Hansa Rostock vs. Karlsruher SC: Nordisches Schietwetter, konsequenter KSC, fehlende Hertha-Fans

Es soll mal jemand behaupten, die Norddeutschen seien unterkühlt. Was für eine Geknutsche am Sonntagabend auf dem Bahnsteig, kurz bevor der Warnemünde-Express in Rostock Hbf einrollte, um anschließend gen Berlin weiterzufahren. Pärchen verabschiedeten sich mit Tränchen in den Augenwinkeln, das Wochenende war vorbei, einer von beiden musste den Weg nach Irgendwo antreten. Das Übel der Fernbeziehungen. Mit dem kleinen Rucksack auf dem Rücken stand auch ich auf dem besagten Bahnsteig und musste an 1996 denken, als auch meine Flamme im Norden des Landes - genauer gesagt in Schwerin - loderte. Melancholie kam bei mir am gestrigen Nachmittag allerdings aus anderen Gründen auf. Nun flossen zwar keine Tränen, doch ein wenig schwer wurde das Herz in jedem Fall. Bei echtem nordischen Schietwetter stand ich am Vormittag an der Mole in Warnemünde und blickte auf das Meer. Mein lieber Schwan, liegt der Schiffbruch auf der stürmischen Nordsee bereits exakt 18 Jahre zurück?! Ein zweites Mal wurde ich nun quasi volljährig, denn das damalige Glück war damals dermaßen gigantisch, dass durchaus von einer zweiten Geburt gesprochen werden durfte. Als wir uns damals am 05. November 1999 mit zwei Segelbooten bei Windstärke neun bis elf durch die aufgewühlte See kämpften, spielte parallel der F.C. Hansa Rostock daheim gegen den Hamburger SV. Die Bundesligapartie ging 3:3 aus. Nicht gewonnen, nicht verloren. Am Tag darauf krachten bei uns die Masten, kenterten beide Boote durch. In Rostock hielt die Kogge indes weiter Kurs. Noch ein paar Jährchen konnte Erstligafußball gezeigt werden.

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Sturm

Inzwischen ist verdammt viel Wasser die Warnow hinabgeflossen. 3. Liga statt 1. Bundesliga. Die Zeiten wurden auch beim F.C. Hansa Rostock verdammt stürmisch. In jüngster Vergangenheit geriet Hansa sogar in der 3. Liga in akute Abstiegsgefahr. Der Absturz in die Regionalliga drohte. Da ist es derzeit fast erholsam - im Vergleich dazu. Zuletzt konnte der F.C. Hansa zwei Siege einfahren, der Auftritt in Unterhaching war wahrlich überzeugend. Und da oben in der Tabelle der 1. FC Magdeburg, Wehen Wiesbaden und Fortuna Köln Punkte gelassen haben, hätte am gestrigen Nachmittag der F.C. Hansa Rostock aufschließen können. Von Aufstiegschance wollen wir mal lieber nicht sprechen. Aber ein wenig schnuppern an der Tabellenspitze - das wäre doch in Rostock wahrlich ein neues Lebensgefühl. Ein Gefühl, dass es lange nicht mehr gab.

Hansa

Und ja, der Grund, weshalb ich gestern bereits recht zeitig an der Warnemünder Mole stand, lag auf der Hand. Glatte Durchfahrt mit dem Warnemünde-Express von Berlin Hauptbahnhof nach Warnemünde. Da lohnte sich das frühe Aufstehen. Zum einen wird an der Bahnstrecke derzeit gebastelt, so dass der reguläre Regionalexpress nach Rostock erst in Oranienburg eingesetzt wird, zum anderen lag in der Luft, dass zahlreiche Berliner Fußballfreunde sich auf den Weg gen Küste machen würden, um ihre Freunde aus Baden tatkräftig zu unterstützen. Zwar vermutete ich, dass etwaige Hertha-Fans undercover mit Autos gen Rostock düsen würden, doch wie sich zeigte, war es doch das Wochenend-Ticket, das als größere Gruppe genutzt wurde. Die Berliner Reisegesellschaft erreichte jedoch nicht ihr Ziel, sie wurde kurzerhand abgefangen.

KSC

Und auch für die KSC-Fans verlief die Anfahrt auf dem Straßenweg nicht komplett glatt. Im Hamburger Raum traf der Konvoi auf eine Gruppe SGD-Anhänger, die auf dem Weg zum Auswärtsspiel bei Holstein Kiel waren. So erreichten etliche KSC-Fans das Rostocker Ostseestadion erst im allerletzten Moment, einige werden ihr Tagesziel vermutlich gar nicht erreicht haben. Im Vorfeld wurde von rund 800 Fans gesprochen, die beim Duell Hansa Rostock vs. KSC im geräumigen Gästeblock stehen würden, am Ende waren es zwischen 300 und 400 KSC-Fans, die in der Anfangsphase des Spiels ihren Platz im oberen Bereich des Blockes einnahmen, sich kompakt zusammenstellten, ihre mitgebrachten Banner befestigten und das Beste aus der Situation zu machen versuchten.

