1. FC Lokomotive Leipzig: Mit Volldampf zurück in die Regionalliga Nordost

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ZentralstadionEin paar spannende Anekdoten bei einer geselligen Runde, bei der das Bier fließt und über Fußball geplaudert wird? In meinem Fall ist die eine oder andere Story aus der Messestadt immer eine gute Sache, um die Laune noch weiter in Schwung zu bringen. Lok und Chemie. Beziehungsweise VfB und der FC Sachsen. Seitdem ich 1994 die ersten Spiele in Leipzig gesehen hatte, zog sich das bei mir fort bis in die Gegenwart. Ich möchte nicht übertreiben, aber es gab kaum eine Partie mit Beteiligung der Loksche oder der Chemiker, bei der es nicht irgendein nennenswertes Erlebnis gab. 0815? Fehlanzeige! In der Messestadt ticken die Uhren anders, der Pulsschlag scheint ein Tick höher zu sein als anderswo. Dazu die dramatischen Vereinsgeschichten. Ein Auf und Ab. Neugründungen des 1. FC Lokomotive und der BSG Chemie Leipzig. Den VfB Leipzig und den FC Sachsen durfte ich zum ersten Mal im Jahr 1994 erleben. Mit Bayer 04 Leverkusen zu Gast im alten Zentralstadion. Rund 700 Anhänger der Werkself hatten sich damals mit einem Sonderzug auf den Weg nach Leipzig gemacht. Flitzereien in den Straßen der Innenstadt, ein beeindruckender Anblick der weitläufigen Schüssel, die bereits große Schlachten gesehen hatte. Im Herbst 1994 mit dem FC Berlin (BFC Dynamo) nach Leipzig-Leutzsch. Nach dem Spiel landete eine sächsische Faust in meinem Gesicht, am alten Bahnhof gab es noch mächtig Trubel mit der Polizei.

LokIm neuen Jahrtausend blieben bei mir vor allem folgende Partien hängen: FC Sachsen Leipzig gegen Dynamo Dresden im neuen Stadion vor wahrlich großer Kulisse. Das Freundschaftsspiel zwischen dem BFC Dynamo und dem neugegründeten 1. FC Lokomotive im Sportforum Berlin-Hohenschönhausen im Sommer 2005. Das Leipziger Derby 2009, als ein einzelner Lok-Fan über die gespannten Netze in Richtung Sachsen-Block stürmte. Die Spiele der BSG Chemie gegen Chemnitz, Stahl Riesa und Lok Leipzig II. Der Aufstieg des 1. FC Lok Leipzig bei Fortuna Chemnitz vor vier Jahren. Was für eine Party. Auch wir ließen auf der Rückfahrt im Regionalexpress das Bier nur so laufen. Bei der sommerlichen Hitze war der Zustand bei Ankunft in Berlin-Südkreuz arg bedenklich. Zudem hatte ich auf dieser emotionalen Sause einen meiner besten Freunde kennengelernt.

LokMit genau diesem unternahm ich in der Folgezeit immer wieder einen Abstecher zu wichtigen Spielen der Loksche. Das unvergessene erste Duell gegen RasenBallsport Leipzig, als die blau-gelben Fans noch die Oberhand hatten in der Arena. Knapp zwei Jahre später der denkbar knappe Abstieg bei Hertha BSC II. Über 2.500 Lok-Fans feuerten im Amateurstadion ihre Mannschaft an, doch am Ende reichte das 1:1 nicht. Abstieg in die Oberliga. Nach Abpfiff haute mir ein auf dem Rasen gestürmter Fan meine Kamera ins Gesicht. Eine blutige Delle auf dem Nasenrücken - und zudem wieder einmal die Gewissheit: Rollt in / mit Leipzig der Ball, geht es schon mal hitzig zu.

