Derby in Bernau: Singende Engel, schwebender Rauch, Böller, Fast-Spielabbruch und gehaltener Elfer

„Erst wenn die Wolken schlafen geh´n … Wir haben Angst und sind allein, Gott weiß ich will kein Engel sein …“ Zum genialen Lied von Rammstein liefen am gestrigen Abend in Bernau-Rehberge die Mannschaften des FSV Bernau und der TSG Einheit Bernau auf. Es dämmerte - und an diesem Abend war wahrlich nicht jeder Anwesender ein Engel. Minutenlang schwebte in der ersten Halbzeit ein roter Schleier über dem Platz. Nachdem ein roter Rauchtopf auf Seiten der kleinen Haupttribüne gezündet wurde, bildete sich ein flacher Nebelteppich, der fast mystisch im Zeitlupentempo über den karg beleuchteten Platz zog. Nachdem in der zweiten Halbzeit wiederholt Böller gezündet wurden, schickte der Schiedsrichter die Spieler in die Kabinen, und es drohte der Spielabbruch. Als dann doch noch weiter gespielt wurde und der Einheit-Keeper in der 89. Minute einen Elfmeter halten konnte, glühte bei manch einem die Sicherung. Und so kam es nach Abpfiff zu einem äußerst unschönen Zwischenfall, bei dem ein Jugendlicher übel beleidigt wurde. Doch der Reihe nach.

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Bernau

Nachdem die TSG Einheit Bernau als erstes den Sprung von der Landesliga in die Brandenburg-Liga gepackt hatte, legte der FSV Einheit Bernau nach und stieg am Ende der vergangenen Saison ebenfalls auf in die sechste Liga. Das Bernauer Derby konnte somit wieder steigen. Während der FSV Bernau die letzten Jahre meist in der Landesliga spielte und sich als Platzhirsch in der Hussiten-Stadt fühlt, hatte sich die TSG Einheit Bernau von ganz unten hochgearbeitet. Von der Kreisklasse ging es über die Kreisliga (Barnimliga) und die Landesklasse im Eiltempo hoch in die Landesliga. Und ja, am 22. Juni 2013 hatten beim Duell GW Ahrensfelde vs. TSG Einheit Bernau beim Anblick der am Mittelkreis feiernden Bernauer Spieler ein paar Zuschauer gemeint, dass der Sprung in die Landesklasse noch nicht das Ende der Fahnenstange sei. Die TSG Bernau habe große Pläne, wurde mir damals vor nun mehr vier Jahren ausführlich erklärt. Recht hatten sie, ein Jahr später konnte der nächste Aufstieg gefeiert werden. Und nun könnte es sein, dass langsam aber sicher Einheit Bernau der Platzhirsch im Norden von Berlin wird. Nach Möglichkeit soll es hoch in die NOFV-Oberliga gehen. In Anbetracht der vier Siege in den ersten vier Saisonspielen könnte der Plan aufgehen, was beim Konkurrenten FSV Bernau sicherlich nicht mit allzu großer Freude beobachtet wird. Am Wasserturm tätig ist noch immer die „Katze.“ Nico Thomaschewski, einst viele Jahre beim BFC Dynamo als Torwart aktiv, trainiert die TSG Einheit Bernau und würde sicherlich mal wieder gern Oberliga-Luft schnuppern.

Bernau

Das Interesse am gestrigen Derby war groß, und am Ende waren es 850 Zuschauer, die sich auf dem schmucken Sportplatz des FSV Bernau eingefunden hatten. Ein VIP-Zelt wurde aufgebaut, am Vereinsheim floss der Gerstensaft exzellent aus den Hähnen, für die Spieler wurde eine Gasse errichtet, damit sie sicher den Weg von den Kabinen zum Platz zurücklegen können. Lob wem Lob gebührt, die Grundlage für dieses Stadtduell am Freitagabend war geschaffen. Logisch, dass es keine Fan-Trennung geben konnte. Viele schauten sich das Spiel neutral an, und bei den anderen war eh nicht auf den ersten Blick erkennbar, ob er nun für den FSV oder Einheit sympathisiert. Auf dem zweiten Blick war indes schon klar, wo sich die meisten Einheit-Sympathisanten tummelten. Auf der Terrasse des Vereinsheims und neben der kleinen überdachten Tribüne. Dort, wo eine kleine abschüssige Wiese eine freie Stelle bildet, wurden auch der erste Böller und der besagte rote Rauchtopf gezündet. 

