Zwischen Euphorie und Existenzangst: Der Saisonrückblick zu Austria Salzburg

TS Updated 27 Mai 2016
Zwischen Euphorie und Existenzangst: Der Saisonrückblick zu Austria Salzburg

AustriaDie erste Saison im Profifußball ist für die Salzburger Austria nun wieder Geschichte. Der Verein, der sich nach der Übernahme durch Red Bull neu gründete und sich von der unterersten bis in die in zweithöchste Spielklasse zurückgekämpft hat, durchlebte wohl eine der turbulentesten Spielzeiten seiner 83-jährigen Geschichte. Ich erinnere mich noch gut an das erste Spiel der Austria im bezahlten Fußball. Ein heißer Freitagabend im Juli auswärts gegen den SKN St. Pölten. Sehr gut kann ich mich erinnern, wie 2000 mitgereiste Salzburger damals „Wir haben Austria Salzburg im Herzen“ in den Sommerhimmel schmetterten und ich bei gefühlten 30 Grad eine Gänsehaut bekam. Ich habe große Pyro-Shows, atemberaubende Choreographien und dergleichen erlebt, aber ich muss sagen, dass der Salzburger Auftritt bei diesem Spiel wohl zu den emotionalsten Momenten gehört, die mir dieser Sport geschenkt hat.

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Warum? Weil sich all diese angestauten Emotionen entluden. All der Schmerz, die Zerrissenheit aber auch der Stolz darüber diesen steinigen Weg gegangen zu sein. All das war in diesem Gesang kanalisiert. Ich habe gespürt was dieser Abend allen Violetten bedeutet. Dass dieser Verein seinen eigenen Tod überlebt und sich zurückgekämpft hat als der Sargdeckel eigentlich schon zu war.

SVAEine beeindruckende Stimmung im prall gefüllten Gästeblock, die Fahnen mit dem vermummten Mozart drauf, Jungs auf den  Zäunen mit „Love the Game, hate the business“ Tattoos. Es war ein Moment, der Balsam für die Seele war. Ein Augenblick, in dem ein anderer Fußball für mich in greifbarer Nähe war. Nach zwei Rückständen erkämpfte sich das Salzburger Original einen Punkt bei dem Team, das am Ende der Saison in die erste Bundesliga aufsteigen sollte. 

Es folgten weitere atmosphärische Highlights wie das Auswärtsspiel bei der Zweitvertretung von RB Salzburg oder die Auswärtspartie gegen den Linzer ASK. In beiden Spielen wurde deutlich, welche große Bereicherung der SV Austria Salzburg für eine Liga ist, die ansonsten unter einer desolaten Zuschauerresonanz leidend orientierungslos vor sich hin dümpelt. Beim Spiel auf der Linzer Gugl strömten fast 9400 Menschen zum Spitzenspiel der zweiten Liga. Bei der Bundesligapartie am darauffolgenden Samstag  zwischen Meister RB Salzburg und Altach wurden übrigens fast 3000 Fußballfreunde weniger gezählt.

LASKDas nächste Spiel sollte zuhause gegen den FC Wacker Innsbruck ausgetragen werden. Die Vorfreude auf das erste Westderby seit Ewigkeiten war auf beiden Seiten riesig. Doch dieses Spiel sollte auch den Anfang vom vorläufigen Ende des Profifußballs in Salzburg einläuten, aber der Reihe nach. Um die Lizenz für die zweithöchste österreichische Spielklasse zu erhalten war der Salzburger Traditionsverein genötigt große Summen für die Adaptierung des eigentlichen Heimstadions im Stadtteil Maxglan zu leisten. Es wurde unter anderem gefordert eine Hintertortribüne und eine verbesserte Fluchtlichtanlage zu errichten. Für die Zeit bis zur Fertigstellung der Bauarbeiten in Maxglan war angedacht, dass der Verein seine Heimspiele im zirka 90 Kilometer entfernten Stadion in Schwanenstadt austrägt.  Außerdem sollten hier auch die Heimspiele der als „Risikospiele“ eingestuften Partien gegen Wacker Innsbruck und gegen den Linzer ASK ausgetragen werden.

