Läuft! Allet dufte in Berlin! Der skandalumwitterten Polizei bei der Arbeit zugeschaut

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Eine Currybude bietet Pommes gratis, wenn ein Uniformierter beim Bestellen einer Currywurst das Zauberwort „Bumsen“ sagt. So weit ist es schon gekommen in der deutschen Hauptstadt! Die Wogen schlugen höher nach dem G20-Skandal als bei Windstärke 11 vor der Eierlandschen Gronden auf der Nordsee. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Die „Berliner Partypolizei“ ließ es in Hamburg mächtig laufen. Es wurde wohl an einen Bauzaun gestrullert, das „Rein-und-Raus-Spiel“ praktiziert, und zudem soll laut einer Zeugenaussage eine Polizistin mit Bademantel und Waffe auf einem Tisch getanzt haben. Die betroffenen Hundertschaften wurden wieder abgezogen. Berliner Alltag statt G20-Gipfel. Die öffentliche Meinung war zweigeteilt. Zum einen der Bürger, der eher selten mit behelmtem Einsatzkräften zu tun hat. Geschweige mit der BFE. Ach Mensch, das sind auch nur Menschen! Die müssen ja immer ihre Köpfe hinhalten, da muss man auch mal saufen können. Privat ist privat, Beruf ist Beruf. Davon mal ganz abgesehen, sieht ein wirklich privates Ambiente ein wenig anders aus. Aber okay, lassen wir das mal so stehen. Zum anderen meldeten sich in den sozialen Netzwerken die Personen zu Wort, die häufig mal Pfeffer und die „Schwarzwurzel“ zu schmecken bekommen. Politisch aktive Menschen, die auf Demonstrationen gehen. Aktive Fußballfans, die Woche für Woche in Kontakt mit der Staatsmacht kommen. Keine Party bei Auswärtsfahrten. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Mitunter auch Willkür und Drangsalierungen.

Schwer zu sagen, wie unter dem Strich die allgemeine Meinung ist. Bumsen ist menschlich, Saufen auch. Wenn Menschen feiern, wirken sie humaner, als wenn sie nur stur die Knüppel schwingen und derb in die Massen reinprügeln. Dass solche Bilder unmittelbar vor dem arg umstrittenen Großereignis in Hamburg ans Tageslicht kamen, ist denkbar ungünstig. Es wird die kommenden Tage rabiat zur Sache gehen, und da erscheint eine feuchtfröhliches Gelage in der Unterbringung als professionelle Vorbereitung nicht allzu optimal. Schließlich lässt der Profifußballer im Trainingslager auch nicht reihenweise die Tassen heben, wenn paar Tage später die Weltmeisterschaft ansteht. Fakt ist, die Berliner Polizei ging medial in die Offensive und verbreitete unter anderen auf Twitter und Facebook eine Meldung. Unter anderen hieß es: „Wir laden Sie/Euch herzlich ein, sich ein persönliches Bild von dieser professionellen Arbeit zu machen und sich davon zu überzeugen, dass wir nicht die Partypolizei, sondern die professionelle Hauptstadtpolizei sind. Wir und viele andere Menschen sind davon absolut überzeugt.“

Mein Name ist Hase

Gesagt, getan. Diese Einladung wurde dankend angenommen. Rucksack gepackt und ab zum nächsten großen Einsatzort. Relevanter Fußball ist zur Zeit nicht. Also Blick über den Tellerrand. Für einige Berliner Polizisten hieß es: Friedel 54 statt G20. Am gestrigen Donnerstagmorgen sollte der alternative Kiezladen in der Friedelstraße 54 im Berliner Stadtbezirk Neukölln geräumt werden. Amtshilfe für den Gerichtsvollzieher, heißt es im Amtsdeutsch. Der Mietvertrag für den beliebten Laden lief Ende April aus, das gesamte Gebäude wurde inzwischen weiterverkauft, eine Briefkastenfirma soll mehr Geld hingelegt haben als die gesamten Mieter des Hauses, die zusammenlegen und das Gebäude erwerben wollten. 

