Union Fürstenwalde vs. Viktoria 1889 Berlin: Nettes Fußballambiente, das an Rzepin und Köpenick erinnert

„Wussten Sie, dass der Gründer des großen FC Bayern München bei uns begraben liegt? Nicht, oder? Erwähnen Sie das mal ruhig in ihrem Bericht!“ Nein, wusste ich nicht. Und ich müsste lügen, wenn ich behaupte: Ja, klar, Franz Adolf Louis John war mir aus dem Stegreif ein Begriff. Der 1872 im Brandenburgischen Pritzwalk geborene Franz John war am 27. Februar 1900 einer der Hauptinitiatoren der Gründung des FC Bayern München und war in den ersten drei Jahren auch der Präsident des späteren Serienmeisters. Vereinsamt und vergessen starb er im November 1952 in Berlin-Pankow. Dort hatte er als junger Mann einst 11 Jahre lang beim VfB Pankow seine Fußballstiefel geschnürt. Traurig aber wahr, niemand nahm in München damals zur Kenntnis, dass ihr erster Vereinspräsident verstorben war. Allerdings gilt zu beachten, dass der Kalte Krieg das inzwischen geteilte Deutschland fest im Griff hatte. Und so bekam im Westen kaum jemand mit, dass Franz John in Fürstenwalde, gelegen auf halber Strecke zwischen Berlin und Frankfurt (Oder), bestattet wurde. Sein Grab wurde völlig vergessen, erst später spürte der Journalist Hans-Joachim Rechenberg die letzte Ruhestätte auf und machte den FC Bayern München auf diese aufmerksam. Als im Jahr 2000 der FC Bayern München seinen 100. Geburtstag feierte, wurde an der inzwischen verfallenen Grabstätte in Fürstenwalde ein neuer Grabstein aufgestellt, der an seine Verdienste für den inzwischen erfolgreichsten deutschen Verein erinnert. Ja, wer hätte das gedacht? Also ich nicht, als ich im Regionalexpress nach Fürstenwalde saß, um mir das Regionalligaspiel FSV Union Fürstenwalde vs. FC Viktoria 1889 Berlin anzuschauen. Erst beim Kaltgetränk auf der Haupttribüne des Friesenstadions wurde ich schließlich von einem netten Herrn drauf aufmerksam gemacht.

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Union

Geht man zu Fuß vom Bahnhof Fürstenwalde zum Friesenstadion, so durchquert man eine große Parkanlage, in der sich ein großer Brunnen und ein Heimattiergarten befindet. Unter anderen dürfen auch Wisente in einem Gehege bestaunt werden. Na hoppla, da fällt einem sogleich der Todesschuss von Lebus ein, bei dem ein polnischer Wisent (Zubr) zum Opfer fiel. Doch genug der Toten, auf zu den Lebenden im Friesenstadion. Die Lage der Sportstätte an der Hangelsberger Chaussee erinnert ein wenig an das Stadion von Ilanka Rzepin, das sich ebenfalls an einer Landstraße mitten in einem Waldstück befindet. Und nicht nur die hinter den Rängen auftauchenden Baumwipfel lassen sogleich auch eine gedankliche Verbindung von Union Fürstenwalde zu Union Berlin knüpfen. Das Ambiente auf den Rängen erinnert ein bisschen an die Alte Försterei der frühen 90er. Klar, alles eine Nummer kleiner, doch die Nähe zum Spielfeld, die unüberdachte Haupttribüne, die markigen Zurufe zu den Spielern und Trainern sowie die Baumwipfel hinter den Rängen lassen alte Erinnerungen aus Berlin-Köpenick hochkommen. Zugegeben, eine RL-Partie ohne eine nennenswerte Anzahl Gästefans klingt nicht so prickelnd, doch wurde ich beim Besuch in Fürstenwalde angenehm überrascht. Nett, familiär, bodenständig - es fallen mir gleich viele Begriffe ein. Unter dem Strich ist es einfach Fußball pur. Und neben frisch gezapftem Bier wird auch Cider ausgeschenkt, was der eine oder andere Besucher zu schätzen weiß. In Fürstenwalde hat man Geschmack, denn im Büdchen steht sogar eine Flasche Havanna-Rum bereit. Für den guten Tropfen in die Cola.

