1. FC Magdeburg vs. Chemnitzer FC: Blau-weiße Trauer und himmelblaue Freude

„Ruhe in Frieden, Hannes“. Hinter dem großen blau-weißen Banner zogen vor dem gestrigen Heimspiel gegen Chemnitz vom Magdeburger Hauptbahnhof aus einige hundert, meist jüngere FCM-Fans in Richtung Stadion. Vor dem Start des Trauermarsches gab es eine kurze Ansage. Keine Böller, keine Gesänge, keine Zwischenrufe und auch kein sinnloses Saufen während des Marsches. Jeder der Teilnehmer hielt sich dran. Zu hören war nur leises Gemurmel. Kein einziger Böller detonierte, keine leere Bierflasche wurde in irgendeiner Ecke zerdeppert. Zwischen der Elbe und der Zollelbe legte der Trauermarsch einen Zwischenstopp ein. Gezündet wurden 25 rote Fackeln. Nachdem diese heruntergebrannt waren, setzten die Fans ihren Marsch weiter fort. An der Straßenbahnschleife wurde nochmals kurz ein Halt eingelegt. Die am dortigen Imbiss stehenden Fans und Passanten nutzten die Gelegenheit und fertigten ein Foto vom Frontbanner an. Später im Stadion hing das „Ruhe in Frieden, Hannes“ an zentraler Stelle vor dem Block U. Dort blieb es auch das gesamte Spiel über hängen. Wie im Vorfeld bekanntgegeben gab es zu Beginn der Partie eine Schweigeminute. Bei der Ankündigung von Seiten des Stadionsprechers glänzten die Gästefans nicht gerade mit Feingefühl, doch nachdem beide Mannschaften Arm in Arm auf dem Rasen standen, herrschte auch im Block der Himmelblauen Stille. An verschiedenen Ecken des Stadions wurden Spruchbänder hochgehalten. „Hannes unvergessen! Du bist niemals alleine!“, „Gegen Politik und Gewalt im Fußball“, „Emotionen ja! Gewalt nein! Hannes … unvergessen“, „Gegen Gewalt im Fußball! RIP Hannes. OBB“. Im Herzen des Block U wurden nochmals Fackeln gezündet. Diese brannten still vor sich hin und bildeten ein großes rot flackerndes Kreuz. Schade, dass sogar diese Aktion in den eigenen Reihen für Diskussionen sorgte. Der Zeitpunkt für Pyro sei denkbar ungünstig, da derzeit der DFB den 1. FCM am Wickel hat, meinen einige. Was soll man dazu sagen. Pyro-Debatte hin, Debatte her. Ein gerade einmal 25-jähriger FCM-Fan kam auf tragische Weise ums Leben. Und mit Sicherheit hätte er sich solch einen würdevollen Abschied gewünscht. Hunderte Kerzen am Eingang des Stadions, eine landesweite Teilnahme und ja, auch still brennende Fackeln.

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Wie bereits in Erfurt blieb es die ersten 25 Minuten im heimischen Block still. Auch diesbezüglich gab es Kritik. Wie lange soll denn nun noch die Trauerphase anhalten? Die Mannschaft brauche die Unterstützung von der ersten Minute an. Auf der anderen Seite: Nicht jeden Tag kommt ein Fußballfan ums Leben. Vor allem nicht auf diese tragische Art und Weise. Wenn die aktive Fanszene es für richtig hält, dann wird sie auch 25 Spiele trauern. Es gibt keine Verpflichtung zum Support. Davon ganz abgesehen, dürfte supporttechnisch der „Alltag“ sicherlich wieder bald einkehren. Vielleicht hätte es in den sozialen Medien auch gar keine Diskussionen gegeben, hätte der 1. FC Magdeburg das Spiel gegen den Chemnitzer FC für sich entscheiden können. Da jedoch die Magdeburger Mannschaft die erste Halbzeit völlig von der Rolle war, vermischten sich im Nachfeld Wut und Enttäuschung. Ganz bitter: Kurz vor Ablauf der 25 Minuten fiel das 0:2. Die FCM-Fans hatten bereits die Schals oben und wollten sogleich den ersten Schlachtruf anstimmen, als der Schiedsrichter auf den Punkt zeigte. Alexander Bittroff wurde mit einem langen Ball angespielt, und als er ins Strafraumzentrum abbiegen wollte, wurde er von Felix Schiller aufhalten. Mit dem linken Arm hebelte er quasi Bittroff aus und hinderte ihm am Weiterlaufen. Anton Fink griff sich den Ball und übernahm Verantwortung. Inmitten des Pfeifkonzerts zielte Fink zu ungenau, Jan Glinker war mit der linken Hand dran und ließ das Spielgerät nach vorn abprallen. Im Nachschuss konnte Fink den Ball schließlich zum 2:0 für die Himmelblauen unterbringen. Tosender Jubel im gut gefüllten Gästeblock, Fassungslosigkeit auf den heimischen Rängen. Sekunden später wurde wie geplant der Support aufgenommen.

