Energie Cottbus vs. Babelsberg 03: Klare Verhältnisse beim brisanten Brandenburg-Duell

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Zweimal traf Detlef Irrgang, der fast 15 Jahre nonstop bei Energie Cottbus unter Vertrag stand, ins Schwarze. Einen Treffer hatte Mittelfeldspieler Steffen Rietschel beigesteuert. Man schrieb den 05. April 1988, und im Stadion der Freundschaft kam es am 25. Spieltag der Staffel A der DDR-Liga (zweite Liga) zum Aufeinandertreffen der BSG Energie Cottbus und der BSG Motor Babelsberg. Immerhin 3.000 Zuschauer wollten dieses Duell sehen. Die Lausitzer waren auf Aufstiegskurs. Am Ende gelang mit sechs Punkten Vorsprung auf die BSG Rotation Berlin der ersehnte Sprung in die DDR-Oberliga. Motor Babelsberg war nach dem 34. Spieltag auf Platz 11 zu finden. Bemerkenswert: Babelsberg hatte hinter Cottbus (3.234) mit 2.271 Zuschauern den zweithöchsten Schnitt der Staffel A. Apropos, Steffen Rietschel, der im April 1988 ein Tor gegen Babelsberg geschossen hatte, absolvierte ein halbes Jahr später sein letztes Pflichtspiel für Energie Cottbus. Im Anschluss war er bei Aktivist Brieske-Senftenberg und Aktivist Schwarze Pumpe aktiv. Nicht zu vergessen: Seine Zeit bei Energie war eh kurz. Nur 15 Liga-Spiele und 5 Oberliga-Spiele kamen zusammen. 4 Treffer hatte er erzielt, einen davon gegen die BSG Motor Babelsberg. In der Folgezeit liefen sich die ersten Mannschaften aus Cottbus und Babelsberg nicht mehr über den Weg - und das, obwohl es beide Vereine zwischenzeitlich in den Profifußball verschlagen hatte. Doch als Babelsberg 03 einst in der 2. Bundesliga spielte, hielt Energie Cottbus eine Etage höher die ostdeutsche Fahne hoch. Zu tun hatten es die Babelsberger immer wieder mal mit der zweiten Mannschaft des FC Energie. 2004/05 in der NOFV-Oberliga Nord, in den Spielzeiten 2007/08 und 2008/09 in der Regionalliga Nord. Das Interesse hielt sich arg in Grenzen. So wollten am 14. September 2008 nur 500 Zuschauer die RL-Partie sehen. Nicht mehr waren es im Stadion der Freundschaft im Jahr zuvor.

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Auch wenn sich die ersten Mannschaften im Rahmen von Pflichtspielen seit April 1988 nicht mehr begegnet waren, so haben sich die Fanlager dennoch eine Menge zu sagen. Zum einen geht es um die sportliche Nummer eins im Land Brandenburg, zum anderen sorgt die unterschiedliche Ausrichtung zahlreicher Fans beider Lager für mächtig Brisanz. So überraschte es nicht, dass das Landespokalhalbfinale im Karl-Liebknecht-Stadion am 15. April 2015 eine erhitzte Angelegenheit wurde. Auf dem Rasen war Cottbus sportlich noch eine Nummer besser, verdient wurde der 2:0-Sieg nach Hause geschaukelt. Nach dem Abstieg der Lausitzer aus der 3. Liga in die Regionalliga Nordost gibt es nun in der laufenden Saison erstmalig seit 1988 wieder Duelle auf Augenhöhe. Eigentlich Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass der FC Energie einst in der 1. Bundesliga spielte und allesamt die Visitenkarte in der „Lausitzer Hölle“ abgaben. Vom FC Bayern München bis zum FC Schalke 04. Erschreckend, wie es über die Jahre hinweg immer tiefer ging. Wer erinnert sich nicht daran, als Ede Geyer vor zwei Jahrzehnten die Lausitzer Underdogs Schritt für Schritt nach oben führte. Gemeinsam mit dem F.C. Hansa Rostock war man plötzlich das sportliche Aushängeschild der Region Nordost. Und nun? Die berühmte leckere Currywurst ist im Presseraum längst verschwunden. Einsam steht die Kaffeekanne wie in einem Komparsen-Aufenthaltsraum auf einer Anrichte. Verständlich, es muss inzwischen an jeder Ecke gespart werden. Geöffnet werden in der Regionalliga nur noch die Fan-Tribüne und die Haupttribüne. Und selbstverständlich der Gästeblock. Einsam stehen die Gästefans dort zwischen leeren Bereichen. Beim Blick auf die leere Gegengerade kommt ein Magengrummeln auf. Ist das bitter! Wie konnte es nur dermaßen abwärts gehen? Aber jammern hilft bekanntlich nicht. Am Riemen reißen, Mund abwischen, Kräfte bündeln! Mit fast komplett neuer Mannschaft ging es ins Rennen. Und fantechnisch konnten sich auswärts die meisten Auftritte wahrlich sehen lassen. Geschlossenheit in Perfektion. Trotz all der verschiedenen Gruppierungen und Strömungen in der Lausitzer Fanszene. Die meisten BFCer zogen den Hut vor dem Auftritt an einem Freitagabend im Berliner Jahn-Sportpark. Und auch bei den Hertha-Bubis ergab sich an gleicher Stelle ein ähnlich guter Anblick.

