Teammanager beim TC Freisenbruch: Nostalgie trifft Moderne

KH Updated 22 Januar 2018
Teammanager beim TC Freisenbruch: Nostalgie trifft Moderne

In einer kleinen engen Wohnstraße beendet mein Navigationsgerät seine Routenführung, aber keine verdächtig nach einem Sportplatz aussehenden Scheinwerfer sind in Blickweite zu erkennen. Wo bin ich gelandet? Wie bin ich hierher gekommen? Es begann mit einer eMail vor ein paar Wochen, in der ein etwas anderes Fußballprojekt beworben wurde. Beim Essener Klub TC Freisenbruch aus der Kreisliga B bestimmen seit Saisonbeginn die Fans alle sportlichen und finanziellen Belange des Vereins: Von der Aufstellung über den Eintritt bei Heimspielen bis hin zur Trainerentlassung.

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Der erste Gedanke: Das gab es doch hierzulande schon einmal. Genau, bei Fortuna Köln (3. Liga) wurde im Jahr 2008 ein ähnliches Projekt (deinfussballclub.de) nach dem Vorbild des englischen Klubs Ebbsfleet United gestartet, bei dem Fans nach Entrichtung eines jährlichen Obulus manche Entscheidungen mitbestimmen konnten. Das Projekt wurde im Jahr 2012 eingestellt. Vielleicht war die Zeit damals nicht reif für so ein Community-Projekt, in einer Zeit, in der das Internet sich gerade hin zum sozialen Netz entwickelte. Vielleicht ging das Projekt den Fans auch nicht weit genug.

Den Schritt weiter geht das Projekt www.deinclub.tc-freisenbruch.de. Denn hier können die Fans nicht nur alles (wirklich alles) auf einer technisch ausgereiften Plattform mitbestimmen, sondern auch (fast) live am Geschehen teilnehmen. Laut dem Pressesprecher des Klubs Peter Wingen gegenüber turus.net gebe es auch keine Hintertür für die Verantwortlichen. Es werde der Meinung der Fans zu 100% gefolgt. Wer Fußball-Manager Spiele wie FIFA oder Anstoß liebt(e), kommt hier voll auf seine Kosten – nur noch um eine "reale" Stufe weiter. Denn während die Managertätigkeit am Computer oder Smartphone komplett virtuell gespielt werden, hat man in Freisenbruch seinen Verein zum Anfassen und "live" erleben.

Also Auto in der „Von der Vogelweide-Straße“ geparkt und zu Fuß den Waldweg hinunter vorbei an einem Stromkasten, der mit einem roten „UE“ gesprayt wurde. Eine Markierung der Rot-Weiss Essen Fan-Gruppierung „Ultras Essen“, die nicht mehr existiert. Der TC Freisenbruch existiert dagegen noch und das seit 1902, und darauf ist der Klub Stolz: ohne Fusionen und Umbenennungen. Mitsamt seinem „Waldstadion Bergmannsbusch“ und seinem Motto „Echt auf Asche“ ist ein Spielbesuch Pflicht für jeden „Groundhopper“.

Seit einiger Zeit sorgt der Klub vor allem im Internet für Furore: Eine Facebook-Seite, der innerhalb von kürzester Zeit über 4.000 Fans folgen und damit den Kreisligisten fast in die Top 100 der Fanpages mit den meisten Likes rutschen lassen; eine Webseite und eine Vermarktung, bei der so mancher Profiklub erblassen würde und mit „Green Wolf“ einen eigenen Energydrink. Die Kür ist aber sicherlich die Community und Mitbestimmungsplattform, die von der Essener Agentur „Doppelpass UG“ umgesetzt wurde und auch betreut wird. "Wir hatten zuerst die Idee und haben uns dann nach einem positiv verrückten Verein umgeschaut und diesen mit dem TC Freisenbruch gefunden. Der Verein und das Stadion sind einfach ideal für so ein Projekt", erklärt Peter Wingen, zuständig für die Programmierung der Plattform und die Öffentlichkeitsarbeit im Klub. Insgesamt wurde rund zwei Jahre an der Plattform gearbeitet, die aber auch immer weiterentwickelt wird. So soll zur Winterpause ein Tool kommen, mit dem die User neue Spieler verpflichten können.

Bis jetzt entscheiden knapp über 220 Mitglieder aus der ganzen Welt über die Belange des Klubs, nach Angaben der Macher dürften es gerne ein paar mehr sein. 12.000 wie seinerzeits bei Fortuna Köln wären laut den Verantwortlichen zwar toll, aber kein Kriterium, um daran den Erfolg festzumachen: „Unser Ziel ist es, die legendären Fußballmanager Spiele so gut es geht, in einem echten Verein umzusetzen! Wenn wir das schaffen, dann sind wir zufrieden!“

Wenn man überlegt welchen Preis man für ein Computerspiel hinlegt, geschweige denn für eine Eintrittskarte, dann sind fünf Euro pro Monat für den realen Fußball-Manager aus Essen Freisenbruch ein richtiges Schnäppchen: Dafür können sich die Fans die Spiele im Nachgang als Video ansehen, Videos vom Training begutachten, ihre Lieblingsmannschaft zusammenstellen und Termine mitbestimmen sowie die Finanzen und Transfers im Blick behalten.

Im Endeffekt entscheidet das Mehrheitsvotum und das funktioniert: Auch wenn die Fans ihren Job bisher perfekt machen - derzeit ist der TC Freisenbruch Spitzenreiter der Kreisliga B – ersetzbar ist das Trainergespann natürlich nicht (u.a. der ehemalige Bundesligaprofi Mike Möllensiep, Adrian Bullik, Ingo Elosge): Beim Heimspiel gegen den SF Niederwenigern III (4:0) wird die Mannschaft vom Seitenrand auf Linie gebracht. Vor dem Anpfiff das obligatorische Foto für die Facebook Seite und die Community und schon rollt der Ball auf Asche. Neben den Zuschauern (inzwischen teilweise im dreistelligen Bereich) mit dabei immer  Video-Kameramann und Profifotograf – ganz so, als würde der Klub nicht in der Kreisliga kicken, sondern höherklassig.

Derzeit macht ein Team von etwa zehn Leuten dieses Projekt möglich, und der komplette Klub zieht mit. „Die Mitglieder haben ein Jahr vor dem Projektstart über das Konzept abgestimmt. Bei einer eigens einberufenen Mitgliederversammlung gab es nur eine Gegenstimme“, erklärt Peter Wingen. Große Zustimmung also auf breiter Front und mit den Buschboys Freisenbruch e.V. gibt es auch einen aktiven Fanclub, der den Namen des Klubs mitunter international präsentiert. Viel Engagement und Einsatz für einen Kreisligisten, der sollte es so weiter laufen in der kommenden Saison in die A-Liga aufsteigen könnte. Vielleicht gibt es dann bald auch noch mehr Features, wie beispielsweise Live-Streaming von den Spielen und Live-Abstimmungen über Auswechselungen.

Was aber erst einmal noch fehlt, sind ein paar mehr begeisterte Fußball-Manager, die sich ihren eigenen Klub nach den eigenen Wünschen basteln möchten.  

> zur turus.net Fotostrecke des TC Freisenbruch

> Offizielle Webseite des TC Freisenbruch

Stadionname:
  • Waldstadion Bergmannsbusch
Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
29 November 2016

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Auf Asche ist geil
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