KSC

Die zahlreichen Stoffe - von der Berliner Freunden war an diesem Tag kein einziges dabei - waren noch nicht alle angebracht, als bereits der erste Karlsruher Treffer bejubelt werden durfte. Geistesgegenwärtig spielte Anton Fink seinen Mitspieler Fabian Schleusener an, und dieser setzte sich gegen seine Gegenspieler durch und brachte den Ball platziert rechts unten unter. 1:0 für den KSC. Jubel im Gästeblock, lange Gesichter auf Heimseite. Wurde vor dem Spiel nicht die Hansa-Abwehr in höchsten Tönen gelobt?! Egal! „Auf geht´s Hansa, kämpfen und siegen!“, hallte es von der anfangs gut aufgelegten Südtribüne. Ein Gegentreffer ist schließlich kein Beinbruch.

Hansa

Anders sah es nach 23 Minuten aus, nachdem Schleusener seinen zweiten Treffer erzielen konnte. Dieses Mal gab Muslija die Vorlage, wieder wurde das Spielgerät flach und platziert - dieses Mal von der anderen Seite - in die Maschen bugsiert. Und das 0:2 kam nicht überraschend, bereits fünf Minuten zuvor lag der zweite Treffer der Gäste in der Luft. Der KSC machte einen verdammt guten Eindruck, und man konnte sich gar nicht vorstellen, dass die Mannschaft von Trainer Alois Schwartz bislang keinen einzigen Auswärtssieg einfahren konnte. Fünf Niederlagen und zwei Remis waren bislang zu verbuchen. Kein Wunder, dass auf Heimseite vor der Partie die Hoffnung auf einen Hansa-Sieg groß war.

Fink

Es nieselte weiter, doch noch keimte Hoffnung auf. Direkt im Anschluss an das 0:2 hatte der Gastgeber seine beste Phase. Der F.C. Hansa spielte von der 25. bis zum Pausentee sehr ordentlich, und der Anschlusstreffer lag in der Luft. Aus der Distanz versuchte sich Willi Evseev, Bryan Henning hatte seine Möglichkeit in Form einer sehenswerten Direktabnahme. Nach dem Pausentee wurden beide in der 56. Minute ausgewechselt. Für sie kamen Benyamina und Quiring ins Spiel. Allerdings stand es zu jenem Zeitpunkt bereits 0:3. Fünf Minuten zuvor hatte Anton Fink nach einer aufsetzenden Hereingabe von Camoglu am zweiten Pfosten den Ball untergebracht.

KSC

Und es lief weiter alles gegen den F.C. Hansa. Nach etwas über einer Stunde zückte Schiedsrichter Jonas Weickenmeier, mit dem viele Hansa-Fans an diesem Nachmittag alles andere als zufrieden waren, den roten Karton. Gelb-Rot für Tim Väyrynen nach einem Foulspiel - eine umstrittene Entscheidung. Pech auch in der 74. Minute, als Amaury Bischoff einen Freistoß an den linken Pfosten setzte. Einen sehenswerten Kopfball zeigte Benyamina in der 79. Minute, doch diesen konnte KSC-Keeper Benjamin Uphoff halten. Das war´s. Im Gästeblock wurde der Auswärtssieg gefeiert, und in der 85. Minute ertönte ein lautstarkes „Ha Ho He Hertha BSC!“ Erstmals in dieser Partie nahmen beide Fanlager richtig Notiz voneinander. Es folgte ein kleiner verbaler Schlagabtausch - dabei blieb es dann auch.

KSC

Mit nordischer Gelassenheit werteten bei einem Bierchen in einer Stammkneipe die Älteren das Spielgeschehen aus. Was will man machen? Karlsruhe war einfach konsequent. „Spiel hin und her, aber dass es auf der Ost kein Bier gab! Das ist ein Skandal!“ Nun hob sich doch die Stimme. Ein Foto auf einem Smartphone wurde mir gezeigt. Nach polizeilicher Anordnung wurde auf der Osttribüne kein Bier ausgeschenkt. Verstehen konnte das niemand in Anbetracht der 300 anwesenden Gästefans, die oben am Rand ganz friedlich ihr Ding durchzogen. Um so mehr mundete nun das frisch Gezapfte in der hübsch verquarzten Kneipe. Wenig später hieß es für mich: Ab zur Parkstraße und Abdüsen zum Hauptbahnhof, wo die besagten Pärchen die Tränchen vergossen…

Hansa

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

> zur turus-Fotostrecke: Karlsruher SC

Artikel wurde veröffentlicht am
06 November 2017
Spielergebnis:
0:3
Zuschauerzahl:
13.200
Gästefans
400

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Kommentare
G
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Spielansetzung
Die Hertha spielte am gleichen Tag in der Autostadt. Wäre also schon irgendwie komisch gewesen wenn die Anhänger der alten Dame aus der Hauptstadt statt nach Niedersachsen an die schöne Ostsee gefahren wären. Oder ?!?
HN
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Ach hansa. ....wieder den Anschluß verpasst
Gut geschrieben. ....
A
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Glückwunsch
Zum 18. Geburtstag und wenn es wieder Bier gibt, dann trinken wir eins gemeinsam!
T
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Freundschaften
....sind toll, aber es gibt immer!!! (Jeweils)"nur" einen Verein.
AFDFCH
A
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R
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G
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