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„Wolln wa se rein lasse? Nö!“, war an der Außentür des Ladens zu lesen. Am Schaufenster wurde ein weiterer Zettel angebracht: „29.6. wegen Umbau geschlossen. - 30.6. Wiedereröffnung“. In den Tagen zuvor wurde mobil gemacht, am Morgen des Tag X setzte sich ein große Gruppe vor das Gebäude und versuchte sich im Sitzstreik. Unser Fokus richtete sich in diesem Fall weniger auf das politische Anliegen, sondern mehr auf die Tätigkeit der Berliner Polizei. Denn dazu wurde schließlich eingeladen, dafür war ich vor Ort. Mit vom Fußball geschulten Auge schauen, wie professionell wirklich gearbeitet wird. 

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Reibungslos verlief das Passieren an der Absperrung der Zufahrtsstraße. Beide Ausweise zeigen, und schon durfte man vorlaufen zum Ort des Geschehens. Überdurchschnittlich viele Vertreter vom Kommunikationsteam waren an diesem Morgen vertreten. Kommunikation ist alles. Die Berliner Polizei wollte sich von der besten Seite zeigen. Nach dem Saufskandal und direkt vor dem G20-Gipfel war das mediale Interesse recht groß. Zahlreiche Fotografen, Berichterstatter und Fernsehteams waren an Ort und Stelle. Neun Uhr war angesagt, und pünktlich wie Malermeister Krause wurde sogleich losgelegt. Die vor dem Gebäude Sitzenden wurden fortgetragen. Herzhaft wurde angepackt. Mal mit einem kurzen Gespräch vorher, mal auf direktem Wege. An Händen und Füßen wurden die Aktivisten fortgeschleppt. Da kam der eine oder andere Polizist dann doch recht doll ins Schwitzen. Für Getränkenachschub war jedoch jederzeit gesorgt. 

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„Steh´n Sie auf, kommen Sie mit!“, wurde ein älterer Mann angebrüllt und anschließend abgeführt. Ja, ab und an wirkten einige Polizisten etwas gereizt und genervt. Unter den Augen der anwesenden Rechtsanwälte und Presseleute hielt man sich jedoch zurück. Schlagstock und Pfefferspray kamen bei der Auflösung der Sitzblockade nicht zum Einsatz. Das schaut beim Fußball an abgelegenen Orten, wenn Anwälte und relevante Presse nicht anwesend sind, häufig um einiges anders aus. Allerdings soll es nach Zeugenaussagen bei der anschließenden Räumung des Hinterhofs auch um einiges kerniger zugegangen sein. Dort befanden sich ebenfalls etliche Aktivisten, und diese wurden dann etwas unsanfter nach draußen geschafft. Pressevertreter waren bei dieser Aktion nicht zugelassen, insgesamt sollen drei Personen verletzt worden sein. Einem auf dem Rücken Liegenden sprang ein Hund mehrmals auf den Bauch. Glücklicherweise hatte dieser einen Maulkorb um. 

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An der Ecke Friedelstraße / Weserstraße wurden im späteren Verlauf die Polizeifahrzeuge umgeparkt. Die durch die Fahrzeuge gebildete Absperrung war somit kurzzeitig aufgelöst, in Folge dessen wurde es dort ein wenig hektisch. Gerangel zwischen polizeilichen Einsatzkräften und Demonstranten war die Folge. Einem Polizisten brannte fast die Sicherung durch, doch das Fass wurde nicht zum Überlaufen gebracht. Schon bald waren die nachrückenden Fahrzeuge positioniert, und die Lage beruhigte sich wieder. 

