Greifswalder FC vs. Mecklenburg Schwerin: Das Leben der Fusionsvereine an der Ostseeküste

M Updated 25 September 2016
Greifswalder FC vs. Mecklenburg Schwerin: Das Leben der Fusionsvereine an der Ostseeküste

schwerinGreifswalder FC vs. FC Mecklenburg Schwerin. Vor fünf Jahren hatte noch niemand im Sinn, dass es heute dieses Spitzenspiel (GFC Erster mit 3 Punkten Vorsprung vor dem Spiel) überhaupt geben könnte. Fußball-Greifswald war zerstritten und in Schwerin dümpelte neben einer unbeliebten SG Dynamo ein FC Eintracht so vor sich hin. Wirkliche Notiz davon hat niemand genommen. So ist es auch heute nach den Fusionen in den Jahren 2013 (Schwerin) und 2015. Es ist der späte Nachmittag des vorletzten Mai-Sonntags. Über 1.100 Zuschauer sind gekommen. Es ist mucksmäuschenstill. Man hört nur die Gespräche der Spieler und Kommentare Schwerins Fußballlegende Martin Pieckenhagen. Halt, halt. Ein einsamer Verwirrter ruft die ganze Zeit „Auswärtssieg, Mecklenburg!“ und „Piecke, Oberliga!“.

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GreifswaldVermutlich ist es der Mensch, der mir schon 2003 durch ein ähnliches Verhalten im Schweriner Lambrechtsgrund auffiel. Ganz gewiss der dienstälteste Schweriner im Anhang. Eine kleine Kontaktsaufnahme bestätigt, dass es hier welche gibt, die noch nicht sehr lange zum Fußball gehen. Ok, jeder hat mal angefangen. Nach zwanzig Minuten kann ich bereits das Resümee über die Kulisse ziehen. Hinzuzufügen war dann nur noch ein „Auswärtsiiiiii-iiiiieg!“ Kein kraftvolles „Auswärtssieg, Auswärtssieg!“, sondern dargeboten wie ein lang gezogenes Vauuuuu-Efffff-Beeeeeeheeeee im Vollsuff. Man muss das einfach tolerieren, wenn solche Vereine gegeneinander antreten. Wobei wir schon beim nächsten Stichwort sind. Toleranz – ein abstrakter und dehnbarer Begriff. Seine zwei Begleiter „gegen“ und „Fremdenfeindlichkeit“ waren auch sofort zur Stelle. Auf Tänzer, Schlangenbeschwörer und Artisten wurde verzichtet, aber für die Unterhaltung diente ein Toleranz-Aktions-Tag. Alles schön und gut, aber das Fußballpublikum ist doch die völlig falsche Adresse. Affenlaute und Bananen auf dem Spielfeld kennt man hier nur aus dem Fernsehen. In Greifswald und Schwerin mussten die Leute im Rahmen des Fußballs schon ganz andere Sachen tolerieren. 

GreifswaldEin Greifswalder SC verschwand aufgrund einer Minus-Summe, die heutzutage für andere Klubs kein großes Problem darstellen würde. In Schwerin toleriert die Stadt nicht, dass das älteste deutsche Fußballstadion, die Paulshöhe, zu erhalten ist. Das Theater läuft da schon seit Jahren. Genau da wäre es mal gut mit der Toleranz zu beginnen. Lasst doch einfach das Stadion leben! Zeigt Toleranz! Hier beim Greifswalder Publikum geht der gebetsmühlenartig vorgetragene Text in das eine Ohr rein und durch das andere wieder hinaus in die warme Sommerluft am Bodden. Der Leser müsste jetzt einen Einblick von der Kulisse bekommen haben. Bundesliga-Testspiel-Atmosphäre: mit großen Worten und vielen Sponsoren sowie einigen Medienvertretern. Diese mussten dann notieren, dass Schwerin eiskalt so gut wie alle Chancen nutzte. Der einzige Aufreger auf der anderen Seite war ein Doppel-Pfosten-Treffer. 