Union

Davon ganz abgesehen, trifft man bei Union Fürstenwalde eine Menge bekannter Gesichter. So ist Danny Kukulies der Marketingleiter des Vereins. Als Spieler war er bei zahlreichen Vereinen aktiv. Unter anderen bei Greuther Fürth, beim Dresdner SC, beim BFC Dynamo, beim 1. FC Magdeburg, bei Tennis Borussia Berlin und auch beim BFC Viktoria 1889. In Klosterfelde (im September 2015 hatten wir einen Bericht), wo er auch als Co-Trainer agierte, ließ er schließlich seine aktive Karriere ausklingen. Zwischendurch war er von 2012 bis Anfang 2015 Sportlicher Leiter beim FC Viktoria 1889 Berlin, und somit war die Partie gegen die Himmelblauen aus Berlin-Lichterfelde am vergangenen Sonntag gewiss keine 0815-Partie. Na, und den jetzigen Trainer des FSV Union Fürstenwalde dürfte jeder kennen. Als Spieler trug Matthias Maucksch etliche Male das Trikot von Dynamo Dresden, seine aktive Karriere hatte er am 01. Juli 2006 beendet. Im Anschluss war eine Zeitlang Trainer und Co-Trainer bei der zweiten und ersten Mannschaft der SGD. Bereits von Juli 2015 bis Juni 2016 trainierte er die erste Mannschaft von Union Fürstenwalde, seit dem 06. Januar 2017 hat er einen neuen Vertrag. 

Mauksch

Und schaut man hinunter an den Spielfeldrand, so erspäht man ein weiteres bekanntes Gesicht. Marco Sejna, als Torwart einst unter anderen bei Hertha BSC, Sachsen Leipzig, TeBe, LR Ahlen, FC Ingolstadt und Rot-Weiss Essen aktiv, arbeitet nun nach seiner Tätigkeit beim BFC Dynamo als Torwarttrainer in Fürstenwalde. Kurzum: Bei Union Fürstenwalde hat man sich einen feinen Stab zusammengestellt, ganz klar soll der Verein in der Regionalliga Nordost fest etabliert werden. Sich sehen lassen kann nun der geräumige Gästebereich des Friesenstadions. Kein Vergleich zu damals im Herbst 2012, als in der Oberliga die zahlreich angereisten Fans des BFC Dynamo hinter zusammengeflickten Bauzäunen stehen mussten. Und ach ja, was ist nun mit der überdachten Tribüne, die man einst von den Eisernen in Berlin-Köpenick abgekauft hatte? Bekanntlich gab es Ärger, weil die Träger über dem Fundament einfach abgeflext wurden. Nun sei die Statik neu berechnet und der Aufbau könne bald beginnen, so Danny Kukulies. Zudem sei das Flutlicht in Planung. Es ist angerichtet in Fürstenwalde, das einst „Union“ und dann „Dynamo“ hieß und nun wieder das „Union“ im Namen trägt.  

Freiseneck

Man staune! Der Verein entstand im Jahre 1919 als eine Abteilung des Berliner Fußballclubs SC Union 06 Oberschöneweide unter dem Namen SC Union 06 Oberschönweide Abteilung Fürstenwalde. Im Jahr 1927 wurde der Verein in SC Union Fürstenwalde 1919 umbenannt, sechs Jahre später schloss man sich mit dem FC Wacker Fürstenwalde 1923 zum FC 1919 Fürstenwalde zusammen. Nach dem Krieg erfolgten weitere von oben angeordnete Umbennungen und Fusionen. Von 1971 bis 1990 wurde schließlich als SG Dynamo Fürstenwalde der Ball rollen gelassen. 1979/80 gelang als Meister der Staffel B der DDR-Liga fast der Sprung in die DDR-Oberliga, doch in der Aufstiegsrunde waren der F.C. Hansa Rostock, Chemie Böhlen und die BSG Energie Cottbus eine Nummer zu groß. Immerhin gelang gegen die BSG Wismut Gera daheim ein 1:0-Sieg. Damals den Aufstieg brachten Rostock und Böhlen in trockene Tücher.