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Direkt vor dem Haus Nummer 54 hatte alles seine Ordnung. Wasser und Schorle für die schwitzenden Beamten, freier Auslauf für die Presse auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig. Ausharren. Das Wetter verschlechterte sich. Nun kam technisches Gerät zum Einsatz. Fenster und Türen des Ladens waren zugemauert. Zuerst musste die Eingangstür des Hauses inklusive Einfassung entfernt werden. Der Kräftigste der Truppe versuchte sich mit Rücken und Schulter, dann wurde schließlich mit einem Brecheisen zugeschlagen. Im Flur selbst ertönte dann eine Kettensäge. Das Holz war entfernt, doch dahinter kamen Beton und Steine zum Vorschein. Kein Wunder, dass mindestens eine Kettensäge den Geist aufgab. 

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An Bauzäune oder Absperrungen wurde an diesem Vormittag nicht uriniert, doch Petrus ließ es von oben mächtig laufen. Schon bald setzte Dauerregen ein, und die Demonstranten und Schaulustigen hinter den Absperrungen der Seitenstraßen zogen sich weitgehend zurück. Am Laden wurde indes weiter geackert. Voller Tatendrang wurde nun ein Loch in die Wand gebohrt. Dem Beobachter wurde einiges geboten. Wann darf man der Berliner Polizei über die Schulter schauen, wenn die „Kamera-Schlange“ samt Lampe eingeführt wird?! Also auch hier wieder ein „Rein-Raus-Spiel“, nur halt ein ganz anderes. Und okay, so ganz über die Schulter nun auch nicht. Es blieb nur der Blick durchs Teleobjektiv, und einige Journalisten beschwerten sich lautstark, weil das Kommunikationsteam mit den gelben Westen im Weg stehen würde. Zugegeben: Jammern auf hohem Niveau. 

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Im Hausflur wurde immer wieder beraten, wie denn nun zu verfahren sei. Schließlich kursierten Bilder im Netz von möglichen Personen, die sich von innen an die neu gemauerte Wand gekettet haben. Mit Trennjäger oder Kettensäge da mal eben ins Ungewisse zu gleiten, erschien vor allem aus Sicht der vertretenden Anwälte und linken / grünen Politiker als keine gute Idee. Gegen 13 Uhr stellte sich dann jedoch heraus, dass die fünf eingeschlossenen Personen weder angekettet noch einbetoniert waren. Der Zugang zum Laden konnte hergestellt werden, und draußen waren die letzten ausharrenden Presseleute froh, dass die Aktion nun vorbei war. Es kübelte unentwegt, und die Schuhe waren bereits hübsch durchgeweicht.

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Und das Fazit? Die Polizei sei recht rabiat zur Sache gegangen, ist an vielen Stellen zu lesen. Aber immerhin sprechen wir hier von einer angeordneten Räumung. Im Vergleich dazu: Man fällt des Öfteren vom Glauben ab, was im Fußballalltag so alles passiert. Wie oft wurde sich durch Massen geprügelt, um eine Person, die Pyrotechnik angezündet hat, festzunehmen?! Wie viele wurden verletzt, weil ein kritisches Spruchband aus einer proppenvollen Fankurve herausgeholt werden sollte. Wie schnell sind Knüppel und Reizgas draußen, wenn es vor einem Bahnhof oder an einem Stadioneinlass mal etwas enger und hektischer wird? Würden Einsätze bei Konfliktsituationen im Rahmen von Fußballspielen immer so verlaufen (auch wenn der eine oder andere Übergriff alles andere als erfreulich ist) wie am gestrigen Tag in der Neuköllner Friedelstraße, wäre man durchaus ein ganzes Stück weiter. Aber vielleicht zeigt ja die ganze Diskussion um den Vorfall in Hamburg Wirkung und in der kommenden Saison erfolgt ein stückweit Entspannung… Allerdings glaube ich nicht dran. Zumal es medial sicherlich wieder zur Sache gehen wird, sobald die ersten „Chaoten“ wieder eine Fackel zünden oder ein kritisches Spruchband zeigen …

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Berliner Alltag / Berliner Impressionen

Artikel wurde veröffentlicht am
30 Juni 2017

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Ha ha. Läuft in Berlin. Könnten auch mal beim BER feste anpacken!
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