Bernau

Noch hielt sich die Aufregung in Grenzen. Auf dem Rasen passierte indes nicht allzu viel. Erstaunlicherweise hatte der Gastgeber die besseren Ansätze zu verzeichnen. Die Nerven wurden angespannter, als kurz nach der Pause noch ein weiterer Böller gezündet wurde. Als zum Ende hin noch zwei, drei weitere Böller detonierten, hatte der Schiedsrichter genug und schickte beide Mannschaften in die Kabinen. Auch wenn nichts in Richtung Spielfeld geworfen wurde, so stand die Partie kurz vor dem Abbruch. Dem Stadionsprecher platzte nun der Kragen und forderte die Zuschauer auf, „diesen Dreck sein zu lassen“. Zudem ergänzte er: „Am Besten wäre es, sich davon zu distanzieren. Egal, welcher Verein es ist. … Solidarität im Spiel, und nicht dieser Mist hier!“ 

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Und genau der Punkt der Distanzierung klappte nicht allzu gut. Jüngere Zuschauer, zum Teil Nachwuchsspieler der TSG Einheit Bernau, hatten ihren Spaß und hämmerten an die Bande. Pfiffe waren zu hören, als beide Mannschaften nach der Unterbrechung wieder auf den Rasen liefen. „Ein Hoch auf unseren Schiedsrichter!“, ertönte es. Als in der 89. Minute der Schiedsrichter auf den Punkt zeigte und Elfmeter für den FSV Bernau gab, drohte der Spielabbruch. Hätte der Ball seinen Weg in die Maschen gefunden, wären mit Sicherheit an besagter Stelle weitere Böller gezündet worden.  Dazu kam es jedoch nicht. Der Schütze wählte die linke Seite, der Einheit-Torwart war zur Stelle und konnte den Schuss mit Bravour abwehren. Jubel, und doch detonierte ein weiterer Böller. „Hier regiert die TSG!“, rief jemand bierseelig. Die Jungs an der Bande reihten sich indes ein und sangen fröhlich ein „Schalala, Einheit Bernau!“ 

Bernau

Für sie war es spannender Abend mit einem hohen Unterhaltungswert. Wer soll es Jugendlichen auch verdenken, dass sie ein wenig Freude verspüren, wenn die „Alten“ hinter ihnen mal etwas Rauch und paar Böller zünden?! Nach dem Spiel pickte sich ein Mann des FSV Bernau gezielt einen Jugendlichen aus der Gruppe heraus und machte ihn rund. Vermutlich hatte der Jugendliche selbst zuvor beim FSV Bernau gespielt. Dass sich sichtlich an der „Bambule“ erfreut wurde, ließ den Mann zu hässlichen Worten hinreißen: „Du bist nichts! Du bist kein Fußballer! Du bist ein Wi**ser!“ Eine derbe Ansage gegenüber einem Minderjährigen. Ein eingeschlagener Weg, der alles andere als richtig ist. Was wäre passiert, wenn rein zufällig ein älterer Verwandter vom Jugendlichen in der Nähe gestanden hätte? Der Onkel mit den dicken Oberarmen! Zack, hätte vermutlich eine Faust im Gesicht gesessen und das Geschrei wäre groß gewesen. Aber es passt nun mal in die heutige Zeit, dass jeder, der sich ein wenig über Pyrotechnik erfreut, gleich ein Idiot, ein „sogenannter Fan“, Penner, ein Assi oder halt ein Wi**ser ist. Davon ganz abgesehen ist das derbe Vokabular auch in anderen Lebensbereichen - vor allem in den sozialen Netzwerken - schnell zur Hand. 

Bernau

Glücklicherweise eskalierte nicht die Situation, auch wenn der Schock beim Jugendlichen tief saß. Noch ein paar Gespräche vor dem Stadiontor, dann hieß es auch für uns: Zurück nach Berlin. Ein kleines lustiges Randanekdötchen gibt es auch. Es ist nicht verwunderlich, dass man bei solch einem Spiel zufällig ein paar gute Bekannte trifft. So auch einen Kumpel, der Fußball bereits in den verschiedensten Ecken der Erde gesehen hatte. In Kolumbien, in Fernost, in Zentralafrika. Auf meine Frage, ob er denn noch nie Stress gehabt hatte, meinte er nur: Nein, noch nie. Außer beim damaligen DFB-Pokalspiel BFC Dynamo vs. 1. FC Kaiserslautern. So weit, so gut. In Karow sollte es noch eine kleine Bierrunde geben. Hinein in das griechische Restaurant. Was nicht bedacht wurde: Unser Kumpel hatte ein schwarzes Shirt mit den Emblemen von PAOK Saloniki und Partizan Belgrad an. Unsere Bedienung schaute, als wenn sich wie im legendären Film „Desperado“ der Gitarrenkoffer öffnen würde. „Das ist eine Katastrophe!!!!“, hieß es nur vom Kellner, der Olympiakos-Fan ist. Das Bier durfte sich unser Kumpel selbst vom Tablett nehmen. Zwar eskalierte nichts, doch gut gefeiert hatten wir allesamt trotzdem. Noch nie Stress beim Fußball? Dann muss es halt mal mit dem „falschen“ Shirt zum Griechen in Berlin-Karow gehen… ;-) 

Fotos: Felix (https://football-wildlife-media.com), Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: FSV Bernau vs. TSG Einheit Bernau

Artikel wurde veröffentlicht am
23 September 2017
Spielergebnis:
0:0
Zuschauerzahl:
850

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G
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Bezüglich des Mannes vom FSV
Der "Mann des FSV" war kein geringer als Mario Jonas der Stellvertretende Geschäftsführer.
G
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Das Rückspiel am Wasserturm ist ein Muss!!
E
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B
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G
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