Pause. Zeit, um zu schauen, was die beiden Kinder machen. Die sind beide tiefenentspannt und genießen die Ruhe in der Wohnung. Der eine schaut einen Film, der andere baut mit Duplo eine Burg. Weiter geht´s!

Hansa

20:07 Uhr. „Schiedsrichter Steffen Brütting muss die Partie unterbrechen, weil sich nach abgebrannter Pyrotechnik Nebel im Stadion ausgebreitet hat.“, ist im Live-Ticker des Kicker zu lesen. Und schon hatte jemand auf Facebook einen TV-Screenshot gepostet. Die Hansa-Fans in Aktion. Glänzende blaue und weiße Folien, dazu einiges an Rauch und weißen Fackeln. Schon bald ist das gesamte Stadion in dichtem Nebel eingehüllt. Nur vier Minuten später schlägt es ein im Hallenser Gehäuse! Na gut, „einschlagen“ ist der falsche Begriff. Kleineheismann stocherte eher das Spielgerät in die eigenen Maschen. Der rote Ball zeigte es an. „Eigentor“. 1:0 für Rostock! Wer jetzt als Hansa-Fan von unterwegs oder von zu Hause auf fussball.de geschaut hatte, konnte einen Schreck bekommen. Dort stand es 1:0 für den HFC. Das Eigentor wurde im System wohl als echter Hallenser Treffer gezählt.

Die folgende halbe Stunde zog sich wie Kaugummi. „Sofort rennen die Gastgeber an, sie wollen schnell das 1:1 verbuchen“, war auf Kicker zu lesen. Schnell mal abschalten und was anderes gucken. Es erinnerte nun wirklich an die Zeit der 90er, als ich immer überlegte: Was ist besser? Ständiges Mitfiebern und auf das nächste Flackern der Videotexttafel? Oder doch lieber die Röhre ausmachen und erst nach Abpfiff wieder einschalten?! Meist gewann die Neugier. Scheiße Mann, ich muss einfach! ARD. Tafel 221! Diese war es doch, oder? Oh Mist, zwei Gegentore in nur zehn Minuten? Ich war doch nur kurz auf Klo! Wat willste machen?!

Hansa

Gestern stand schon mal ein polnischer Likör bereit. Komm, lass abpfeifen! Noch zehn Minuten. Ah ja, der HFC biss wohl auf Granit. Die Hansa-Abwehr stand gut, den Hallensern ging die Puste aus. Auch wenn in der 90. Minute noch auf Kicker zu lesen war: „Der HFC bemüht sich…“ und: „Stolze sieben Minuten Nachspielzeit werden draufgepackt…“ Gerade fing wieder dieses Grummeln in der Magengrube an, als plötzlich zu lesen war, dass es Elfmeter für Hansa gab. Benyamina machte die Sache klar. 2:0 für Hansa Rostock! Den polnischen Likör brauchte ich doch nicht. Kaum war das Spiel beendet, hörte ich den Schlüssel im Schloss umdrehen. Magdalena kam von der beruflichen Weihnachtsfeier zurück. In der Hand zwei Bier. Das Gute vom Späti nebenan. Zwei Flaschen, zwei Tore - ein gelungener Abend. Prost!

Hansa

Halle

halle

Fotos: Aumi, Anika, Uwe Busch, Bjn Kâ, Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Hallescher FC

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

Artikel wurde veröffentlicht am
02 Dezember 2017
Spielergebnis:
0:2
Zuschauerzahl:
10.067

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Kommentare
parallel das Fanradio anmachen, muss schon sein!
HA
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G
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Cool
G
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Mich würde mal interessiere, wie viele heute noch Videotext nutzen. Ich meine, es ist a nicht abgeschafft. Ältere schauen da bestimmt.
G
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Blabla
B
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Nächste Aufgaben: KMS nass machen. 3 Punkte!
M
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