„Los, wir fahren zuerst zum Stadion! Da gibt es bestimmt noch Leute, die Tickets übrig haben“, sagte der Schreiber vom Magdeburg-Rostock-Artikel. Wir waren bereits an den Stadttoren Magdeburgs angelangt. Die Polizei zeigte schon überall an den Bahnhöfen eine Präsenz, die nicht zu übersehen war wie eine Fünf auf einem Zeugnis voller Einsen und Zweien. Ein Rentner wettert, dass der Staat den Vereinen die Kosten für die Absicherung auferlegen müsse. Es war die übliche Zehn in einem Skat-Spiel, die durch ein As der Unsummen an jährlich erreichten Steuereinnahmen durch den Fußball überboten wurde. Wirkliche Steuergeldverschwendungen sollte man anderenorts suchen. Ein letzter Blick zum Kaufhaus mit seinem Fan-Shop, aber Zuschauer Nr. 21002 sollte ich heut nicht werden. Hansa hat ausnahmsweise in dieser Saison mal einen Lauf, weshalb das Spiel nicht so einseitig aussehen dürfte. Außerdem würden in Kürze hier die beiden stärksten Fanblöcke gegeneinander antreten. Das riss mich dennoch nicht vom Hocker. Mein Ziel war das Heinrich-Germer-Stadion, wo einst der FCM gegen Arsenal London spielte. Auf dem Weg dorthin fuhr alle fünf Minuten ein Streifenwagen an mir vorbei. Überall Polizei weitab des Stadions. Aber warum nur? Das müsste man die Polizisten fragen, die unweit des Bahnhofs Buckau laut hörbar darüber diskutierten, wer unter den Fan-Kategorien A, B und C nun die Schmusekatzen seien…
5. November, Magdeburg, ein paar Kilometer weiter süd-westlich
Der erste Anlaufpunkt im Stadtteil Sudenburg war die Sterne-Arena. Der heimische Verein Roter Stern hatte es in der Stadtoberliga (Ebene 9) mit dem FSV 1895 zu tun. Schwarz-rote Sportkleidung und die üblichen Wand-Kritzeleien in der Umgebung ließen auf einen Vertreter der Rote-Sterne-Familie schließen, zu der auch die Namensvetter aus Leipzig und Berlin gehören würden, aber weit gefehlt. RSS hätte auch Partizan heißen können. Die Namensgebung war 1999 relativ willkürlich festgelegt worden. Für einen Euro bekommt man Zutritt zu einem gewöhnlichen Wohnblockviertel-Sportplatz mit Betonburgen als Kulisse - unspektakulär und zweckmäßig.
Herzstück des Vereins ist das Klubhaus. Von der Außenansicht hat die DDR überlebt, innen gibt es neben Bockwürstchen bereits kulinarische Genüsse des „Klassenfeinds“. Kontaktaufnahme und Kommunikation klappen ohne Komplikationen. Mit den Einheimischen kann man sich über Gott und die Welt unterhalten und dabei das Spiel hinter Glas im Trockenen verfolgen. Obwohl die sportliche Leistung als grauenhaft beschrieben wurde, befinden sich beide Mannschaften in der Stadtoberliga im oberen Mittelfeld. Das schnelle Spiel endete 1:1. Den Punkt für die Sterne rettete ein Eigentor des Gegners. Abgehakt und weiter.
Arsenal London in Magdeburg bedeutet natürlich eine volle Hütte. An ein Spiel im Ernst-Grube-Stadion war damals Ende der 70er nicht zu denken, da dieses umgebaut wurde. Also wurde für unserer heutige Zeit unvorstellbar im Germer-Stadion gespielt. Das letzte Spiel vor dem Abriss des Grube-Stadions am 4. Dezember 2004 gegen Zwickau war zwar emotional, dennoch war das Heinrich-Germer-Stadion durch seine zentrale Lage beim alten Magdeburger Publikum beliebter. Jeder, der bei einem FCM-Heimspiel gewesen ist, weiß, dass die Alternative zum langen Fußmarsch hinter das Ostufer der Elbe nur im Kauf eines Fahrscheins für die Straßenbahn besteht. Ankommende am Bahnhof Herrenkrug erleben zunächst eine menschenleere Gegend. Anders sieht es in der Umgebung des Germer-Stadions aus - lebendige Innenstadt-Nähe, mit Details verzierte Fassaden und eben keine unendlichen Weiten.
Nutzer des Stadions ist der MSC Preussen, der bereits kleinere Namensänderungen hinter sich hat und sich eigentlich schon seit vielen Jahren im Exil befindet, da die Heimat etwas noch südlicher anzusiedeln ist. Zwanzig Zuschauer zögern nicht lange und wählen die Tribüne, da der Herbst es traditionell unerbittlich regnen lässt. Während der Halbzeitpause geht der Blick einmal durch das Rund. Im Hintergrund läuft die fröhliche Melodie des alten Holzmichels. Ein kleiner Kontrast. Obgleich ihres leicht verwitterten Zustands, dessen eher trauriger Anblick durch die herbstliche Tristesse noch verstärkt wird, sind Ränge noch funktionstüchtig. Lautsprecher und Toranzeige dienen noch ihrem Zweck. Nur den Grill hat es erwischt. Der rostet schon zu lange. Preussen will in der Landesklasse II auch nicht Rost ansetzen und peilt eine Rückkehr in die Verbandsliga an. Germania Güsen wird locker mit 9:1 (5:0) abgefertigt. Einen zehnten Treffer vereitelt der Germania-Torwart durch einen gehaltenen Strafstoß.
Ein Verdrängen des omnipräsenten 1.FCM ist undenkbar. Auch hier im „Germer“ wird man gleich vom Wappen der Blauen empfangen. Im Vereinshaus flimmert die zweite Halbzeit des Drittligaspiels über den Bildschirm. Der Kommentator lobt die friedliche Atmosphäre und dann … ja dann leuchten im Gästeblock wie erwartet unzählige Bengalos. Ein paar Zuschauer bleiben noch für die letzten paar Spiel-Minuten. Dann ist das Stadion ebenso leer wie kurz danach die Arena im Nord-Osten.
Fotos: Michael
> zur turus-Fotostrecke: unterklassischer Fußball in der Region Nordost
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Benutzer-Kommentare
mit zur zeit 450 zuschauern pro heimspiel auch recht atmosphärisch
zu den partien der landeklasse nord (7. ebene)