Die Anreise vom Paradies zum Berliner Olympiagelände hatte sich wahrlich gelohnt. Auch im achten Saisonspiel der Regionalliga Nordost fuhr der FC Carl Zeiss Jena einen schmucken Dreier ein. Vergessen waren bei den mitgereisten Fans die Strapazen während des Berufsverkehrs. Nicht jeder hatte es geschafft, pünktlich im Gästeblock des Amateurstadions einzutreffen. Manch einer trudelte erst mit 30-minütiger Verspätung ein. Egal, halb so wild, denn sämtliche Tore fielen sowieso im zweiten Spielabschnitt. In der der ersten Halbzeit schien es noch, als könnte der Tabellenzweite Hertha BSC II dem FC Carl Zeiss ein Pünktchen abknöpfen, doch in den zweiten 45 Minuten ließen dann die Männer aus dem Paradies den berühmten Knoten platzen und die Kirsche dreimal im Berliner Netz zappeln. Erleichterte Gesichter im Gästeblock soweit das Auge reichte. Ein berühmter Schreiberling, man ahnt sicherlich, von wem die Rede ist, meinte sogar, es sei das erste Mal seit fünf Jahren passiert, dass er inbrünstig mitgesungen habe. Nach Jahren der Qual nun ein echter Lichtblick. Kann der Erste der Ewigen Tabelle der DDR-Oberliga nach der Zeit der Schmach den Sprung zurück in den Profifußball packen? Noch ist die Saison verdammt lang. Doch ja, was der FSV Zwickau packte, könnte doch auch Jena gelingen. Oder nicht?!
3:0 im Schummerlicht: FC Carl Zeiss Jena putzt auch die Hertha Bubis weg
2:0 in Meuselwitz, 2:0 gegen Auerbach, 1:0 bei Budissa Bautzen, 3:0 gegen Babelsberg 03, 4:0 gegen Union Fürstenwalde, 4:1 in Neustrelitz und 3:0 gegen den Berliner AK - so die beeindruckende Ausbeute aus den ersten sieben Saisonspielen. Davor gab es einen 2:0-Erfolg im Landespokalfinale gegen den Rivalen aus Erfurt. Geschlagen geben musste sich Jena gegen den FC Bayern München in der ersten Runde des DFB-Pokals und 0:1 im Landespokal bei Eintracht Sondershausen. Das 0:5 gegen den Rekordmeister dürfte jedoch kaum überrascht haben. Als Antwort gab es den 4:0-Sieg gegen Fürstenwalde. Allein die Amateure von Hertha BSC konnten bislang einigermaßen Schritt halten. Und klar, den Hertha-Bubis, trainiert von Ante Covic, traute man es zu, den Thüringern mal ein Beinchen stellen zu können. Die Ligakonkurrenz in Leipzig, Berlin, Babelsberg und Cottbus hoffte logischerweise, dass die Serie an diesem Freitagabend im Amateurstadion enden könnte.
Nur zu klar, dass sich auf den Rängen einige Beobachter von eben diesen Konkurrenten eingefunden hatten. Bei angenehmer Witterung machte man es sich kurz vor Spielbeginn auf den Plätzen gemütlich, als aus den Lautsprechern das Lied „Mit Ruhe und Gemütlichkeit“ (bekannt u.a. aus der Erstverfilmung von „Dschungelbuch“) ertönte. Ja, gemütlich und entspannt ging es zu. Um 17:50 Uhr trafen die Ultras des FC Carl Zeiss ein. Das große Banner „Unbeugsam und unverkäuflich“ wurde am Zaun befestigt. Gegenüber in der Ecke fand sich eine handvoll Hertha-Fans ein, die am Zaun einige blau-weiße Stoffstücken anbrachten.