GreifswaldSo steigt Greifswald bestimmt nicht auf – 0:4 im Top-Spiel! Nett anzusehen war das Spiel. Das muss man ihnen lassen. Technisch auf hohem Niveau. Trotz der Hitze auch sehr schnell. Mal ein Ohr ins Volk gehalten und einige Zuschauer träumen hier von den großen Namen der Oberliga: „Oberliga in Greifswald, dat wär echt ma klasse. Dann kommen endlich mal wieder große Namen.“ Große Namen? Vielleicht wurde hier die Oberliga mit der alten DDR-Oberliga verwechselt. VSG Altglienicke, Schöneiche, CFC Hertha, Brieselang sind schon ein kleiner Unterschied zu Lok Leipzig, BFC Dynamo oder Dynamo Dresden. Vermutlich Ansichtssache und dehnbar wie der Toleranzbegriff. Für beide wäre die Oberliga nur eine Durchgangsstation. In Greifswald pfeifen die Spatzen das Wort „Regionalliga“ bereits von den Dächern und in der Metropol-Region Hamburg-Schwerin ist Regionalliga einfach ein Muss.

GreifswaldFür die Schweriner Fußballfans ist es schade, dass der ambitionierte Verbandsligist nicht Dynamo heißt. Jener wäre hier mit einem Sonderzug angereist. Der FC Mecklenburg organisierte einen Bus, der erst mit Mühe voll wurde. Und wie sah es auf der anderen Seite aus? Eine beeindruckende Masse machte sich auf der unüberdachten Tribüne des Volksstadions breit. In der Ecke hing sogar die Fahne der Greifswalder Jungs – noch ein Fanclub des Greifswalder SV 04. Die Fahne hing einfach und einsam nur so da. Das hatte was von den zahlreichen Montagsspielen im DSF mit Beteiligung von Tennis Borussia, bei dessen Spielen öfter mal eine BFC-Fahne zu sehen war – unabhängig von der Begegnung. Nach dem 0:3 lichteten sich die Reihen schon ziemlich schnell. 

PiekeDas Spiel war gelaufen. Die neuesten Geschichten waren bereits ausgetauscht, das Bierchen mit dem Nachbarn war genüsslich getrunken worden und Madame zu Hause hat endlich mal ein paar Minuten, um in Ruhe für den „Alten“ die Wäsche machen zu können. „Ach wenn Greifswald doch nur jedes Wochenende ein Heimspiel haben könnte!“, wird sie sich wohl denken. So wirkt nämlich das ganze Spektakel auf den Auswärtigen. Es wurde garantiert viel Geld in den GFC gesteckt und man schwärmt von einer gewissen Professionalität, aber authentischer Fußball sieht doch anders aus. Wo sind hier das Leben, das Herzblut, das mitfiebernde Publikum, das gewisse Etwas des Fußballs? Der Greifswalder FC und der FC Mecklenburg reihen sich (leider) in die Gruppe so vieler Fusionsresultate ein, die irgendwie alle nach einem ähnlichen Muster funktionieren.

Solange wie die Kasse klingelt, wird sich da auch bestimmt nichts ändern. Gegen FK „Rene‘ Schneider“ wird’s wahrscheinlich wieder voll werden, denn nach dem Spiel steht Greifswald nur noch mit zwei Toren Vorsprung an der Spitze. Eine Sache wurde noch völlig außer Acht gelassen. Schwerin und Greifswald stehen im Schatten von Hansa Rostock. Somit sind der GFC und der FCM, wie hier ein Kind gelegentlich blökte, eher (noch) eine Randnotiz in der Fußballwelt MVs. 

Fotos: Michael

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Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
23 Mai 2016
Spielergebnis:
0:4
Zuschauerzahl:
1.128

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Verbandsliga

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Kommentare
Was für ein Unsinn...
Der Schreiber schwadroniert hier über die ach so schlimmen Fusionen, beweist aber schon damit, dass er keine Ahnung von den Clubs hat. Mecklenburg Schwerin ist aus einer Fusion von Eintracht Schwerin mit einem Förderverein hervor gegangen, also schlicht eine lokale Sponsorengruppe die sich um erfolgreichen Fußball in Schwerin bemüht. Und siehe da: Dank guter Arbeit, die auf einem erfolgreichen Nachwuchs aufbaut, gibt es in Schwerin diese Saison erstmals seit 13 Jahren wieder Oberliga-Fußball. Ist es so schlimm wenn mittlere Kommunen ihre Kräfte bündeln um sportlichen Erfolg zu haben?
In Greifswald ist es noch deutlicher. Man hat sich - zum Glück - dazu bemüht das wieder gerade zu biegen was Sturköpfe in den Nuller Jahren verbockt haben. In Greifswald gab es immer nur einen großen Klub, bis man sich zerstritten hatte. Dieser Unsinn wurde mit der Fusion des GSV mit Pommern Greifswald schlicht wieder zurückgenommen.