LokIch kann mich an kaum ein Spiel erinnern, von dem es nicht eine Anekdote zu berichten gibt. Unvergessen auch die Partien des 1. FC Lok in Markranstädt. Nach dem Auswärtsspiel beim SSV wurde am alten Bahnhof Leutzsch die Notbremse gezogen und schon bald standen die ersten Lok-Anhänger auf den Gleisen. Chemie hatte am gleichen Tag ein Heimspiel gehabt, und die Anspannung war bei jedem zu spüren. Es knisterte, das Blut hämmerte durch die Adern. Und auch als es in Markranstädt gegen die U23 von RasenBallsport Leipzig rangehen sollte, lagen mitunter die Nerven blank. Hektik zu Füßen der Haupttribüne. Lok-Spieler und auch Mario Basler versuchten zu schlichten. Ich möchte keine Schubladen öffnen und die Loksche in die mit der Beschriftung „Randale-Club“ packen. Nein, vielmehr hatte sich immer wieder gezeigt, dass es äußerst emotional zugeht. Allzu oft war der Rücken an der Wand. Dazu die allpräsente Rivalität zu den Chemikern und das vor die Nase gesetzte millionenschwere Projekt RasenBallsport, das kaum Raum lässt für andere größere Fußballvorhaben in der Messestadt.

LokUmso mehr ist es beachtlich und überaus erfreulich, dass dem 1. FC Lokomotive - trotz der finanziellen Probleme in der jüngeren Vergangenheit - die Rückkehr in die Regionalliga Nordost gelungen. Und das nach dem katastrophalen Abschluss der Saison 2014/15. Mit Volldampf und dem festen Willen „Jetzt erst recht!“ wurde der Hebel durchgedrückt bis auf Anschlag. Bislang ungeschlagen rauschte die Loksche von Spiel zu Spiel der laufenden Oberliga-Saison. 21 Siege und sieben Unentschieden sind auf der Habenseite. Kurzzeitig schien ein bisschen die Luft auszugehen, als es mit etwas Ladehemmung mehrmals beim Remis blieb. Der FC International Leipzig rückte auf, doch am Ende machte der 1. FC Lokomotive mit fünf Siegen alles klar.

LokIn Probstheida ließ man sich nicht aus der Ruhe bringen. Mehrmals verlegte Spiele. Auswärts unter der Woche. Das Hickhack um das Auswärtsspiel bei SCHOTT Jena. Vom Verband gutgeschriebene Punkte hin oder her. Angewiesen war der 1. FC Lok auf diese nicht. Statt der Aufstiegsparty in Jena gab es nun eine in Bernburg. Beim TV Askania wurden insgesamt 2.220 Zuschauer Zeuge eines ungefährdeten 5:0-Sieges. Ein Tor von Ramon Hofmann sowie jeweils zwei Treffer von Daniel Becker und Djamal Ziane ließen die zahlreich angereisten Lok-Fans jubeln. Am Abend wurde die Mannschaft noch am Bruno-Plache-Stadion erwartet. Mit Rauch, etlichen Fackeln und Gesang wurde eine spontane Party zelebriert. 

LokBegonnen hatte die Saison mit dem Heimspiel ausgerechnet gegen den FC Rot-Weiß Erfurt II. Die Ereignisse in Erfurt am letzten Spieltag waren noch gar nicht komplett ausgewertet. Aber immerhin: Statt vor komplett leeren Rängen durfte am Ende vor 944 Zuschauern gespielt werden. In Unterzahl (Rote Karte in der 12. Minute) konnte der 1. FC Lok mit 1:0 gewinnen. Als beim VFC Plauen vor 1.900 Zuschauern ein 1:1 folgte, befürchtete manch ein Lok-Fan, dass es wieder knapp werden könnte mit dem erhofften Aufstieg. Das 0:0 gegen Union Sandersdorf vor 2.889 Zuschauern schien die Befürchtungen zu bestätigen. Der folgende 2:1-Sieg bei der U23 des FC Carl Zeiss Jena ließ die Anhängerschaft aufatmen, und als der VfL Halle 96 mit 4:0 vom Platz gefegt wurde, wurden die kritischen Stimmen wieder leiser. 4:2 beim FC Energie Cottbus II, 4:0 gegen Markranstädt vor wieder einmal großer Kulisse (2.905 Zuschauer) und dann der 3:0 Sieg beim FC International Leipzig in Grimma. Das passte. Die Loksche schien genügend Kohlen aufgelegt haben. 