FCM

Das 1:0 für den Chemnitzer FC fiel bereits in der 12. Spielminute. Angefeuert von den rund 1.200 gut aufgelegten Gästefans bestimmten die Himmelblauen anfangs die Partie. Flott ging es über die linke Seite zu Dennis Mast. Dieser brachte von der Grundlinie aus den Ball hinein in den Strafraum. Die Magdeburger Abwehr sah alles andere als gut aus und bekam den Ball nicht aus der Gefahrenzone. Anton Fink war zur Stelle und haute den Ball unter die Latte. In der Folgezeit kam auf der Gegenseite Christian Beck zu einer guten Ausgleichsmöglichkeit, in der 25. Minute folgte schließlich der besagte Strafstoß für Chemnitz. „Ein Schuss, ein Tor, Karl-Marx-Stadt!“, ertönte es aus dem Sitzplatzbereichs des Gästeblocks. Der eigentliche Stehblock blieb bei dieser Partie geschlossen. Auf Heimseite wurde nach dem 0:2 wie zum Trotz lautstark ein „Hey, hey, einmal blau-weiß, immer blau-weiß!“ angestimmt. Ein kraftvolles „1966 - FCK!“ folgte auf Gästeseite. Auf dem Rasen hatten die Chemnitzer bis zur Halbzeitpause alles im Griff, mit der 2:0-Führung des CFC ging es zu den Kabinenansprachen. 

CFC

Eine mächtige Schippe drauf legten die Magdeburger im zweiten Spielabschnitt. Beide Fanblöcke kamen auf Betriebstemperatur. Während auf Gästeseite die extra angefertigten Wendeschals (Chemnitz in Blau-Weiß / Sachsen in Grün-Weiß) präsentiert wurden, wurde die Heimmannschaft mit einem „Vorwärts Magdeburger Jungs!“ angefeuert. Der FCM drückte und probierte es mit hohen Bällen. Fast mit Erfolg. Fast der Anschluss durch Beck. Dann ein weiterer Rückschlag für Magdeburg. Nach etwas über einer Stunde brachte Fink von rechts den Ball mustergültig rein, Grote stand am zweiten Pfosten bereit und schob zum 3:0 für die Himmelblauen ein. Totales Ausrasten vor Freude. Spieler und Fans konnten ihr Glück kaum fassen. Das Ding war durch, so schien es. Jedoch gab sich der FCM noch nicht auf. In der 78. Minute konnte Christian Beck einen hoch hereingebrachten Freistoß mit dem Kopf verwerten. Nur noch 1:3! Verhaltener Jubel. Noch ein Treffer gleich hinterher - und es würde schon ganz anders klingen!

CFC

Wenig später brodelte es auf den Rängen. Magdeburg biss sich vorn fest. Getümmel im Strafraum. Gestocher und Geschiebe, doch Sowislo und Beck kamen nicht entscheidend an den Ball. Chemnitz befreite sich - und machte prompt das 4:1. Von schräg rechts sorgte Daniel Frahn für die Entscheidung. Eine Bude konnte der FCM jedoch noch machen. Immerhin Ergebniskosmetik. Um seinen Gegenspieler herum brachte Sowislo in der 88. Minute den Ball in die Maschen. Dabei blieb es schließlich. Nach vier Siegen in Folge, gab es nun die zweite Niederlage hintereinander. Die Chemnitzer feierten indes den ersten Dreier in der Ferne. Da der F.C. Hansa Rostock mit 1:0 beim Tabellenführer MSV Duisburg gewinnen konnte, rückte nun im oberen Tabellendrittel alles noch enger zusammen. Der Abstand zwischen Rang eins (Duisburg) und Rang neun (Hallescher FC) beträgt gerade einmal sechs Punkte. Am kommenden Spieltag reisen die Magdeburger nach Regensburg, am 05. November folgt dann das mit Spannung erwartete Heimspiel gegen Rostock. 

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Magdeburg

> zur turus-Fotostrecke: Chemnitzer FC

Artikel wurde veröffentlicht am
23 Oktober 2016
Spielergebnis:
2:4
Zuschauerzahl:
17.700
Gästefans
1200

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4 Kommentare
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Ruhe in Frieden Hannes
Gruß aus Dresden
E
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R.I.P. Hannes
G
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