„Ich habe mal wieder richtig Bock auf Fußball!“ So die Ansage von meinem turus-Kollegen Michael, der sich sonst eher in den unteren polnischen Ligen und bei Kreisliga-Derbys in Vorpommern herumtreibt. Und hinterher wurde sogleich geschoben: „Dienstag, 10:30 Uhr im Sportforum! U17-Duell. Berlin gegen Sachsen. Bist du dabei?“ Ein kurzer Blick ins Netz. Nirgends war eine Ankündigung zu finden. Mit Zuschauern war demzufolge nicht zu rechnen. Völlig offen war zudem, ob im Stadion oder auf einem Nebenplatz gespielt wird. Mein „Bock auf den Kick nach dem Aufstehen“ hielt sich ziemlich in Grenzen, allerdings könnte bei einem Käffchen ein wenig gefachsimpelt werden. Und ja, auch der Nachwuchsfußball soll bei der Berichterstattung nicht zu kurz kommen. Also Kamera geschnappt, rein in die S-Bahn, und dann mit der Tram Nummer 5 bis Sandinostraße. Eine Strecke, die man bereits Anfang der 90er gefahren ist. Zu den Heimspielen der Eisbären im Wellblechpalast, zu den Heimspielen des FC Berlin (BFC Dynamo). Bei Wind und Wetter. Mal bei Schneeregen, mal bei 30 Grad und knallender Sonne. Immerhin blieb an diesem Vormittag der Schneeregen aus, wenngleich es ziemlich empfindlich kalt war.
Berlin vs. Sachsen: Juniorenduell kurz nach dem Frühstück bei frischer Brise
„Mal auf die Uhr geguckt?“, meinte ein Betreuer der Berliner U17-Auswahl. Also nicht zu uns, sondern zu den sich warm machenden Sachsen im grünen Gewand. Pünktlichkeit wurde nicht gerade groß geschrieben. Man ließ es ruhig angehen. Mit 25 Minuten Verspätung liefen schließlich die Berliner und Sachsen auf den Rasen. Glücklicherweise im Stadion, so dass man es sich auf den Sitzen der Haupttribüne gemütlich machen konnte. Wobei „gemütlich“ weiß Gott relativ war. Das sahen auch die rund 15 Schüler so, die einen Klassenausflug machten und über das Geschehen auf dem Rasen berichten sollten. „Mir ist kalt, wie lange müssen wir durchhalten?“, jammerte einer der Kids bereits nach sage und schreibe drei Minuten Spielzeit. Fleißig Notizen angefertigt wurde jedoch dennoch. Gefachsimpelt wurde auch über die Taktik der beiden Mannschaften. So liefen die rot-weiß gekleideten Berliner ganz klar mit einer Viererkette auf. Die Sachsen versuchten sich indes mit einer Dreier-Abwehrkette.
Eine Aufstellung vermissten nicht nur die Nachwuchs-Schreiberlinge, auch wir hätten ganz gern eine gehabt. Hinten auf den Trikots waren nur die Nummern sowie „Berlin“ und „Sachsen“ zu lesen. Auf fussball.de wurde indes bis heute nicht mal das Spielergebnis eingetragen. Geleitet wurde die Partie Berliner FV U17 Junioren vs. Sächsischer FV U17 Junioren von Ricardo Brüsch, an den Linien wurden Jan-Malte Meyer und David Heider tätig. Bereits nach kurzer Zeit kam Berlins Nummer 11 zu einer guten Möglichkeit, doch der Schuss wurde links am sächsischen Gehäuse vorbeigezogen. „Der Ball hört sich so platt an“, erklärte hinter uns ein Schüler. Eine Antwort darauf gab es nicht. Im Gästeblock hatte sich ein einzelner Mann mit Knopf im Ohr verirrt, bis zum Abpfiff verharrte er dort. Auf dem Platz versuchte sich indes Berlins Nummer neun, doch sein Versuch wurde vom sächsischen Keeper geklärt. Und dann aber! Berlin kam hübsch über die linke Seite, das Spielgerät wurde hereingebracht, die Nummer sieben traf nur den Pfosten, der Nachschuss der Nummer zwei ging deutlich über die Latte. Das hätte die Berliner Führung sein müssen. Raunen unter den rund 40 Anwesenden auf der Haupttribüne. Die Schüler starteten mal sogleich eine Laola. „Oh, wird schön warm jetzt!“, bemerkte einer Jungs. Ich hoffte nur, dass er nicht vor Freude eingepullert hatte.