LOKSpektakulär ging es weiter. Es folgte ein sehenswertes 5:3 gegen die BSG Wismut Gera vor 3.127 Zuschauern. Endlich war auch im Gästeblock mal was los, und die Gäste (auf dem Rasen und im Block) erhielten nach dem Spiel reichlich Anerkennung. In Erinnerung blieb sicherlich auch der 3:0-Sieg am 27. Februar dieses Jahres gegen den VFC Plauen vor 3.332 Zuschauern. Und klar, Gänsehautatmosphäre war angesagt, als am 16. April vor knapp 4.200 begeisterten Fans der Rivale FC International Leipzig mit 2:1 geschlagen wurde. Djamal Ziane hatte beide Treffer erzielt. Eine ordentliche Kulisse (1.753) gab es auch beim Auswärtsspiel in Gera. Hätte man nicht am Mittwoch um 18 Uhr gespielt, hätte die Marke wohl noch höher gesetzt werden können. Mit 5:0 gewann die Loksche bei der BSG Wismut, die glücklicherweise der Oberliga erhalten bleibt.

LOkNach dem 2:0 auf Papier bei SCHOTT Jena und dem realen 5:0 in Bernburg ist nun alles klar. Die kommende Regionalliga-Saison kann kommen! Mit den beiden Heimspielen gegen den Bischofswerdaer FV und den FSV Barleben 1911 kann sich aus der Oberliga verabschiedet werden. Zwei Partien mit halber Kraft? Nein! Als einzige Mannschaft der oberen fünf Ligen möchte man unbedingt bis zum Saisonende ungeschlagen bleiben! Und dann? Vorbereitungen treffen für die mit Spannung erwartete Wiederkehr in der Regionalliga Nordost. Den Kader zusammenstellen, die Stadionkapazität erhöhen. Die Gegner können sich wahrlich sehen lassen. Die kommende Saison ist nicht von Pappe. Mit dem FC Carl Zeiss Jena, dem FC Energie Cottbus und dem BFC Dynamo kommen wieder große Namen ins Plache-Stadion. Und klar, auch auf das Aufeinandertreffen mit dem SV Babelsberg 03 darf man gespannt sein.

Falls der FSV Zwickau gegen den SV Elversberg nicht den Aufstieg in die 3. Liga eintüten kann, ist ein weiterer namenhafter Gegner am Start. Und um den Bogen zu schließen - was passiert derzeit in Leutzsch? Dort wurde an den vergangenen Spieltagen zum Teil überaus unglücklich (diskussionswürdiger Elfmeter in der Nachspielzeit, usw.) der mögliche Aufstieg in die Oberliga aus der Hand gegeben. Sehr schade, denn letztendlich haben es beide Vereine, die mit Hilfe der eigenen Fans aus dem Nichts wieder hervorgebracht wurden, verdient, (mindestens) in der Regionalliga zu spielen.

Fotos: Messemann Uwe, Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Lokomotive Leipzig

Artikel wurde veröffentlicht am
25 Mai 2016

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3 Kommentare
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Kommentare
Sehr treffend die Situation
in Leipzig beschrieben. Leider hat diese übergroße Emotionalität jede Vernunft in den letzten 25 Jahren zunichte gemacht und RB erst ermöglicht.
R
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Nur noch Chemie!
Irgendwann sieht man sich wieder!!! :-P
NN
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G
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