Alles oder nichts. Aufstiegsrunde in die II Liga (dritte polnische Spielklasse). Während sich Odra Opole gegen Vineta Wolin, Olimpia Elbląg gegen Motor Lublin und Warta Poznań gegen Garbarnia Kraków durchsetzen und jeweils im Rückspiel daheim den ersehnten Aufstieg feiern konnten, bildete das Duell Polonia Warszawa vs. Górnik Wałbrzych, das im Hinspiel vor zirka 1.000 Zuschauern 1:1 ausging, den Abschluss des gestrigen Tages. 19 Uhr war Anpfiff und endlich war mal wieder richtig was los im Stadion an der Konwiktorska. Im Stadionumfeld wurde das Gras gemäht, die Polizei stand an der Metro-Station, und im Gebüsch kippten sich 15-jährige Jungspunde noch rasch im Gebüsch ein Starkbier hinter. Ja, es roch nicht nur nach Bier. Es roch nach Fußball. Und zwar so, wie es sein sollte. Nachdem am einzigartigen Springbrunnen sich gesammelt wurde (wo waren eigentlich all die Fans, als im Februar noch mühsam wichtige Punkte eingefahren werden mussten?), ging es zum Stadion, und an diesem war spürbar, dass der Verein Erfahrung hat. Trotz des für Viertligaverhältnisse großen Andrangs lief unter dem Strich weitgehend alles problemlos ab.
Auf dem Weg zurück nach oben: Polonia Warszawa ringt Górnik Wałbrzych nieder
Vor Anpfiff wurden drei Frauen aus einer anderen Sektion des Gesamtvereins geehrt. Eine überaus sympathische Geste. Und was das eigentliche Spiel betraf: Bereits beim Auflaufen konnte man spüren, dass Górnik Wałbrzych sehr zurückhaltend war. Auswärts in der „arroganten Hauptstadt“ vor großer Kulisse - das war für die Mannschaft der „Legion Sudeten“ (Zaunfahne der Kibice von Gornik) eine echte Hausnummer. Die mitgereisten Fans standen kurioserweise direkt neben dem Polonia-Fanblock, nur getrennt durch eine Werbeplane. Gut möglich, dass es eigentlich wieder ein Gästeverbot gab, aber auf diesem Wege ein Kompromiss gefunden wurde. Und ja, beim Blick in den Bereich der durchaus stabil gebauten Gästefans, in dem sich auch ein paar Anhänger von Polonia Świdnica befanden, konnte man feststellen, dass dort mehr Glatzen als im Heimbereich standen.
Im Heimbereich wurde noch an der Choreo gewerkelt, als bereits in der 12. Minute Daniel Choroś den Treffer zum 1:0 für Polonia erzielte. Im Anschluss wurde auf Seiten der Górnik-Fans zwar mächtig gepöbelt, doch blieb es friedlich. Die Hool-Chefs beider Seiten hatten ein gutes Wort eingelegt. Im Anschluss konnte es losgehen. Feuer frei und hoch mit der Choreo, die keiner Übersetzung bedarf. Während es zuletzt beim Heimspiel gegen Legia II zu Pfiffen kam, wurde dieses Mal auf der Haupttribüne applaudiert. Die Anspannung blieb jedoch trotz 1:0-Führung. Der Grund: Hinten war Polonia das eine oder andere Mal offen wie ein Scheunentor an einem warmen Sommertag. Schönes gab es in der Halbzeitpause zu sehen. Die Ultras brachten den Kids auf der Haupttribüne die Fahnen von der Choreo rüber, so dass sich diese später erinnern können, wo sie hingehören.
Der zweite Choreo-Akt erfolgte in der zweiten Halbzeit. Nachdem zuvor in polnischer Manier die Zaunfahnen abgehängt wurden, konnte die Blockfahne hochgezogen und das nächste Spruchband befestigt werden. Dass das Ganze von massig Pyrotechnik begleitet wurde, dürfte sich von selbst erklären. Es brannte, es rauchte - und direkt neben Vermummten bestaunten mitunter Kinder das ganze Spektakel. Entweder zur Abkühlung oder auch als taktisches Mittel ging die Sprinkleranlage an. Kurios, denn dieses Spiel wurde live im Fernsehen übertragen. Die Pyro-Show endete schließlich mit dem sich auf Polnisch prima reimenden Spruch, der auf Deutsch etwa so heißen könnte: „Der Anfang war booooombastisch, am Ende waren wir explosiv.“
Nach zähem Kampf endete die Partie 1:0. Während die Mannschaft aus Wałbrzych wahrlich bis an die Grenzen ging und nach Abpfiff völlig fertig war, wurde auf Heimseite frenetisch gejubelt und gefeiert. Und während unten sich Spieler, Betreuer und Fans in den Armen lagen, diskutierten die Kids auf der Haupttribüne kurz, aber intensiv über den Saisonverlauf. Dabei sagte der Gesichtsausdruck mehr als tausend Worte. „Lief wie am Schnürchen, Adam!“
Dass Polonia ein besonderer Verein ist, zeigt unter anderen die bunte Mischung im Fanblock. Einer der drei Vorsänger tauchte sogar in Priesterkleidung auf. Während der ansonsten eher aalglatt wirkende Polonia-Trainer seinen Emotionen freien Lauf ließ, war es einer der Jackett-Träger aus der obersten Vereinsetage, der trotz der aufgeregten Ochrona (Sicherheitsdienst) die Flucht-Tore der Haupttribüne öffnete. Anschließend gab es kein Halten mehr. Polonia ist in der kommenden Saison drittklassig und darf sich in der II Liga auf ein paar namenhafte Gegner freuen. Zawisza Bydgoszcz, GKS Bełchatów, Radomiak Radom, Błękitni Stargard Szczeciński und Polonia Bytom werden unter anderen in der kommenden Spielzeit bei Polonia vorbeischauen. Und ja, wie meint unser Fotograf und Co-Autor, der vor Ort in Warschau beim Spiel war: Ihr könnt mich für dumm halten oder mit dem Kopf schütteln: Aber dieser Verein fetzt!
Text: In Zusammenarbeit mit Oliver Wiebe
Fotos: Oliver Wiebe
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