Auf dem Rasen ging es ausgeglichen zu. Die erste nennenswerte Möglichkeit hatten die Berliner. In der zehnten Minute klärte FCC-Keeper Raphael Koczor vor Fabian Eisele zur Ecke. Nach einer Viertelstunde versuchte sich Timmy Thiele von schräg rechts mit einem Schuss, doch der Ball zischte links am Berliner Gehäuse vorbei. „Oh FCC, die goldenen Zeiten sind vorbei, doch wir sind da …“, sangen die rund 70 aktiven Fans inmitten der 434 (später vom Stadionsprecher angegeben) Schlachtenbummler. Auf Heimseite gab es - wen wundert es bei einem Amateurspiel - keinen nennenswerten Support. Mal abgesehen vom von den zehn Fans in der Ecke gerufenen Schlachtruf. In erster Reihe der Haupttribüne kitzelten sich ein paar Zuschauer lieber gegenseitig ab.
Mit der Zeit erspielte sich Jena Vorteile und war mehr am Ball, doch noch wollten keine richtig fetten Möglichkeiten herausspringen. Und auf Heimseite? In der 21. Minute versuchte sich Bryan Henning, fünf Minuten später probierte sich Florian Kohls, doch zum einen ging der Ball vorbei, zum anderen wurde er problemlos gehalten. Kurz vor der Pause dann die wohl bislang beste Möglichkeit auf Seiten der Gäste, doch ein strammer Schuss konnte zur Ecke abgelenkt werden. Halbzeit auf dem Olympiagelände. Es dämmerte und das Flutlicht wurde eingeschaltet. Aufgrund der doch recht niedrigen Lux-Zahl der Lampen kam eine gewisse Sportplatz-Atmosphäre auf. In Kombination mit dem angenehmen Spätsommerwetter wirkte das Ganze wie eingangs besungen wahrlich gemütlich.
Gemütlich wurde es jedoch nicht für die Hertha-Bubis, denn nun wurden Fakten geschaffen. Spot an und zugeschlagen! Es waren gerade mal sieben Minuten gespielt, als nach prima Kombination von Thiele und Schlegel der bereitstehende Manfred Starke aus kurzer Distanz nur noch einschieben brauchte. 1:0 für den FC Carl Zeiss, im Gästeblock wurde der Zaun kurzzeitig geentert. Die Mitmachquote erhöhte sich nun schlagartig. Euphorie machte sich breit. Der Tabellenführer bekam noch mehr Sicherheit und wollte nachlegen. Und die Möglichkeiten dazu gab es, allein Timmy Thiele hatte in der 56. und 62. Minute zwei sehenswerte Chancen. Und ja, Timmy Thiele blieb im wahrsten Sinne des Wortes weiter am Ball und machte an diesem Abend noch zwei Buden. Nachdem er in der 74. und 79. Minuten zum 2:0 und 3:0 für Jena nachlegen konnte, war der Drops gelutscht. Kurios: Unmittelbar vor dem 3:0 für die Gäste, hatten die Gastgeber eine kurze Sturm- und Drangphase und kamen fast noch einmal ran, doch Fabio Mirbach traf nur den Querbalken.
Am Ende war der Sieg des FC Carl Zeiss Jena unter dem Strich verdient. Ausgiebig feierten die Spieler mit den mitgereisten Fans den achten Dreier in Folge. Mächtig gespannt sein darf man nun auf das kommende Heimspiel gegen den FC Energie Cottbus, der in den letzten vier Partien drei Siege einfahren konnte. Einen Wermutstropfen gibt es aber: So schön die aktuelle sportliche Situation für Jena derzeit auch sein mag, die abschließende Aufstiegsrunde schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Ganzen. Da wirst du womöglich Meister - und stehst doch mit leeren Händen da. Daran mag man im Paradies aber nicht denken. Während zuletzt die Vertreter der Regionalliga Südwest zweimal leer ausgingen, ernteten die Nordost-Vertreter 1. FC Magdeburg und FSV Zwickau die süßen Früchte der harten Arbeit. Damoklesschwert hin, Damoklesschwert her - im Paradies kann es nur Tränen der Freude geben…
Fotos: Marco Bertram