SVAKompliziert genug, aber zum Drüberstreuen waren zusätzlich auch noch Ausgaben in Schwanenstadt erforderlich um den Gästeblock im dortigen Stadion entsprechend zu adaptieren. Wie sich später zeigen sollte, war es diese finanzielle Belastung, welche die Austria an den Rand des Ruins bringen sollte. Das Spiel gegen Wacker fand letztendlich nach einer unwürdigen Posse in Schwanenstadt vor leeren Rängen statt. Beide Fanszenen reisten trotzdem an und bemühten sich um Stimmung von außerhalb des Stadions. In der Folge suchte die Austria verzweifelt nach einem anderen Ausweichstadion. Auch bei Red Bull fragte man an, ob das ursprünglich noch für die Austria erbaute Stadion in Wals-Siezenheim für drei Spiele genutzt werden dürfte. Dies wurde aber abgelehnt mit der Begründung, dass dem Rasen die zusätzliche Belastung durch drei Spiele zwischen November und Mai nicht zumutbar wäre. Letztendlich erhielt man beim Floridsdorfer AC kurzzeitig Asyl. Gleichzeitig sickerten immer neue Horrormeldungen bezüglich der finanziellen Lage beim Liga-Neuling durch. Die Summe der Verbindlichkeiten dürfte sich zwischen einer und 1,4 Millionen Euro betragen. Ein Insolvenzverfahren wurde eröffnet und der damit verbundene Zwangsabstieg in die Regionalliga West nahm konkrete Form an.

SVAZwischen diesen dunklen Stunden flackerte aber auch die Strahlkraft des einstigen UEFA CUP-Finalisten der Saison 1993/1994 noch einmal deutlich auf. Zum einen gab es Ende Oktober das legendäre Auswärtsspiel im Pokal gegen Rapid Wien, als 2000 Salzburger unter der Woche bei der 1:5 Niederlage ihrem Ruf als eine der besten Fanszenen der Alpenrepublik alle Ehre machten. Zum anderen schafften es die Violetten durch eine Aufsehen erregende Spendenaktion über die Grenzen hinaus aufhorchen zu lassen. Den Auftakt zur Rückrunde gab es dann in der Alten Försterei, wo sich der 1. FC Union Berlin dazu bereit erklärte, ein Benefizspiel gegen die Salzburger auszurichten und den Erlös an die Österreicher weiterzugeben. Rückblickend kann man sagen, dass diese Aktion für den Fortbestand der Austria von fundamentaler Wichtigkeit war.

SVAIm März gelang es dann beim zweiten Gespräch die Gläubiger vom Sanierungsplan zu überzeugen. Sicher der wichtigste Sieg in dieser Saison.  Durch die Insolvenz und den damit verbundenen Zwangsabstieg verlor die Rückrunde sportlich natürlich an Bedeutung. Doch sowohl Mannschaft als auch die Fans präsentierten sich dennoch absolut würdig. Am 25. Spieltag gelang im "Heimspiel" im Ausweichstadion in Wien Floridsdorf dann gar der Derbysieg über die vor der Saison als Aufstiegsaspirant gehandelten Innsbrucker. Da es rund um dieses Spiel zu Sachbeschädigungen durch die Anhänger der Tiroler kam, wurde der Vertrag zur Nutzung des FAC Platzes von Seiten der Floridsdorfer aufgekündigt. Die Salzburger Austria befand sich nun für das letzte als Risikospiel eingestufte Heimspiel gegen den Linzer ASK einmal mehr auf Stadionsuche.  Ausgetragen wurde dieses Spiel dann in der Arena im niederösterreichischen St.Pölten. Die Austria hat somit in dieser Saison in vier Bundesländern (!) ein Heimspiel austragen müssen. Ein unwürdiges Prozedere, das gleichzeitig aber auch die behördlichen sowie infrastrukturellen Probleme eines Vereins im Zwiespalt zwischen Anspruch und Realität erkennen lässt. 

SVAIm letzten Heimspiel der Saison gegen Austria Lustenau hieß es dann Abschied nehmen von der Bühne Profifußball, aber auch von den beiden Publikumslieblingen Stefan Ebner und Andi Bammer. Letzterer möchte nun eine Pilotenkarriere in Angriff nehmen. Unter den Augen von mehr als 1200 Zuschauern, darunter auch eine Delegation von Union Berlin, gelang es auch im letzten Versuch nicht den ersten echten Heimsieg in Salzburg Maxglan zu fixieren. Die Fans zeigten vor Spielbeginn eine sehr schöne aus mehreren Überziehfahnen bestehende Choreographie. Es wäre sowohl der Austria als auch dem österreichischen Klubfußball zu wünschen, dass eine baldige Rückkehr in die zweithöchste Spielklasse so schnell wie möglich gelingt. 

Fotos: Tim Seidenberg (Flickr-Fotoseite), Los Misenas

> zur turus-Fotostrecke: SV Austria Salzburg

Artikel wurde veröffentlicht am
23 Mai 2016
Spielergebnis:
2:2
Zuschauerzahl:
1.250

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