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Nun also kam es gestrigen Samstagnachmittag zum Aufeinandertreffen mit dem SV Babelsberg 03. „Mit dem Zug, alle in Schwarz!“, hieß es bei Nulldrei. In Cottbus gab es etliche Ankündigungen zu sehen. Babelsberg sollte vernichtet werden. Umgehauen werden. So wunderte es nicht, dass bereits am frühen Vormittag erste „Truppenbewegungen“ in Cottbus zu sehen waren. Man hatte Vorbereitungen getroffen und wollte dem Babelsberger Anhang einen hitzigen Empfang bereiten. Mit Leuchtkugeln und Böllern wurde versucht die Babelsberger Zugfahrer anzugreifen. Letztendlich fanden so ziemlich alle Nulldrei-Fans den Weg in den Gästeblock des Stadions der Freundschaft. Mit einem „Nazi-Schweine!“ ließ man beim Betreten des Blockes zirka 45 Minuten vor Anpfiff erst einmal mächtig Dampf ab. Ziemlich laut hallten die Rufe durch das noch fast leere Stadion. Auf Heimseite war die Stimmung in der aktiven Fanszene eher gedrückt. Bereits einige Tage vor dem Duell kündigten Verein und Behörden an, dass Choreo und Spruchbänder verboten sind. Sowohl im Heim-, als auch im Gästebereich. Man hatte große Sorge, dass es wieder ein politisches Spruchband-Festival geben könnte. Unangenehm wurde es auch für einige Cottbuser Stadionverbotler, denn diese wurden auf einer Polizeiwache in Gewahrsam genommen.

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In Anbetracht all der Umstände konnte sich die Heimtribüne sehen lassen. Immerhin sprechen wir von der vierten Liga. Die Leute um „Ultima Raka“ und „Collettivo Bianco Rosso“ versuchten ihr Bestes. So gab es bei „Ultima Raka“ sogar eine Blockfahne und ein Spruchband zu sehen: „Für Zecken sind wir Nazis - für Nazis sind wir Zecken…“ Anschließend war an gleicher Stelle „Seit 14 Jahren für Energie und unseren Sport“ zu lesen. Auf Höhe der Gruppierung „Collettivo Bianco Rosso“ wurde ein schlichtes rot-weißes Fahnenmeer gebildet, in dem es ein wenig rauchte und blinkte. Insgesamt ergab sich ein recht ordentlicher Anblick. Im Gästeblock, der mit schätzungsweise 700 Nulldrei-Fan gefüllt war, ergaben extra angefertigte Schals ein geschlossenes Bild. Auf das Mitnehmen der Gruppen-Fahnen hatte man weitgehend verzichtet. Oben und unten war schlicht und einfach „Sportverein Babelsberg“ in großen Buchstaben zu lesen. Beim Blick auf die unteren Reihen - in denen waren einige schwarz zugeschnürt / vermummt - hätte man denken können, dass noch politische Botschaften oder eine Feuerwerk folgen könnten. Dem war jedoch nicht so. An diesem Tag unterstützte der Gästeanhang geschlossen die Mannschaft auf dem Rasen. Allein dies hatte Priorität. Dem Gegner auf den Rängen schenkte man erstaunlich wenig Beachtung.