Apropos „eingepullert“. Fast eine „Wutlatte“ bekam ich in der Halbzeitpause beim Becher Kaffee, der so richtig gut tat. Was vernahmen durch Zufall die Ohren? Ein Mann erklärte einer Frau, dass oben in Rostock doch alles Assis seien. Voll widerlich. Die würden bereits mittags saufen und dann hacke voll sein. Zudem würde schon mal dem Gegner auf die Schuhe gespuckt werden. Worum es eigentlich ging? Anlass des Gesprächs war wohl das U17-Bundesligaduell zwischen dem F.C. Hansa Rostock und RB Leipzig, das am vergangenen Wochenende ohne Zuschauer im Ostseestadion ausgetragen werden sollte, dann jedoch wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt wurde. Während ich am Kaffee nippte, wollte ich mich bereits einklinken und fragen, was diese dämlichen Pauschalisierungen sollen, ließ es dann aber doch bleiben. Die zweite Halbzeit rief!
Die Schüler hatten bereits die Sachen gepackt und mussten wohl im Klassenraum nun die Notizen ins Reine bringen. Auf dem Platz machte nun Sachsen verstärkt Druck. Beide Keeper zeigten zu Beginn des zweiten Spielabschnitts leichte Unsicherheiten, durften sich dann jedoch auch wieder mit Paraden auszeichnen. Im Laufe der Partie erspielten sich wieder die Berliner leichte Feldvorteile. Tore wollten jedoch nicht fallen. Und da auch grandiose Spielzüge eher Mangelware waren, ließen Michael und ich die Blicke über die Weiten des Sportforums schweifen. Meine Güte, was für Partien wie hier beide bereits gesehen hatten! Beim Durchgehen der Highlights - persönlich kennen wir uns erst seit zirka fünf Jahren - stellten wir fest, dass wir meist an den gleichen Stellen standen. 2004. Halbfinale im Berliner Pokal. Der BFC Dynamo empfing als Verbandsligist den Oberligisten Yesilyurt. Ja, jene Partie, bei der auf Heimseite nur die Haupttribüne geöffnet war und die Fladenbrote aufs Spielfeld flogen. Michael und ich standen links vom mittleren Bereich der Tribüne. Heimspiel gegen den 1. FC Magdeburg in der Aufstiegsrunde 2001. Michael und ich standen rechts vom mittleren Bereich der Tribüne.
Der Platzsturm gegen Union Berlin im Jahr 2006?! Wir beide standen auf der Gegengerade nahe des Verkaufsbüdchens. Und auch auswärts kreuzten sich unbewusst die Wege. 2004, auswärts mit dem BFC Dynamo beim SV Babelsberg 03. Wir beide standen in der Mitte der Haupttribüne des Karl-Liebknecht-Stadions. Und so war es auch kein Zufall, dass er mich auf zwei, drei Fotos drauf hatte. Wie sagt man so schön? Im Leben gibt es wohl keine Zufälle. Und während Michael und ich noch in alten Erinnerungen schwelgten - Motor Eberswalde zu Gast im Sportforum, etc. -, wurde unten auf dem Rasen die U17-Partie abgepfiffen. Ein letztes Shakehands - das war es dann auch schon. Bis zum jetzigen Moment ist im Netz nichts, wirklich nichts im Netz über jenes Spiel zu finden. Was sich - Zack! - in diesem Moment ändern wird ...
Fotos: Marco Bertram
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