Dynamo Fürstenwalde

Nach dem Fall der Berliner Mauer brach Dynamo Fürstenwalde auseinander und wurde aufgelöst. Als FSV Fürstenwalde wurde der Verein 1990 neu ins Leben gerufen. Als FSV Wacker Fürstenwalde erfolgte im Jahr 2002 die Fusion mit der SG Union Fürstenwalde zum heutigen FSV Union Fürstenwalde. Der Grundstein für die weitere Entwicklung war gelegt. Nach Jahren in der Verbandsliga, der Landesliga, der Brandenburgliga und der NOFV-Oberliga Nord gelang 2016 schließlich der ersehnte Sprung in die Regionalliga Nordost. 

Union

Textlich in der Gegenwart angekommen, nun ein paar Zeilen zum Spiel am Sonntag. Aus neutraler Sicht war diese Partie ein Glücksgriff. Es wurde was geboten! Begleitet von vier aktiven Fans des FC Viktoria 1889 Berlin, unterstützt von ein paar Nachwuchsspielern, gingen die Himmelblauen in der 22. Minute mit 1:0 in Führung. Ümit Ergirdi verwandelte einen fälligen Handelfmeter. Bitter für den Gastgeber, denn dieser hatte sieben Minuten zuvor die große Chance zum 1:0 gehabt. Martin Zurawsky wollte Verantwortung übernehmen und den Foulelfmeter unterbringen. Der Ball klatschte jedoch an den linken Pfosten. Nachdem Viktoria den Elfer verwandeln konnte, hatten die Gäste leichtes Oberwasser. Bis zur Halbzeit. In dieser verkündete doch Danny Kukulies bei einem Becher Cider, dass die Sache noch 4:1 gewonnen wird. Keine Sorge also bei Union!

Vik

Gesagt, getan! Die Worte von Trainer Maucksch mussten wohl gefruchtet haben. Bereits in der 54. Minute erfolgte der Ausgleich. Nach einer kurios zustande gekommenen Ecke konnte der Ball zunächst geklärt werden, im Anschluss aber brachte Kemal Atici den Ball mit dem Kopf unter. Und nicht nur aufgrund dieses Treffer muss dieser Spieler mit der Nummer 17 hervorgehoben werden. Große Klasse, was Atici auf dem Rasen geleistet hatte! Und Fürstenwalde machte nun richtig Dampf!

Jubel

Zunächst wurden einige Chancen vergeben, doch in der 74. Minute klingelte es im Berliner Gehäuse. Nach einer Ecke haute Andor Jozsef Bolyki den Ball mit der Hacke rein. Und noch war lange nicht Schluss. Es folgten noch zwei sehenswerte Tore von Will Siakam in der 77. und 90.+1. Spielminute. Die Fans waren zufrieden, die Mannschaft war zufrieden, und auch Trainer Maucksch war zufrieden. Abklatschen mit den Zuschauern und der Blick gerichtet auf die kommende Aufgabe: Auswärts ran bei der VSG Altglienicke!

Union

Foto: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: FSV Union Fürstenwalde

Artikel wurde veröffentlicht am
26 September 2017
Spielergebnis:
374

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G
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Beeindruckende Reportagen in sämtlichen Bereichen. Danke!!
I
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O
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Danke Mann!!
G
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Immer wieder schön.....Bericht und den Matthias zu sehen und lautstark zu unterstützen!!!
F
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S
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G
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