Nun reden wir über das Thema Fans: HALLO?! Über 1.100 Zuschauer in der Verbandsliga MV? Wie geil ist das denn! Diese Liga hat normalerweise einen Zuschauerschnitt von lächerlichen 150 Leuten, inklusive der "Traditionsvereine" aus Rostock, Stralsund und Neubrandenburg. Diese bösen, bösen Fusionsklubs Schwerin und Greifswald haben in der Vorsaison mehr Zuschauer angelockt als irgend ein Klub in der Liga sonst.
Ja, es gibt keine organisierte Fanszene, aber wie viele Sechstligisten Land auf, Land ab haben die bitte? Es ist der Lauf der Dinge, dass sich diese erst ab der Regionalliga wirklich formt, ein Blick nach Neustrelitz und in viele andere Mittelstädte bestätigt das.

Zudem geht der Autor hier komplett unwissend davon aus, dass es natürlich nur ums Geld geht. Die Blutsauger aus der Wirtschaft wollen einfach nur hoch in den (semi-)professionellen Fußball, um eine Werbefläche für ihre Unternehmen zu haben, alles andere ist egal. Richtig? Falsch! Kürzlich hat der GFC als Ausbildungsentschädigung 60.000€ durch den Transfer von Toni Kroos nach Madrid erhalten. Was wurde damit gemacht? Spieler aus der Regionalliga an den Bodden gekauft? Nein, 50.000€ wurden in neue Trikots und Trainingssachen für 20 Juniorenteams gesteckt, die anderen 10.000€ wurden beiseite gelegt für neue Umkleidekabinen im Stadion der zweiten Mannschaft. Sage und schreibe vier neue Spieler hat der GFC zur neuen Saison geholt, zwei davon aus der eigenen Jugend.

Nah am Lachkrampf war ich allerdings beim Kommentar, dass die große Schweriner SG Dynamo mit einem ganzen Sonderzug in Greifswald eingeritten wäre. Junge, die SDG hat bei Heimspielen kaum über 100 Zuschauer und bis auf ein Dutzend alte besoffene Glatzen macht da keiner das Maul auf. Das ist so ziemlich der uninteressanteste Verein den es gibt.
B
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Einen Tag zuvor in Prohn gab es auch keine Hundertschaft und keine Hohlköpfe. Dennoch war es wesentlich authentischer. Alles, was so in den letzten Jahren gegründet wurde, funktioniert nach einem ähnlichen Schema. Da wird sich über den Sport als Firma/Politiker einfach nur vermarktet. Man müsste mal diese ganzen Vereine unter die Lupe nehmen und analysieren, um Gesetzmäßigkeiten feststellen zu können, weshalb die Klubs dieses Image haben. Bei vielen Leuten kommen sie nur wie halbherzig geführt vor, nicht nur mir. Der Klub irgendwie nur als Mittel zum Zweck. Das ist der Punkt.
S
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Warum so negativ?
Faktenkorrektur: Da die Wahrscheinlichkeit gegen 100% geht, dass Schwerin die 3 Punkte gegen Anklam am grünen Tisch zugesprochen bekommt (Anklam war wegen Mangels an Spielern nicht angetreten) waren beide Mannschaften vor dem Spiel punktgleich und nach dem Spiel ist Schwerin Tabellenführer.

Ich persönlich finde ein Spiel wie dieses deutlich besser, als eines bei dem mal wieder Hundertschaften von Polizei benötigt werden, um den Hohlköpfen Einhalt zu gebieten.

Und Fusionen sind übrigens auch bei den sogenannten "Traditionsvereinen" nicht ungewöhnlich. Nur liegt diese meist schon 50 bis 100 Jahre zurück.
C
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Daumen hoch!!
R
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G
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G
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