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Und auf Heimseite? Da Spruchbänder verboten waren, griff man auf ein anderes bewährtes Mittel zurück. In der oberen Ecke der Haupttribüne, direkt unterhalb des Presseraumes, sammelt sich derzeit die kernige Garde der Lausitzer. Fast allesamt in Schwarz. Mitunter gibt es einen Wechselgesang mit dem eigentlichen Fanblock. Beim FC Energie wird man nicht gerade Sprünge vor Begeisterung gemacht haben, als aus hochgehaltenen bemalten T-Shirts ein „FOT*** NULLDREI“ gebildet wurde. In der Halbzeitpause hatten sich bereits BFE-Einheiten vor der Haupttribüne versammelt, und auf der Treppe gab es Gespräche zwischen Polizisten, Ordnern und Vereinsverantwortlichen. Was tun mit dem „schwarzen Block“? Letztendlich blieb es ruhig. Was wohl auch daran lag, da es vom aus Gästeblock zu keinerlei Provokationen kam und der FC Energie klar und deutlich die Partie mit 3:0 gewinnen konnte.

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Am Ende gab es auf den Rängen viele strahlende Gesichter. Die Mannschaft hatte eine couragierte Leistung gezeigt, und die Gemüter bei dem unangenehmen Herbstwetter ein stückweit erhellt. Nachdem die Gäste in Form eines Fernschusses die erste gute Möglichkeit hatten, entwickelte sich zunächst eine offene Partie, in der es aber keine echten Torchancen gab. Dann aber in der 21. Minute. Von links wurde der Ball rübergespielt, Björn Ziegenbein stand bereit und schob gegen die Laufrichtung des Keepers am langen Pfosten ein. 1:0 für Cottbus! Hochgerissene Arme, geballte Fäuste. In der Folgezeit hielt Babelsberg gut mit, Steinborn köpfte freistehend am Gehäuse vorbei. Das hätte das 1:1 sein können.

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Kurz nach der Pause konnte jedoch der Gastgeber die Führung ausbauen. Foulelfmeter für Energie. Fabio Viteritti trat an und verwandelte souverän. Babelsberg gab sich nicht auf, doch auch den dritten Treffer des Tages erzielte Energie Cottbus. Nach guter Hereingabe per Freistoß köpfte Kevin Weidlich den Ball unter die Latte. 3:0 für Cottbus nach exakt einer Stunde. Die Partie war vor 5.676 Zuschauern gelaufen. Es hätte mit dem Teufel zugehen müssen, wenn Energie diese Führung noch aus der Hand gegeben hätte. Da der Teufel im Stadion der Freundschaft nicht vorbeigeschaut hatte, ging das Spiel am Ende mit 3:0 aus. Ein Sieg, der von den Heimfans mit der Mannschaft ausgiebig gefeiert wurde. Da am heutigen Tag der Tabellenführer FC Carl Zeiss Jena bei der U23 von RasenBallsport Leipzig mit 0:3 unter die Räder kam, darf man auf die kommenden Wochen gespannt sein. 

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Nach dem Spiel eilten schwarz gekleidete Trupps durch die verwinkelten Straßen und Gassen. Das Ziel: Die mit dem Regionalexpress abreisenden Gästefans noch erwischen. Dies gelang nicht. Das lag unter anderen daran, dass die Polizei auf Zack war und wichtige Punkte abgesichert hatte und der reguläre Zug aufgrund einer Baustelle und dem zusätzlichen Stopp in Calau 20 Minuten früher abfuhr. Begleitet von zahlreichen Polizisten rollte der RE in Richtung Berlin und Wittenberge. Zu Zwischenfällen kam es nicht mehr. Wer bereits in Königs-Wusterhausen in die S-Bahn umstieg, konnte sich mit der dort erhältlichen legendären Knacker und einem kalten Bier belohnen…

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: FC Energie Cottbus

> zur turus-Fotostrecke: SV Babelsberg 03

Artikel wurde veröffentlicht am
20 November 2016
Spielergebnis:
3:0
Zuschauerzahl:
5.676
Gästefans
700

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Regionalliga

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4 Kommentare
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Kommentare
Sehr guter Kommentar. Trifft alles was ich auch gesehen habe. Erbärmlichen primitives Heimpuplikum. In Babelsberg würden wir solch ein Pack aus den Stadion jagen.Energie ist jetzt da wo Cottbus schon seit Jahrzehnten ist, nämlich viertklassig.
G
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G
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T
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G
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